Steffen Hammel, Sachgebietsleiter beim Forstamt, weiß, wie sehr Hitze und Trockenheit den Bäumen zusetzt. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Zu warm und zu trocken ist das Wetter für den Wald. Selbst wärmeliebende Bäume im Stuttgarter Stadtwald leiden. Förster sprechen von Schäden in „bislang nicht gekanntem Maß“.

Stuttgart - Ein paar Meter neben der Frauenkopfstraße liegt eine frisch gefällte Rotbuche im Wald. Am Stumpf scheint der Stamm kräftig, das Holz gesund, die Borke ist intakt. Folgt man dem am Boden liegenden Stamm entlang bis zur Krone, wird das Holz immer brüchiger, die Rinde löst sich mehr und mehr, darunter werden die typischen Borkenkäfergänge sichtbar. „Der Baum ist von der Krone her ausgetrocknet“, sagt Wolfgang Heckel, der Leiter im Stuttgarter Forstrevier Ost. Die Sonne hat die rund 80 Jahre alte Buche langsam von oben nach unten ausgedörrt. „Der Borkenkäfer kam erst hinterher, daran ist der Baum nicht zugrunde gegangen“, sagt Heckel, der in diesem Jahr seit 40 Jahren im Amt ist.

Die jüngsten Ergebnisse der aktuellen Waldzustandserhebung des Bundeslandwirtschaftsministeriums für ganz Deutschland spiegeln sich auch in Stuttgart wider. Die Landeshauptstadt, ohnehin in einer vergleichsweise warmen und niederschlagsarmen Region gelegen, macht da keine Ausnahme. Im Gegenteil. Für die Buche stellt der Bundesbericht einen steigenden Anteil an Baumindividuen fest, deren Kronen deutlich verlichtet sind. Der Anteil derartig geschädigter Buchen ist deutschlandweit von 47 Prozent auf 55 Prozent gestiegen. Heckel zeigt im Frauenkopfwald in die Krone eines Buchenbaums: „An den Ästen sieht man das fehlende Feinreisig.“ Jetzt im späten Winter stehen die unbelaubten Äste in 20 bis 25 Meter Höhe wie knochige Finger vom Baumstamm ab. Im Frühjahr und Sommer wird dort kaum noch Blattwerk wachsen.

Bäume taugen höchstens noch für Brennholz

„Hitze, Trockenheit und Schadinsekten haben den Stuttgarter Wäldern in den letzten Jahren in bislang nicht gekanntem Maße zugesetzt“, sagt Steffen Hammel, der Sachgebietsleiter im städtischen Forstamt, der Förster Heckel bei der Waldbegehung begleitet. Auf Kuppenlagen und an Südhängen, wie hier am Frauenkopf, leiden demnach die Waldbäume besonders unter der Trockenheit. Weil die ausgetrockneten Äste brüchig werden, müssen in Stuttgart immer mehr Bäume zur Sicherheit von Fußgängern und Autoverkehr gefällt werden. „Eine solche Buche zu fällen ist aber wiederum für die Waldarbeiter sehr gefährlich“, erklärt Hammel. Der Grund: Bereits beim Ansägen und Einschlagen des Keils in den Stamm können große trockene Äste herabfallen und die Arbeiter verletzen.

Verkaufen lässt sich die trockengeschädigte Rotbuche nur noch als Brennholz, sagt Heckel: „Dafür bekommt man noch zwischen 10 und 20 Euro je Kubikmeter.“ Überhaupt finden nach Auskunft des Forstamts im Stadtwald seit dem Jahr 2020 Fällungen nur noch aufgrund der Verkehrssicherungspflicht statt. Rund 215 Kilometer lang ist in der Landeshauptstadt die Waldrandlinie entlang von Straßen, Bahnlinien, Bebauung oder Kleingartenanlagen. Allein in der aktuellen Fällperiode bis etwa Anfang März wurden rund 70 Kilometer Waldsaum bearbeitet. Das heißt aber auch: Allein um Geld zu verdienen, werden im Stuttgarter Wald keine Bäume mehr gefällt. „Wir sind mit den Verkehrssicherungsarbeiten voll ausgelastet“, erklärt Hammel. Die Stadt besitzt rund 2700 Hektar Wald, das sind 54 Prozent der gesamten Waldfläche auf Stuttgarter Markung.

