Mike & Aydin Foto: oh Quelle: Unbekannt

Von Petra Bail

Stuttgart - Die einen sind drin und wollen unbedingt raus. Die anderen sind draußen und wollen rein. Die Rede ist von Engländern, Türken und der EU. Ein „Nord-Süd-Gefälle“, aus dem das Kabarett-Duo Mike & Aydin ihr gleichnamiges Programm gestrickt hat, das angesichts der dramatischen Weltlage etwas arglos, aber durchaus unterhaltsam daherkommt. Mike McAlpine stammt aus Großbritannien, Aydin Isik hat türkische Wurzeln. Was sie verbindet, sind die Differenzen der Kulturen, die sie nach der großen Kunst der klischeehaften Brechung mehr oder minder lustig durch den Kakao ziehen.

Egal ob Türke, Engländer, Deutscher, Russe, Spanier, Italiener oder Grieche - letztlich ist es eine Frage der Mentalität wie man überlebt - wirtschaftlich und privat; am besten aber in der Gemeinschaft und die heißt hier EU. Griechenland ist ein wunderbares Urlaubsziel, geschichtsträchtig, aber mit einer Staatsverschuldung von weit über 160 Prozent so hoch verschuldet, wie kein weiteres der insgesamt 28-EU-Länder. Nicht mal Spanien. Das Land mit angeblich 30 Prozent Arbeitslosen hat mehr zu bieten als „Geisterstädte für deutsche Rentner“. Es ist für die Kabarettisten Ausgangspunkt einer etwas überdreht dargebrachten Europareise auf die Mike und Aydin ihr Publikum im Rahmen der 13. Deutsch-Türkischen Kabarettwoche im Renitenztheater einlädt.

Es geht nicht um Sehenswürdigkeiten wie Big Ben und den Buckingham Palast, Hagia Sophia und Blaue Moschee oder der Deutschen liebstes Badeparadies, Alanya. Die Frage ist, weshalb wollen die Briten die Scheidung? Was haben Engländer gegen die EU? Und wie sieht der Deutsche im Türken den EU-Betritt des Staates? Der Zwiespalt Aydins ist gut gemacht. Immer wenn es dem Deutschen mit türkischen Genen unangenehm wird, wechselt er die Kultur. Beim Thema Beitritt bezieht er als Deutscher ironisch Stellung. Zum Referendum, in dem bis 16. April über das Verfassungsreferendum von Präsident Erdogan abgestimmt wird, kein Ton. Dabei fühlt sich der Türke, eigentlich „nur“ Südländer, doch mehr als Europäer als der distinguierte Engländer, der hochnäsig im festlichen Cut klarstellt, wer die zivilisierte Gesellschaft vertritt und wer in Europa nicht dazugehört.

Nicht nur der Abgesang auf die „lieben, arbeitslosen, spanischen Freunde“ unterstreicht den unterhaltsamen Charakter dieses Parforceritts durch den Schmelztiegel der Kulturen. Auch der imaginäre Besuche des Briten in Istanbul wird von Live-Musik begleitet. Dass die getrommelte deutsche Nationalhymne nicht nur äußerst orientalisch klingt, sich dabei ausgezeichnet als Begleitmusik für Bauchtanz eignet, liegt in der Ironie der Instrumentenwahl.

Ein kurzer Schlenker zu Trump, der natürlich nichts in Europa verloren hat, aber allen erspart geblieben wäre, wenn Kolumbus nach Indien gesegelt wäre, statt Amerika zu entdecken. Italien, das Land der Möchtegern-Frauenhelden, das Berlusconi wählte, darf in der Aufzählung der maroden Mitgliedsstaaten nicht fehlen. Und dann sind da die klassischen Erkennungsmerkmale. Eine Nation erkennt man an ihrem Fußballspiel und deren Kommentatoren. Ob ein Mann ein Mann ist, sieht man am Daten mit den Mädels: „große Kunst, die jeder bestehen sollte“, egal ob er sich mit einer „nägelkauenden Duisburg-Tussi trifft oder auf „Claudi“.

Kriminelle Russen, Franzosen, die mit ihrer erotischen Sprache jedes Frauenherz erobern - kein Klischee bleibt ungesagt und das wirkt, bei allem Spaß am Ende doch etwas abgenudelt. Mehr Stellungnahme zum aktuellen Geschehen hätte man sich durchaus bei den guten gesellschaftspolitischen Ansätzen von Mike & Aydin gewünscht. Kabarett darf ruhig weh tun, wenn’s nachhaltig sein soll.

Die Deutsch-Türkische Kabarettwoche im Stuttgarter Renitenztheater dauert noch bis kommenden Sonntag. Karten unter Tel. 0711/297 075.