Foto: Patrick Pfeiffer - Patrick Pfeiffer

In schmuddeligen Strip-Lokalen begann der wundersame Aufstieg der größten Pop-Band aller Zeiten: „Backbeat – Die Beatles in Hamburg“ schildert den Weg der ehemaligen Schülerband von der schieren Ausbeutung zum weltweiten Ruhm. Marcel Keller inszeniert die Bühnenfassung nach dem gleichnamigen Film an der Esslinger Landesbühne.

EsslingenDie Unterkünfte mies, die Clubs lausig, das Publikum eher betrunken als begeistert. Und die Gage ein besseres Trinkgeld. Wird man so zur größten Pop-Band aller Zeiten, durch Ausbeutung? In 99 von 100 Fällen wahrscheinlich nicht, aber in dem einen kam am Ende der Anfang der weltumspannenden Beatlemania heraus. Das Wunder folgte auf jene gar nicht wunderbaren Umstände in Hamburger Schmuddelkneipen, wo ab August 1960 eine ehemalige Schülerband aus Liverpool namens The Beatles auftrat. Bands aus England wurden gern engagiert im Rotlichtmilieu von St. Pauli, da sie billig zu haben waren und für einen einigermaßen aktuellen Musikstil standen. Über ihren lokalen Manager wurde denn auch die Combo um den Kunststudenten John Lennon an den Hamburger Nachtclub-Betreiber Bruno Koschmieder vermittelt. Die nachmaligen Fab Four waren damals noch zu fünft und noch keine Pilzköpfe. Zum legendären Frisuren-Quartett wurden sie erst in Hamburg.

Wie das kam, schildert der Film „Backbeat – Die Beatles in Hamburg“ (1994) von Iain Softley. Der Regisseur und Co-Autor des Drehbuchs hat zusammen mit Stephen Jeffreys den Stoff später zu einer Bühnenfassung umgearbeitet, die in Marcel Kellers Regie und Ausstattung an diesem Donnerstag an der Esslinger Landesbühne Premiere hat. Die Story basiert auf minuziös recherchierten Fakten, behandelt sie aber mit einiger künstlerischer Freiheit – beziehungsweise dramatisch wirksamen „Verdichtungen“, wie die Dramaturgin Stephanie Serles sagt. Der eine Handlungsstrang gilt der Band-Historie, dem allmählichen Aufstieg in der Club-Hierarchie vom Striptease-Schuppen „Indra“ bis zum angesehenen „Star-Club“. Als zweite Ebene kommt eine „doppelte Beziehungsgeschichte“, so Regisseur Keller, ins Spiel: Die Freundschaft Lennons zu seinem Kunstakademie-Kommilitonen Stuart Sutcliff, dem „fünften Beatle“, bringt die Emotionen in Wallung, denn Lennon zieht seinen unzuverlässigen Kumpel dem anderen Band-Mastermind Paul McCartney vor. Obendrein verliebt sich Sutcliff in die Fotografin Astrid Kirchherr, die im Stück der Truppe die Pilzköpfe verpasst – eine unter Beatleologen umstrittene These. Schließlich fliegt Sutcliffe, den es mehr zur Kunst hinzieht, aus der Band. Kurz danach stirbt er 21-jährig an einer Hirnblutung.

Das Spiel auf dem E-Bass hat sich Sutcliffe übrigens erst für die Hamburger Auftritte angeeignet. Insofern darf man von der Esslinger Inszenierung so etwas wie originale Aufführungspraxis erwarten, denn die Live-Band sind die Schauspieler selbst – und manche von ihnen haben in über einjähriger Vorbereitung die Instrumente von Null an gelernt, unterwiesen vom musikalischen Leiter Wolfgang Fuhr. Ungefähr 50 zu 50 sind Text und Musik verteilt, darunter frühe Lennon-/McCartney-Songs wie „Love Me Do“. Die Textpassagen wiederum sind keine dialogisierten Moderationen, sondern haben „ihr eigenes Gewicht“, sagt Keller. Für die rasanten Szenenwechsel hat er eine Showbühne mit beweglichen Elementen geschaffen, die Backstage-Situationen ebenso suggerieren wie die Auftrittsorte. Und was das Aussehen der Darsteller anbelangt, „haben wir natürlich zu ein paar Tricks gegriffen – aber im Laufe der Proben hat sich die Ähnlichkeit mit den Vorbildern von selbst ergeben“, frotzelt der Regisseur.

Die Premiere beginnt an diesem Donnerstag, 6. Juni, um 19.30 Uhr im Esslinger Schauspielhaus. Die nächsten Vorstellungen folgen am 8. Juni und am 20. Juli sowie in der neuen Spielzeit 2019/20.