Von Verena Großkreutz

Stuttgart - Es gibt vier tierische Charaktere unter menschlich Besoffenen: den Affen, der euphorisch herumtanzt und dabei immer wieder auf die Schnauze fällt. Den Löwen, der im Zustand der Trunkenheit alles cholerisch zusammenbrüllt. Das Schwein, das alles vollkotzt, und schließlich das Schaf, das unter Alkoholeinfluss sentimental wird und herumheult. Diese dezidierte Saufnachhilfe bekam das Musikfest-Publikum in der „Alehouse Session“ im Cannstatter Club Wizemann verpasst, und Steven Player spielte alle vier Typen des Trunkenboldes in lustigen Slapsticks vor: ließ sich zu Boden fallen, entleerte sich über der Trommel seines Kollegen Helge Norbakken und fiel einer Dame im Publikum in Tränen aufgelöst um den Hals.

Ja, es ging lustig zu im Konzert der norwegischen Barokksolistene, die quietschvergnügt auf der Bühne herumtollten und um die Wette fiedelten. Immer mehr Bierflaschen wurden geleert und sammelten sich auf den Tischen auf der Bühne. Schließlich ging es um eine Zeitreise ins 17. Jahrhundert, in die Bierhäuser Londons, die Alehouses, wo sich das Volk gerne volllaufen ließ und dabei tanzte, johlte, Seemanns- und andere Lieder grölte. Die Stimmung brachten die neun Jungs der Barokksolistene trefflich rüber.

Durchs Programm führte der Leiter der Band, der charismatische Barockgeiger Bjarte Eike, der bekannt ist für Crossover-Projekte und seine das Publikum einbeziehende kommunikative Art. So brachte er der Zuhörerschaft - die ausdrücklich gebeten wurde, sich auch während des Konzerts an der Bar mit Bier zu versorgen - einen Shanty bei und garnierte seine Moderation mit Witzchen: „1637 gab es in England 30 000 Alehouses - bei 31 000 Einwohnern.“ Stilgerecht wurde unplugged gespielt: traditionelle englische Tanzmusik, auch solche vom berühmten Henry Purcell, der nicht nur den Hof und die Theater, sondern auch die Alehouses mit neuer Musik versorgte.

Stilistisch ist der Barock-Folk nicht weit entfernt vom heutigen Folk der britischen Inseln. Die Tänze und ihre Melodien - die sogenannten Tunes -, die Reels, Jigs, Hornpipes, Marches, Airs: Vieles von dem hat bis heute überlebt, auch durch John Playfords „Dancing Master“-Sammlung, die über 1000 Tanzmelodien überliefert. Klar, dass sich die Barokksolistene daraus ausgiebig bedienten. Da qualmten die Saiten der drei Geiger, immer wieder wurden die barocken Freiräume für ausführliche Solo-Einlagen genutzt. Dann haute Hans Knut Sveen in die Tasten seines Cembalos oder Steven Player stampfte und hüpfte skurrile Tanzeinlagen. Natürlich durften auch Volkslieder nicht fehlen, wie jenes über die Gattin eines Lords, die mit einem Gypsy-Geiger durchbrannte. Das Publikum war begeistert.

heute beim musikfest

11 Uhr, Staatsgalerie: „Die Revolution frisst ihre Kinder“: Dantons Brüder. Führung mit Catharina V. Wittig.

13 Uhr, Stiftskirche: Johann Sebastian Bach: Köthener Trauermusik (Rekonstruktion). Deutsche Hofmusik, Leitung: Alexander Grychtolik.

15 Uhr, Hospitalhof:Gernot Rehrl spricht mit Helmut Nanz, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Bachakademie.

19 Uhr, Mozartsaal der Liederhalle: Werke von Monteverdi, Haydn, Schubert, Wagner und Schönberg. Miah Persson, Sopran, und das delian::quartett.

21 Uhr, Firma Endress + Hauser, Gerlingen (Dieselstraße 24): Bass ‘n violin - Bach in Los Angeles. Tien-Hsin Cindy Wu, Violine. Jacques Bono, E-Bass.