Förster stehen vor einem Dilemma

Wenige Schritte weiter hat es auch eine Eiche erwischt. Die Eiche gilt eigentlich als wärmeliebender als die Rotbuche und damit als eine der Baumarten, auf die die Forstwirtschaft angesichts der Klimaerwärmung ihre Hoffnungen setzt. Und tatsächlich konstatiert der Bundeswaldschadensbericht, der Ende Februar veröffentlicht wurde, für die Eiche erste Anzeichen der Regeneration, freilich auf einem insgesamt weiterhin „hohen Schadniveau“. Der Eichenbaum, der nahe der U-Bahn-Haltstelle „Stelle“ gefällt werden musste, hat von dieser Entwicklung freilich nichts: „Der Baum hatte zuerst trockene Äste und ist dann ganz abgestorben“, sagt Heckel. Solche Eichen, so erklärt Hammel, werden vor der Brutzeit gefällt und zuvor artenschutzrechtlich untersucht.

Die Forstleute stehen vor einem Dilemma: Um die Naturverjüngung der Eiche, die trotz allem als Zukunftsbaum gilt, zu unterstützen, braucht die lichtliebende Art zum Wachsen eigentlich ein durchlässiges Kronendach. „Ist der Wald aber von oben geschlossen, verdunstet auch weniger Wasser“, erklärt der erfahrene Forstrevierleiter. Der Boden bliebe länger feucht. Welche Baumarten bei steigenden Temperaturen am Ende tatsächliche die richtigen sein werden, sei aber ohnehin noch nicht ganz klar.

Schneereiche Februar brachte etwas Entlastung

Weit oben auf der Liste der Baumarten, die der Klimaerwärmung standhalten könnten, steht hierzulande die Schwarzkiefer, eigentlich auf dem Balkan beheimatet. Der Baum erträgt Temperaturextreme von minus 30 bis plus 40 Grad. Doch etwas Wasser braucht auch er. Weshalb sich wenige Schritte von der toten Eiche auch eine trockengeschädigte Schwarzkiefer am Wegrand findet, die aus Sicherheitsgründen ebenfalls gefällt werden musste. „Man muss zwischen Wärme und Trockenheit unterscheiden“, erklärt Hammel. Soll heißen: Die Wärme des Mittelmeerraumes verträgt die Schwarzkiefer gut, die Trockenheit am Stuttgarter Frauenkopf hat ihr zugesetzt.

Fakt ist: Auch das vergangene Jahr war aus Sicht der Forstleute in Stuttgart wieder ein viel zu trockenes. Etwas Entlastung brachte der schneereiche Februar. „Zumindest oberflächlich hat der langsam tauende Schnee für Feuchtigkeit gesorgt“, sagt Heckel. Aber auch für einige der Weißtannen entlang des Verbindungssträßchens zwischen Frauenkopf und Sillenbuch kommt dieser Tropfen auf den heißen Stein zu spät. Wie Baumskelette stehen die fast astlosen Stämme der Nadelbäume, die eigentlich durch tiefes Wurzelwerk gut an Wasser herankommen müssten, im Wald. Anders als Eiche und Schwarzkiefer wird auch die Weißtanne nicht durchhalten, glauben die Waldexperten – auch wenn bisher noch niemand die Zahl der geschädigten Bäume im Stuttgarter Wald systematisch erhoben hat. Am Beispiel des für Stuttgart repräsentativen Waldgebiets am Frauenkopf ist zu erkennen: Der Wald ist schwer geschädigt.