Auf der Suche nach höheren Mächten: Little Richard Foto: AFP/STEPHANE DE SAKUTIN

Little Richard, der Pionier des Rock ’n’ Roll, ist mit 87 Jahren in seiner US-Südstaatenheimat gestorben. Ein Nachruf auf einen ganz besonderen Musiker.

Stuttgart - Wollte man die Geschichte einer schwarzen Jugend in den amerikanischen Südstaaten zu Zeiten der Rassentrennung erzählen, dann wäre die Geschichte des Richard Wayne Penniman prototypisch geeignet: aufgewachsen in Macon, Georgia, mit zwölf Geschwistern als Sohn eines Schnaps-Schwarzbrenners, der später nach einem Streit vor seiner Bar erschossen wurde; bescheidenste Verhältnisse, in denen das Leben durch die eigene Homosexualität auch nicht gerade erleichtert wurde; Abgang von der Schule mit vierzehn; danach Tingelei durch die Lande mit Wunderheilmittelverkäufern und Vaudevilletheatern. Nach dem Tod seines Vaters musste der Mann, der sich halb trotzig aufgrund der Hänseleien wegen seiner Körpergröße bald den Namen Little Richard zulegte, als Tellerwäscher im Restaurant des örtlichen Greyhound-Busbahnhofs seine Familie durchfüttern.

Nur zwei Ausflüchte blieben dem spirituellen und stimmgewaltigen Gospelfreund: sein Traum, Priester zu werden, und sein tiefer Wunsch, als Musiker zu Erfolg zu kommen. Und beide hat sich Little Richard erfüllt, der nun am vergangenen Samstagmorgen in Tullahoma, Tennessee, im Alter von 87 Jahren an Knochenkrebs gestorben ist.

Eine Doppelbegabung

Weltbekannt wurde er als einer der prägenden Pioniere des Rock ’n’ Roll, ebenso weltberühmt mit seinen Schlachtruf „Awopbopallobobalopbamboom“, der seinen größten, wenngleich bei Weitem nicht einzigen Hit einleitete; „Tutti Frutti“ heißt er. „Long tall Sally“, „Good golly miss Molly“, „The Girl can’t help it“, „Ready Teddy“ und natürlich „Lucille“ sind einige seiner weiteren Kracher, die längst zu Klassikern geworden sind, so wie auch Little Richard seinen Ruf als prägende Figur der Musikhistorie schon Ende der fünfziger Jahre sicher hatte.

1957 dann kam das Erweckungserlebnis – der Shoutingsänger und Pianoderwisch mit der markanten Pompadour-Frisur ließ auf dem Zenit seiner Karriere das vermeintlich unstete Rock-’n’-Roller-Leben hinter sich und sich dreieinhalb Jahre lang zum Priester ausbilden. Einher ging dies mit der Hinwendung zum beziehungsweise der Rückbesinnung auf den Gospel, der ihn bereits seit frühester Kindheit begleitete; ein von Quincy Jones produziertes Album aus jener Zeit legt Zeugnis davon ab. Auf einer Englandtournee kurz darauf stellte Little Richard allerdings fest, dass seine Gospelsongs beim Publikum komplett durchfielen, woraufhin er sich dann mitten in der Tournee entschloss, doch wieder ausschließlich seine Rock-’n’-Roll-Nummern zu spielen.

Am Ende auf Schlingerkurs

Und so begann die nun tatsächlich unstete Zeit der Schlingerkurse. Zurück in der amerikanischen Heimat, merkte er rasch, dass die Zeit des Rock ’n’ Roll allmählich ablief, sattelte auf Bluesrock und Soul um (kurzzeitig übrigens auch mit einem gewissen Jimi Hendrix als Begleitmusiker) und schließlich in der zweiten Hälfte der sechziger Jahre auf Funk. Kaum feierte der Rock ’n’ Roll sein Comeback, sprang auch Little Richard wieder auf den Zug auf – kaum flaute der Trend ab, orientierte er sich wieder zum Gospel und seiner Berufsberufung, ehe er noch nach Kräften bis ins neue Jahrtausend hinein Aufgüsse seines musikalischen Vermächtnisses verwaltete.

„I’m done“ („Ich bin fertig“), zog der zeitlebens auch musikalisch Suchende schließlich 2013 sein Fazit anlässlich seines endgültigen Abschied aus dem Geschäft. Was er Bleibendes hinterlassen hat, war zu diesem Zeitpunkt bereits ein halbes Jahrhundert alt. Im kulturellen Gedächtnis wird es allerdings noch Ewigkeiten überdauern.