Der Weg über den Berg ist vorgezeichnet, aber im Schneesturm werden ihn die Geschwister verfehlen: Alessandra Bosch und Timo Beyerling in Foto: Jan Müller - Jan Müller

Zwei Kinder werden in einem Bergdorf als Fremde ausgegrenzt. Auf dem Rückweg von ihrer Mutter, die in der Stadt lebt, verirren sich die Geschwister im Hochgebirge und geraten in Lebensgefahr: eine abenteuerliche Geschichte nach Adalbert Stifters Novelle, die Regisseur Jan Müller für Zuschauer ab sieben Jahren inszeniert.

EsslingenAdalbert Stifters „Bergkristall“ ist bewehrt mit dem Goldrand klassischer Erzählkunst, der vom Lesen bekanntlich eher abhält. Was schade ist, denn die Novelle schildert vor allem eine „spannende Abenteuergeschiche“, sagt der Regisseur Jan Müller. Recht hat er. In der Bühnenfasung von Christian Schönfelder, die Müller an der Esslinger Jungen WLB für Zuschauer ab sieben Jahren inszeniert, liest sich die Story so: Ein Dorf, eine Stadt, dazwischen ein hoher Berg und ein alpiner Fußweg von drei Stunden. Städter und Dörfler sind sich nicht sonderlich grün, man schaut auf einander herauf und herunter. Das betrifft auch die Kinder Konrad und Sanna, Bruder und jüngere Schwester, die bei ihrem Vater im Dorf leben, dort aber als Fremde gelten, weil die Mutter aus der Stadt kommt und inzwischen dorthin zurückgezogen ist.

Einmal pro Woche machen sich die Kinder ganz allein auf den weiten Weg. Sogar mitten im Winter, an einem trügerisch milden Heiligabend. Bei der Rückkehr geraten die Geschwister in einen Schneesturm, kommen vom Weg ab, verirren sich in immer extremerem Gelände: Hänsel und Gretel im Hochgebirge – nur erwartet sie keine Knusperhexe, sondern eine eisige Höhle. Die gemeinsame Suchaktion rettet nicht nur den Kinder das Leben, sondern versöhnt auch Städter und Dörfler. Wie aber bringt man auf die kleine Podium-Bühne im Esslinger Schauspielhaus, was nach Luis-Trenker-Verfilmung schreit? Nun, mit den Schauspielern Alessandra Bosch und Timo Beyerling, Sie spielen nebst sämtlichen Figuren auch Erzählpassagen – „aber wir machen kein reines Erzähltheater, sondern versuchen, alles so direkt und spielerisch wie möglich darzustellen“, sagt Regisseur Müller, der auch Bühnenbild und Kostüme entwarf – und Puppen. Sie stehen zunächst, als Kontrast zu den erwachsenen Figuren, für die beiden Kinder. Später, wenn sich das Geschehen auf die Geschwister fokussiert, werden diese von den Schauspielern verkörpert.

„Die Geschichte entsteht im Kopf der Zuschauer“, sagt Müller. In den Spielszenen soll dann aber eine „multifunktionale, beschriftbare Wand mit verschiedenen Klappen – fast ein kleines Weihnachtsmärchenbühnenbild – Anschaulichkeit schaffen“. In Schattenspielen werde die Natur lebendig, „die Bühne zum Berg“. Große Klammer der Inszenierung ist die Erfahrung bedrohlicher Fremdheit – in der Natur wie im Sozialen. Und die Frage, so Müller, „wie Kinder damit umgehen“.

Die Premiere beginnt an diesem Samstag, 6. April, um 16 Uhr im Podium 2 des Esslinger Schauspielhauses. Die nächsten Vorstellungen folgen am 28. April, 4., 11. und 25. Mai.