Wann kehrt wieder Leben ein? Einblick in die Schwabenbräu-Passage Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Das Gebäude hat eine große Geschichte. Als die Cannstatter Bahnhofstraße noch eine Flaniermeile war, waren in der Schwabenbräu-Passage ein Kino und ein Hotel. In dem Hans Moser und Heinz Rühmann übernachteten – und Pelé. Doch welche Zukunft hat es?

Hochglanz verbreitet es nicht gerade, das Stück Straße zwischen Bahnhof und Wilhelmsplatz in Bad Cannstatt. Es ist der Gegenentwurf zum Dorotheen-Quartier. Ein Quäntchen in Stuttgart sonst ungekannter rauer Urbanität: Dort finden sich noch Menschen und Läden, die anderswo keinen Platz haben. Nun will die Stadt das Quartier aufwerten, wie man das so schön nennt. Nicht nur, aber auch wegen der Fußball-Europameisterschaften 2024. Dabei spielt die Schwabenbräu-Passage eine zentrale Rolle. Sie gehört der Stadt seit 2020. Und soll mit Leben gefüllt werden.

Die Geschichte

Einstmals war das Viertel ein Renommierviertel. Das Viktoria-Theater war hier, im Bayerischen Hof bat man zum Tanztee, der VfB-Kicker Kalli Barufka betrieb eine Bar, es gab mehrere Restaurants. Noch Anfang der 50er Jahre, erinnert sich Alexander Laub, einstiger Pächter der Bahnhofsgastronomie, warteten am Bahnhof die Pagen mit weißen Handschuhen auf die Hotelgäste. Damals wurde von der Brauerei auch das Hotel Schwabenbräu neu gebaut und dazu gleich ein Kino – die Schwaben-Lichtspiele. Pächter war Rock-’n’-Roller Peter Kraus. Unter den Gästen waren die Filmstars der Wirtschaftswunderzeit wie Luis Trenker, Hans Moser, Heinz Rühmann, Harald Juhnke oder Marianne Koch. Auch Pelé übernachtete 1963 hier, als sein FC Santos beim VfB spielte. Als Hotelpächter Emil Bruder 1970 die Leitung des Hauses seinen Söhnen übertrug, mussten diese sich verpflichten, keinen Most auszuschenken. Sonst drohte die sofortige Kündigung durch die Brauerei.

Die Probleme

Nach dem Umbau entstand gegen 1990 die Passage, doch die Mieter gaben sich die Klinke in die Hand. Für die Passage gilt wie für das gesamte Bahnhofsquartier, was ein Gutachterbüro festgestellt hat: „Auffällig ist der hohe Anteil an Spielhallen, Wettbüros, Imbissbetrieben und Internetcafés.“ Seit Jahren schon versucht die Stadt gegenzusteuern, für die EM 2024 wird für knapp sechs Millionen Euro der Platz vor dem Bahnhof umgebaut, der Verkehr wird anders geleitet, die Imbissbude wird in ein Gebäude verlegt, das auch Fahrradgaragen beherbergt. Bäume werden gepflanzt, ein Trinkbrunnen entsteht. Mit Mineralwasser, bisher wird an diesem Platz der Genuss hochprozentiger Getränke bevorzugt.

Die Gegenwart

Die Passage an der Bahnhofstraße 14–18 atmet wieder ein bisschen Leben. Später mehr dazu. Im Erdgeschoss ist noch die Gaststätte Pfiff, allen anderen Mietern hat die Stadt nach dem Erwerb gekündigt. Von 2026 an will die Stadt das ganze Quartier umbauen. Dann bekommt man Zugriff auf das Parkhaus an der Eisenbahnstraße und das Gebäude am Eck, in dem McDonald’s war. Bis dahin soll die Passage belebt werden. Die Wirtschaftsförderung sucht unter dem Motto „Ein Ort für Neues“ Zwischenmieter. Und ist fündig geworden.

Die Zukunft

Bis Ende 2025 soll die Passage „ein Haus für Soziales, Kultur, Handwerk und mehr werden“. So wünscht sich das die Wirtschaftsförderung. Im Erdgeschoss rechter Hand ist die Neue Arbeit eingezogen, dort kann man sein Rad reparieren lassen. Das Deutsche Rote Kreuz hat am 20. Januar seine Kleiderkammer eröffnet. Ins zweite Obergeschoss soll die Volkshochschule einziehen. Und im ersten Obergeschoss hat sich der Verein Prisma eingemietet.

Wer ist Prisma?

Bei Prisma haben sich mehrere Menschen zusammengetan, die dem alten, tristen Klotz neues Leben einhauchen wollen. Heide Fischer und zwei Kolleginnen aus den Werkstätten der Staatstheater basteln an einem Club, der Sunny High heißen soll. Dafür nutzen sie die Hinterlassenschaften älterer Gastronutzung. Und haben sich eine Theke aus dem Hotel am Schlossgarten gesichert und daraus eine Bar gebaut. Was sie vorhaben, lässt sich vielleicht unter achtsames Nachtleben zusammenfassen. Ein Club, in dem man sich ausprobieren kann, in dem frau nicht belästigt wird, in dem so viele DJanes wie DJs auflegen.

Wer ist noch dabei?

Eine Ateliergemeinschaft ist bereits in die ehemaligen Büros der Polizisten vom Landeskriminalamt eingezogen. Die gerade auch Räume für bildende und darstellende Künstler bieten sollen, sagt Valentin Leuschel. Er war mit seinen Kollegen bisher in der Containercity an den Wagenhallen. Dort müssen sie weg, wegen des Baus der Interimsoper. Thorsten Neumann ist erfahren, was das Nutzen von Räumen auf Zeit betrifft. Die Palermo Galerie fand sich lange Zeit an der Olgastraße, nun wird sie mit ähnlichem Konzept nach Bad Cannstatt transferiert. Mit Ausstellungen, Vorstellungen, Diskussionen. Dabei wird man thematisieren, wie Zusammenleben in einer Stadt aussehen kann. Und vielleicht auch, wie der Zuzug von Künstlern ein Viertel verändert.

Dass sie Teil eines Prozesses der Aufwertung sind, dass ihr Auftauchen Grund und Boden teurer machen können und in der Folge bisherige Läden und die Menschen dort vertreiben kann, ist ihnen durchaus bewusst, sagt Leuschel. Deshalb ist dort auch Commons Kitchen eingezogen, mit von Supermärkten aussortierten Lebensmitteln wird gemeinsam gekocht und gegessen. Kostenlos. Und im Legal Café können sich Migranten Rat holen. Und was man beim Thema Diversität, also Vielfalt, so gerne vergisst: Im Gebäude ist seit Dezember die Beratungsstelle des Stadtseniorenrats.

Wann geht es los?

Momentan wartet Prisma auf die Umnutzungsgenehmigung und damit auf die Baufreigabe. Deren Architekten Studio Cross Scale hatten den Bauantrag im Juli 2022 eingereicht. Man hofft, Ende Januar endlich mit einem regelmäßigen Betrieb loslegen zu können. Die Stadt zahlt 200 000 Euro Renovierungs- und Mietzuschuss für die Zwischennutzung. Alle Mietverträge haben eine Laufzeit bis maximal 31. Dezember 2025.