In der Weite des Raums: Galerieleiter Andreas Baur steht in den ehemaligen Esslinger Eisenbahnhallen vor dem noch unfertigen Aufbau einer Soundinstallation von Fatma Bucak. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Um Gemeinschaft geht es im Esslinger Ausstellungsgroßprojekt „Good Space – Communities, oder das Versprechen von Glück“, das am Sonntag, 2. Juni, in der Villa Merkel und in den ehemaligen Eisenbahnhallen in der Rennstraße beginnt. 16 Künstlerinnen und Künstler stellen die Frage nach sozialen Utopien, aber auch nach Aus- und Abgrenzung.

EsslingenDas Handy klingelt. Andreas Baur ist gestresst. Esslingens städtischer Galerieleiter macht den Elektrotechniker. Am drahtlosen Telefon geht’s um einen Draht, ein zu dünnes Elektrokabel, das die geforderte Leistung für eine Kunst-Installation nicht bringt. So hört man das Großprojekt herantrapsen, das am kommenden Sonntag, 2. Juni, in der Villa Merkel eröffnet wird – aber nicht nur dort und im Merkelpark stattfindet, sondern auch in den ehemaligen Eisenbahnhallen auf dem EnBW-Gelände bei der Esslinger Rennstraße. „Good Space – Communities, oder das Versprechen von Glück“ lautet der keineswegs unsperrige Titel. Es handelt sich um die jüngste Folge des alle drei Jahre stattfindenden, medienübergreifenden Kunstprojekts, das 2013 die Nachfolge der Foto-Triennale antrat.

Vielfalt statt Zersplitterung

Urbane Perspektiven mit den diversen Mitteln der Gegenwartskunst auszuloten und durchzuspielen, die Künstlernase in städtische Brachen und Bruchstellen, in Schlupfwinkel und Problemzonen zu stecken – das war von Anfang an Ziel der Esslinger Crossing-Media-Triennale. Diesmal steht das emotional besetzte, politisch brisante, da ideologisch von rechts wie links aufgeladene Thema Gemeinschaft im Fokus. 16 Künstler (darunter zwei Künstlerduos) stellen sich mit ihren Arbeiten der Frage, was vom Wir zum Wir-Gefühl und von dort durch Kontakt und Austausch zur Utopie einer vielfältigen, aber gerade nicht zersplitterten Gesellschaft führt. Umgekehrt soll freilich auch das Bedürfnis von Lebens- oder Werte- oder Erwerbsgemeinschaften nach Abgrenzung nicht unterschlagen werden, denn die Kehrseite des Verbindenden ist nun mal das Ausschließende. In letzter Instanz aber, so Baur, plädiert die Ausstellung – er selbst spricht von „Ausstellungsessay“ – für ein interessiertes und neugieriges Ausbalancieren von eigenen Bedürfnissen und Unterschieden, kurz: für zwanglose Gemeinschaft.

Ein bisschen Gemeinschaft gestiftet hat im Merkelpark bereits „Kofi“, eine schon vor etlichen Tagen aufgestellte wolpertingerhafte Bronzeskulptur der Berliner Künstlerin und Tierwohl-Aktivistin Lin May Saeed. „Vielleicht haben wir bald einen neuen, sehr jungen Fanclub“, schmunzelt Baur. Die Mädchen und Jungen vom Kindergarten Färbertörlesweg haben das aus drei Urwesen gefügte Fabeltier jedenfalls schon ins Herz geschlossen. „Kofi“ wird der Stadt übrigens erhalten bleiben und dauerhaft den Merkel-Skulpturenpark bereichern. „Wir haben den Guss bezahlt, dafür geht die Arbeit in unseren Besitz über“, sagt Baur – eine „Win-Win-Situation“ für Künstlerin und Kunstveranstalter.

Zwei andere geplante Projekte gab der Etat – bescheidene 450 000 Euro, davon 160 000 Euro Drittmittel von der Landesstiftung und Sponsoren – allerdings nicht her. Wobei Baur durchblicken lässt, dass in einem Fall auch die Kommunikation mit der Künstlerin kaum Klarheit in den Nebel ihrer Vorstellungen brachte. Beide Projekte wurden gestrichen.

Mit dem Gastspiel in den Hallen der ehemaligen Königlich Württembergischen Eisenbahnwerkstätten – 2016 von einem Investor gekauft, der an einem wirtschaftlichen und kulturellen Nutzungskonzept tüftelt – stößt die Schau, ganz im urbanen Sinne, in einen verborgenen Raum der Stadt vor. Und begibt sich zugleich auf eine „Zeitreise“ (Baur) ins vom Maschinenbau geprägte Esslingen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts. In den Eisenbahnhallen werden auf 6500 von insgesamt 16 000 Quadratmetern Arbeiten gezeigt, die sich optisch und auch akustisch in der Weite des Raums selbst definieren, etwa eine Soundinstallation von Fatma Bucak mit einer zufallsgesteuerten Gemeinschaft subtiler Klänge oder Mikhail Karikis Großbildschirm-Installation über Jugendliche in postindustriellen Gesellschaften. Die Villa ist für Exponate reserviert, „die räumliche Abgrenzung brauchen“, so Baur: zum Beispiel die filigranen Pflanzen-Zeichnungen Gabriela Oberkoflers oder das Video „Double Bodies“ von Frédéric Moser und Philippe Schwinger, das aus Verlusterfahrung und Verlustangst zweier isolierter Menschen die Frage nach Gemeinschaft ableitet. Ein Sehnsuchtsmotiv also birgt – titelgemäß – das „Versprechen von Glück“.

„Good Space – Communities, oder das Versprechen von Glück“ wird an diesem Sonntag, 2. Juni, um 11 Uhr in der Esslinger Villa Merkel eröffnet und dauert bis 1. September.