Hermann Nitsch inszenierte drastische Aktionen – wie 2001 in Frankfurt. Foto: dpa/Boris Roessler

Kaum ein Künstler hat so stark provoziert wie der Wiener Aktionskünstler Hermann Nitsch. Er inszenierte Blutorgien. War es mehr als Spektakel?

Es gab Ärger – immer wieder. Gläubige gingen auf die Straße, Tierschützer empörten sich. Seinen internationalen Erfolg verdankte Hermann Nitsch aber der Polizei. Als er als noch unbekannter Künstler 1966 in London ein Happening machte bei einem Symposium zur Zerstörung der Kunst, unterbrach die Polizei rüde seine Aktion. Das war der Durchbruch: Fortan wurde Hermann Nitsch weltweit eingeladen – und ist bis heute auch noch vielen Menschen ein Begriff, die wenig mit Kunst am Hut haben. Sie wissen, dass Hermann Nitsch der ist, der Tiere schlachtete und Blutorgien veranstaltete.

Viel Blut, viel Nacktheit

Nun ist Hermann Nitsch mit 83 Jahren gestorben und wird der Nachwelt als Hauptvertreter des sogenannten Wiener Aktionismus in Erinnerung bleiben. Schon in seinen ersten Bildern beschäftigte er sich mit der Religion, die auch eine zentrale Rolle in seinen Aktionen spielte. Ende der 1950er Jahre begann er, seine ersten Gesamtkunstwerke aus Musik, Theater und Malerei zu inszenieren. Für ihn waren es eine Art rituelle Spektakel, ein Orgien-Mysterien-Theater, bei dem Blut, Kadaver, Eingeweide und viel Nacktheit zum Einsatz kamen. Für den Kunstbetrieb waren Hermann Nitschs enthemmte und orgiastische Happenings ein willkommenes Spektakel, das Aufmerksamkeit garantierte. Für Hermann Nitsch war es aber mehr. Er wollte einerseits an religiöse Handlungen erinnern. Wenn er dabei auch Tiere schlachtete und das Blut spritzte, sollte das aber auch eine Kritik an der Brutalität der bürgerlichen Ordnung sein. Nitsch wollte sein Publikum mit Grausamkeiten schockieren, um dessen Bewusstsein zu wecken.

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Mit Grausamkeit Bewusstsein wecken

Marina Abramovic hat bei ihm mitgewirkt

Geboren wurde Hermann Nitsch 1938 in Wien. Mit 15 Jahren besuchte er die Grafische Lehr- und Versuchsanstalt in Wien und verdiente sein Geld zunächst als Gebrauchsgrafiker. Nachdem der internationale Kunstbetrieb auf ihn aufmerksam geworden war, tingelte er mit seinen Aktionen durch die USA und Europa. Er kaufte in Niederösterreich ein Schloss, in dem er größere Musiktheater-Projekte realisierte mit Lärmorchestern und elektronischen Instrumenten. Er war auch mehrfach auf der Documenta in Kassel vertreten, war Professor an der Städelschule in Frankfurt und wurde für viele Performancekünstler zum Vorbild wegen seiner Radikalität. 1975 war Marina Abramovic an einer seiner Aufführungen beteiligt, meist arbeitete Nitsch aber mit Laien zusammen.

Die Schüttbilder berühren unmittelbar

Seine Aktionen sorgten immer wieder für Ärger mit Behörden, als junger Mann musste Hermann Nitsch mehrfach Haftstrafen absitzen. Er fühlte sich dadurch bestätigt, die steten Widerstände waren für ihn ein Indiz, dass er mit seinen Aktionen einen Nerv traf. In den vergangenen Jahren hörte man seltener von dem Österreicher, aber auch wenn sich Kunst, die auf Empörung und Spektakel setzt, abnutzt, war er 2021 noch zu den Bayreuther Festspielen eingeladen. Nun werden vor allem seine Schüttbilder an ihn erinnern – Werke bei denen die Farbe direkt auf die Leinwand gegossen wird. Sie finden sich in großen Museen und ermöglichen wegen ihrer enormen Formate und blutroten Farbmassen ein intensives Kunsterlebnis.