Serebrennikow in einem Moskauer Gericht vor seiner Anhörung. Foto: dpa Quelle: Unbekannt

Von Ulf Mauder

Stuttgart - Die Staatsoper Stuttgart hofft gut zwei Wochen vor dem geplanten Probenstart für „Hänsel und Gretel“ noch auf eine Freilassung des regierungskritischen Regisseurs Kirill Serebrennikow. Chefdramaturg Sergio Morabito sagte, dass er gerade in Moskau mit Mitarbeitern des in Hausarrest sitzenden Serebrennikow plane, wie die Inszenierung auch ohne den Regisseur am 22. Oktober Premiere feiern könne. Das einmalige Projekt sei inzwischen weit gediehen. „Alle sind kampfeswillig“, sagte Morabito vor dem geplanten Probenstart Mitte September.

Am heutigen Montag solle ein Gericht in Moskau über einen Antrag Serebrennikows auf Freilassung entscheiden, sagte Morabito unter Berufung auf Mitarbeiter des 47-Jährigen weiter. Dem wegen Betrugsvorwürfen festgesetzten Künstler ist der Kontakt zur Außenwelt untersagt.

Die russische Justiz hatte den festgenommenen Starregisseur wegen der Betrugsvorwürfe unter Hausarrest gestellt. In dem in Russland wie im Ausland kritisierten Verfahren gegen den renommierten Theatermacher hatte eine Haftrichterin am 23. August einen Freiheitsentzug verhängt. Dieser sollte zunächst bis zum 19. Oktober gelten.

„Es ist unfassbar, was hier passiert“, sagte Morabito. Die Lage für Künstler in Russland sei beklemmend. Viele hielten das Vorgehen der russischen Justiz gegen den auch im Westen geschätzten Serebrennikow für politisch motiviert. Das Staatliche Ermittlungskomitee wirft ihm vor, 68 Millionen Rubel (knapp eine Million Euro) staatlicher Gelder unterschlagen zu haben. Serebrennikow bestreitet die Vorwürfe.

Nach Darstellung von Morabito sollen nun Mitarbeiter von Serebrennikow die Oper inszenieren. Dies sei möglich, weil der Regisseur wesentliche Teile des Inszenierungskonzeptes, das Bühnenbild und die Kostüme bereits fertiggestellt habe. Nach seiner Freilassung habe der Regisseur dann freie Hand, das Stück neu zu inszenieren, so der Chefdramaturg der Stuttgarter Staatsoper.

Im Zentrum der Aufführung steht ein bereits von Serebrennikow abgedrehter Film über Kinder in Ruanda, die auch nach Stuttgart kommen sollen. Der Regisseur hatte die Aufnahmen bereits im Frühjahr gemacht und noch vor der Sommerpause geschnitten. Die musikalischen Proben mit den Sängern des Stuttgarter Ensembles und des Kinderchores haben bereits Ende der vergangenen Spielzeit begonnen.

Russische und internationale Stars sowie die Bundesregierung hatten die Freilassung des Regisseurs gefordert. Viele russische Kulturschaffende erklärten sich bereit, für Serebrennikow zu bürgen. Die Witwe des Literaturnobelpreisträgers Alexander Solschenizyn, Natalja Solschenizyna, die Schriftstellerin Ljudmila Ulitzkaja, die Regisseure Fjodor Bondartschuk und Jewgeni Mironow und andere haben ein entsprechendes Schreiben unterzeichnet.