Das Land Baden-Württemberg plant erhebliche Kürzungen an Baden-Württembergs Hochschulen. An einer Protestdemo an der Uni Hohenheim haben am Mittwoch gut 400 Studierende und Beschäftigte teilgenommen – ihre Ängste sind vielfältig.
Ein Traktorzug fährt durch Hohenheim, dahinter ein Pulk von Menschen – meist Studierende, aber auch Beschäftigte und Lehrkräfte der Universität Hohenheim. „Wir sind hier, wir sind laut – weil man uns die Bildung klaut!“, rufen einige von ihnen. Einer der Traktoren fährt einen Anhänger voller Mist herum, in dem zwei Mistgabeln stecken: „Ohne Finanzierung ist alles Mist!“ – ein weißes Transparent mit dieser Aufschrift flattert an der Front des Traktors.
Der Allgemeine Studierendenausschuss (AStA) hatte wegen der geplanten Kürzungen des Landes im Rahmen der dritten Hochschulfinanzierungsvereinbarung zur Demonstration aufgerufen.
Kürzungen von 150 Millionen Euro geplant
Bis zum Jahr 2030 wolle das Land dreistellige Millionenbeträge bei den Hochschulen sparen, heißt es im Demoaufruf. AStA-Vorstand und Biotechnologie-Student Alexander Hermann spricht von Kürzungen in Millionenhöhe, auch für die Uni Hohenheim. „Hochschulfinanzierung geht uns alle etwas an, vor allem trifft es die Studierenden wieder am meisten“, sagt die Wirtschaftspädagogikstudentin Bianca Aschauer, die ebenfalls AStA-Vorstand ist.
Die geplanten Kürzungen gefährdeten die Tutorien, in denen Studierende in kleineren Gruppen seminar- und vorlesungsbegleitend arbeiten. Auch die Finanzierung von Laborpraktika sei stark gefährdet. Schlechtere Betreuung, insbesondere von Seminar- und Bachelorarbeiten, Streichung von Stellen für wissenschaftliche Hilfskräfte und das Aus für Nachhaltigkeitsprojekte seien wahrscheinlich, wenn die Kürzungen umgesetzt werden, sagt Aschauer.
Sie befürchtet auch, dass Professuren nicht nachbesetzt werden und sich somit die Vielfalt der Lehre reduziere. Und wenn künftig jährlich über die Hochschulfinanzierung verhandelt werden solle, sei selbst mit den reduzierten Mitteln keine Planungssicherheit gewährleistet.
Sie habe Angst, dass Übungsstunden wegfallen, sagt eine Biologiestudentin im ersten Semester. Mikroskopieren, Zoologie oder Exkursionen – wenn nur noch Theorie gelehrt werde, werde es schwierig, die Inhalte wirklich zu verstehen, sagt die 22- Jährige.
Demosong mit Künstlicher Intelligenz
AStA-Vorstand Alexander Hermann schätzt, dass 300 bis 500 Menschen an der Demo teilnehmen. „Wir sind positiv überrascht“, sagt Bianca Aschauer. Vor fünf Jahren, als die Landesregierung den vorangegangenen Finanzierungsvertrag vorlegte, seien weniger Beteiligte dem damaligen Demoaufruf gefolgt. „Damals ging es auch um Kürzungen – aber nicht in dieser enormen Höhe“, sagt Aschauer.
„Zieht der Forschung nicht den Stecker! Stopp! Stopp! Eure Zahlenspiele gehen uns auf den Wecker!“, tönt es mit groovigem Rhythmus aus großen Boxen, die einige mitten im Demozug tragen. Der Song sei mithilfe Künstlicher Intelligenz hergestellt worden, sagt Aschauer. Die Zahlenspiele beziehen sich auf Vorwürfe des AStAs gegenüber der Landesregierung, die „mit geschickten Zahlentricks und komplizierten Regeln im Kleingedruckten“ versucht habe, die Kürzungen zu verschleiern.
„Stoppt den Gruselvertrag!“, singt die KI-Männerstimme aus der Box. Der Name „Gruselvertrag“ findet sich auch auf Schildern der Demoteilnehmer wieder. Zu Halloween haben die Studierenden einen Grusel-Friedhof aufgestellt, der nun auch am Schloss aufgebaut ist: mit Kreuzen aus groben Brettern, kunstblutüberströmten Laken-Gespenstern, Spinnweben aus Watte und einem großen Sarg mit den Aufschriften: „Wissenschaftskommunikation – nur noch ein Grabesflüstern“ oder „Tot gespart – hier ruht die Bildung“.
„Unis müssen Leuchttürme sein“
Die Demo endet mit einer Kundgebung und anschließender Infoveranstaltung des Rektorats. Karin Bühler vom Personalrat der Uni sagt, dass die Zuschüsse eher erhöht werden sollten – schließlich treffe die Inflation auch die Uni: „Unis müssen Leuchttürme sein, nicht Schlusslichter.“
Am Freitag, 15. November, haben die AStA-Vorsitzenden den nächsten Auftritt: Um 12 Uhr beginnt eine zentrale Demonstration in Stuttgart, zu der Studierende und Beschäftigte von allen Hochschulen des Landes anreisen. Der Demozug startet im Stadtgarten.