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Breakdance und Tutus, Tschaikowskys Märchenklang und wummernde Beats vereint „Nutcracker Reloaded“ in einer heftigen Auslegung des alten Ballettklassikers.

StuttgartDirekt auf den ehrwürdigen Peter Tschaikowsky folgt im Programmheft der Name Danny Saucedo. Wer? Der musikalische Beitrag des hierzulande nicht wirklich bekannten schwedischen Popbarden trägt den schönen Titel „Don’t go cracking my nuts“, und schon sind wir mitten im hippen Comedy-„Nussknacker“ von Choreograf Fredrik Rydman, der bis zum Wochenende im Stuttgarter Theaterhaus gastiert.

Breakdance und Tutus, Tschaikowskys Märchenklang und wummernde Beats vereint der Schwede in einer eigentlich ziemlich heftigen Auslegung des alten Ballettklassikers. Denn aus dem wohlhabenden Elternhaus des Originals versetzt er das Mädchen Clara auf eine Mülldeponie, wo sie beim Klebstoffschnüffeln rettende Spielzeughelden wie Super-Mario oder Darth Vader herbeiträumt. Ihr mysteriöser Patenonkel Drosselmeyer wird hier zum vampirartigen Organhändler, der für eine reiche Kranke Claras Blut besorgen soll.

Auch hier kämpfen Ratten gegen Spielsachen, auch hier verwandelt sich der Holznussknacker in einen echten Menschen, der allerdings bekommt Beine von der Mülldeponie aus Bettpfosten und Plastikflaschen. Man kann Fredrik Rydman keinesfalls vorwerfen, dass er die Vorlage nicht kennt, im Gegenteil: Er seziert sie unbarmherziger und setzt sie sozialkritischer wieder zusammen als die meisten modernen Fassungen – so regnet es zum Schneeflockenwalzer weiße Schnüffeltüten für die Obdachlosen.

Rydman allerdings ironisiert dann so ziemlich alles, was er zuerst intelligent aufeinanderprallen ließ – Ballett, modernen Ausdruckstanz, Club-Szene und Musical, am Ende sogar den HipHop, den er genau dann mit wirklich toller Wirkung einsetzt, wenn seine Tänzer zur alten Tschaikowsky-Partitur breakdancen. Das tun sie viel zu selten, oft bleibt es eher Bewegungstheater, manchmal gar Gehampel, bei dem immerhin die raffinierten Projektionen und Elemente aus dem schwarzen Theater für eine aufregende Optik sorgen.

Insgesamt ist „The Nutcracker Reloaded“ eher ein Multimedia-Spektakel als Tanz, die Ballettparodie am Schluss fällt mit schlecht sitzenden Strumpfhosen gar auf Karnevals-Niveau zurück. Die süße Clara kriegt ihr Blut zurück und den netten Sohn der reichen Lady noch dazu.

Und dann wäre da noch Jörgen, der allzu wortreiche Moderator, angeblich abgesandt vom schwedischen Kulturministerium, der mit seinem reizenden Akzent und einem sich windenden Bemühen um Kunstvermittlung nicht nur die guten Beziehungen zwischen uns und Ikea-Land auf den Prüfstand stellt, sondern selbst die Tänzer nervt – und das ist, was für ein Brüller, gewollt. Wohl kann man hier auch als hart gesottener Ballettfan über manches lachen, aber am Ende bleibt denn doch das aufrichtige Bedauern, dass es auf Fredrik Rydmans Ironisierungsachterbahn viele gute Einfälle aus der Kurve gehauen hat.

Täglich bis Sonntag im Theaterhaus Stuttgart.

www.theaterhaus.com

www.nutcracker-reloaded.de