Bis ins hohe Alter besuchte Werner Breitschwerdt die Hauptversammlungen von Daimler, wie hier 2013 in Berlin. Foto: mago

Der frühere Konzernchef Werner Breitschwerdt ist 94-jährig gestorben. Bis ins hohe Alter blieb er dem Stuttgarter Unternehmen verbunden.

Stuttgart - Werner Breitschwerdt schaffte es bis an die Spitze des Daimler-Konzerns, doch konnte er sich nur wenige Jahre als Vorstandsvorsitzender halten. Der gebürtige Stuttgarter kam nach dem Studium der Elektrotechnik 1953 als Diplom-Ingenieur zu Daimler und stieg dort Stufe für Stufe auf. 1977 wurde er in den Vorstand berufen und in das Ressort Forschung und Entwicklung. Unter seiner Führung wurde unter anderem der Mercedes-Benz 190 entwickelt, der Vorläufer der absatzstarken C-Klasse war.

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Nach dem plötzlichen Tod des Vorstandsvorsitzenden Gerhard Prinz wurde Breitschwerdt schließlich im Dezember 1983 Daimler-Chef. Wilfried Guth, der damalige Chef des Großaktionärs Deutsche Bank und Aufsichtsratschef von Daimler, hatte sich für ihn ausgesprochen. Schon bald wurden jedoch zunehmende Spannungen zwischen Breitschwerdt und seinen ehrgeizigen Vorstandskollegen Edzard Reuter und Werner Niefer deutlich, die selbst den Kurs des Konzerns bestimmen wollten. Dem Vorstandsvorsitzenden wurde Führungsschwäche vorgehalten.

Nach nur vier Jahren trat Breitschwerdt als Chef zurück

Als der Deutsche-Bank-Chef Alfred Herrhausen Aufsichtsratschef wurde, verlor Breitschwerdt den Rückhalt der Kapitalseite. Die Arbeitnehmervertreter im Kontrollgremium hatten sich ohnehin von Anfang an gegen die Berufung des Technikers zum Konzernchef ausgesprochen. Es folgte eine Demontage auf Raten. Reuter zog die Strippen beim Ausbau des Fahrzeugherstellers zu einem „integrierten Technologiekonzern“, der in mehreren Branchen verankert ist, und wurde dann zum Vizechef aufgewertet. Herrhausen signalisierte Breitschwerdt schließlich, dass er nicht mit einer Verlängerung seines Vertrags rechnen könne. Daraufhin trat dieser nach nur vier Jahren an der Spitze im Juli 1987 „aus persönlichen Gründen“ zurück und machte Platz für Reuter.

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Trotz des erzwungenen Abschiedes hielt Breitschwerdt dem Unternehmen die Treue und verlor kein böses Wort über den Kurs des Konzerns – auch nicht, als Reuter schließlich mit seiner Vision vom „integrierten Technologiekonzern“ scheiterte. Manch anderer hätte sich wohl verbittert von Daimler abgewendet. Doch Breitschwerdt arbeitete als Berater für das Unternehmen und hatte zunächst weiterhin ein Büro in der Konzernzentrale. „Ich habe lernen müssen, dass man weniger tun und sich dennoch freuen kann. Man muss natürlich etwas tun“, sagte er in einem Gespräch mit unserer Zeitung anlässlich seines 70. Geburtstags.

Der ehemalige Spitzenmann engagierte sich beim Aufbau Ost

Der ehemalige Spitzenmann fand neue Aufgaben und beließ es nicht dabei, seine Erfahrung in etlichen Aufsichtsräten einzubringen. Er sah es vor allem als Verpflichtung an, nach dem Fall der Mauer den Aufbau in den neuen Bundesländern zu unterstützen. Gemeinsam mit zwei anderen Investoren engagierte er sich in Dresden. Das Trio verwandelte ein Kraftfahrzeugausbesserungswerk in einen Gewerbepark. Ohne zu zögern, sagte Breitschwerdt auch zu, als ihn die „Firma“ fragte, ob er beim Daimler-Projekt am Potsdamer Platz in Berlin mitarbeiten wolle. Breitschwerdt übernahm die Leitung eines Gremiums, das ein Konzept für dieses Großprojekt entwarf, war später Vorsitzender eines Beirats, der überwachte, ob alles plangemäß vorankommt oder wie Verzögerungen wettgemacht werden können.

Gemeinsam mit weiteren Investoren kaufte Breitschwerdt zudem in Florida eine Ferienanlage mit Golfplatz, Wohnungen und einem Bootshafen. Dort hatte er ein Haus, wo ihn Kinder und Enkel besuchten. Bis ins hohe Alter konnte man den ehemaligen Daimler-Chef als aufmerksamen Beobachter bei den Hauptversammlungen des Autokonzerns sehen. Jetzt ist Werner Breitschwerdt im Alter von 94 Jahren gestorben.