Broschüre der CDU-Gemeinderatsfraktion. Foto: red

Die CDU-Gemeinderatsfraktion boostert sich auf, dass man sich Sorgen um das Stuttgarter Wahrzeichen, den Fernsehturm, machen muss. Eine Glosse von Lokalchef Jan Sellner.

Stuttgart - Die Dinge „machen etwas mit uns“, wie man so floskelhaft sagt. Besonders die Pandemie macht viel mit uns – und mit unserer Sprache. Besonders anschaulich kann man dieses Phänomen am Beispiel der CDU-Gemeinderatsfraktion studieren. Sie hat ein Faltblatt an die „lieben Stuttgarterinnen und Stuttgarter“ adressiert, in dem sämtliche Wohltaten aufgeführt werden, die sie bei den jüngsten Haushaltsberatungen durchgesetzt hat: von „Geschwindigkeitsanzeigen mit Smiley-Displays“ über „zusätzliche Finanzmittel zur Sanierung der Stuttgarter Stäffele“ bis zu „Errichtung einer kulturellen Großinstallation als Anziehungspunkt für internationalen Tourismus“. Somit weiß jeder, wofür die CDU-Gemeinderatsfraktion steht.

An sich eine gute Idee, auf die die anderen Fraktionen nicht gekommen sind. Leider konnten die Christdemokraten der sprachlichen Versuchung nicht widerstehen, ihre „über 100 Zukunftsprojekte für unsere Stadt“ als „Booster-Paket“ anzupreisen, genauer als „Stuttgart-Booster 2022/23“.

Raketenstart in Schwäbisch-Guayana

Was hat Corona mit der CDU gemacht? Das fragt man sich – augenreibend – vor allem beim Titelbild der Broschüre: Zu sehen ist der 217 Meter hohe Fernsehturm als Rakete, die mittels Booster vom Weltraumbahnhof Degerloch in Schwäbisch-Guayana abhebt. Im nächsten Moment wird das Stuttgarter Wahrzeichen in den Tiefen des Weltalls verschwinden – und das wenige Tage vor dessen 66. Geburtstag an diesem Samstag. Böse Zungen behaupten, die CDU wolle Platz für Neues schaffen und den bemannten Stahlbetonturm im Rahmen ihres „Stuttgart-Booster-2022/23-Projekts“ kurzerhand auf den Mond schießen. Das Thema Weltkulturerbe hätte sich damit erledigt. Was macht das dann mit Stuttgart?