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Stuttgart (ar) - Ungewöhnlich früh trat das Stuttgarter Ballett mit den Plänen für die nächste Spielzeit vor die Presse. Tamas De trich, der Nachfolger des scheidenden Intendanten Reid Anderson, verkündete ein ambitioniertes Programm: neue Namen, viel Moderne, wenig Klassik und erstaunlich wenig von John Cranko (es war ja auch arg viel in jüngster Zeit). Gegen den Aufschrei „Und dafür lohnte es sich, Marco Goecke zu entlassen?!“ treten an: Katarzyna Kozielska und Edward Clug, alte Bekannte aus Andersons Zeiten, die gemeinsam mit der - dann ehemaligen - Heidelberger Tanzchefin Nanine Linning fürs Schauspielhaus drei Uraufführungen zum Thema Bauhaus und Weimarer Verfassung kreieren - eine Kooperation mit Hasko Webers Nationaltheater in Weimar, die wenige Tage später dort zu den Feierlichkeiten zum 100. Jubiläum des Bauhauses gezeigt werden soll; ein ungewöhnliches, spannendes Thema für einen Tanzabend.

Der Schwede Johan Inger ist neu für Stuttgart, die internationalen Kompanien aber sind reichlich bestückt mit seinen Werken; in einem Abend mit dem Titel „Atem-Beraubend“ zeigt Detrich sein „Out of Breath“ von 2002, in dem ein mysteriöses Riesenobjekt im Boden versinkt. Dazu gibt es die willkommene Wiederaufnahme der atemlos hüpfenden Lichtquadrate in Itzik Galilis „Hikarizatto“.

Der größte Fang und eindeutig ein Ereignis ist der britisch-bengalische Choreograf Akram Khan, ein Gesamtkunstwerker und mit seinen Wurzeln im klassischen indischen Tanz ein ähnlicher Mittler zwischen den Welten wie Sidi Larbi Cherkaoui. Detrich beabsichtigt eine langfristige Zusammenarbeit mit dem Star der Ethnotanz-Szene. Fürs Erste zeigt Stuttgart „Kaash“, Khans virtuos-meditatives Durchbruchswerk über die zerstörerische und schaffende Kraft des Gottes Shiva.

Statt „Giselle“ oder „Dornröschen“ aufs Programm zu setzen, stellt Detrich einen eher abstrakten Abend aus Klassik, Klassizismus und Neoklassik zusammen: „Shades of White“ kombiniert John Crankos feingehäkeltes „Konzert für Flöte und Harfe“ zu Mozart, Balanchines rasante „Symphonie in C“ zu Bizet und dazu das „Königreich der Schatten“, den zweiten Akt des Petipa-Klassikers „La Bayadère“. Hier versinkt der Held in einem Opiumtraum und sieht eine endlose Reihe von Tempeltänzerinnen auf die Bühne herabschreiten - in immergleicher Wiederholung, magisch, entrückend und hundsschwer zu tanzen wie der ganze Abend.

Über eine Kooperation mit dem Kunstmuseum Stuttgart zum Thema „Ekstase in Kunst, Musik und Tanz“ konnte Detrich noch nicht viel sagen. Neben einer Wiederaufnahme von John Neumeiers „Kameliendame“ gibt es zwei neue Abendfüller: Detrich holt endlich etwas Neues von Jirí Kylián, der 1968, also vor fünfzig Jahren, als junger Tänzer aus Prag nach Stuttgart kam. Sein „One of a Kind“ entstand 1998 als ein „Gedicht auf die Freiheit“. Ein zweifelhafter Knüller ist Kenneth MacMillans „Mayerling“, die Geschichte um den Selbstmord des österreichischen Kronprinzen Rudolf, ein mit zu viel Personal und Geschreite überlastetes Ballett, das aber tolle Pas de deux und eine grandiose Hauptrolle bietet. Die neue Ausstattung des großen Jürgen Rose wird das Ganze entschieden verbessern, laut Detrich soll sie dunkler werden als die arg verstaubte britische Version von 1978.

Und alle, alle werden sie, so Detrich, persönlich nach Stuttgart kommen, um mit den Tänzern zu arbeiten: Kylián, Neumeier, Natalia Makarowa für „La Bayadère“, Akram Khan. Jetzt sind wir gespannt auf die personellen Veränderungen, die genau wie die exakten Premierentermine erst bei der Spielplankonferenz im Juni bekannt gegeben werden.