Die bislang unbekannten Sprayer haben sogar die Fenster eingefärbt. Foto: privat - privat

Normalerweise sind die S-Bahnen in Stuttgart rot. Nicht so ein Zug der Linie S 4. Unbekannte haben mehrere Waggons komplett silbern grundiert - auch die Fenster. Die Bahn wirkt wie ein „Silberpfeil“.

StuttgartNormalerweise sind die S-Bahnen in Stuttgart rot. Nicht so eine S-Bahn der Linie S 4. Unbekannte haben mehrere Waggons komplett silbern grundiert – auch die Fenster – und minimalistisch Buchstaben darauf gemalt. Sie wirkt jetzt ein bisschen wie ein „Silberpfeil“. Unabhängig der Frage, ob das Kunst ist, handelt es sich dabei um Sachbeschädigung. Die Bahn zeigt solche Vorfälle grundsätzlich an.

Dass Züge wie die S 4 über mehrere Waggons hinweg komplett bemalt werden, ist in Stuttgart eine Seltenheit. Meistens sind es kleinere Flächen, die Sprayer besprühen. Zuletzt erregte der „Schwarzfahrer-Waggon“ – ebenfalls Teil einer S 4 – Aufmerksamkeit. Hier hatten Unbekannte einen Waggon komplett schwarz eingefärbt und in weißen Lettern „Schwarzfahrer-Waggon“ darauf geschrieben. Umsonst fahren durfte man in dem Waggon freilich nicht.

„Die Entfernung von Graffiti erfordert Erfahrung und Fachwissen. Aufwand, Umweltbelastung und Kosten sind enorm“, sagt eine Bahn-Sprecherin. Für die Reinigung eines Nahverkehrs-Triebwagens brauchen zwei bis drei Fachkräfte einen Arbeitstag. „Die Neulackierung eines kompletten Wagens kostet bis zu 15 000 Euro und dauert rund sieben Tage“, so die Sprecherin. Normalerweise reinigt die Bahn bemalte Züge binnen 72 Stunden. „Um das Erfolgserlebnis der Sprayer zu schmälern“, wie die Sprecherin sagt. So ist es auch in dem aktuellen Fall geschehen, der Zug ist in der Werkstatt in Plochingen gereinigt worden und fährt mittlerweile wieder. Am 26. August hatte die Bahn den Zug nördlich von Stuttgart so vorgefunden – genauer will sie nicht werden, um Sprayern, die illegal unterwegs sind, keine weiteren Anreize zu schaffen.

Zuvor würden die Werke fotografiert, um den Behörden die Strafverfolgung zu erleichtern und Mehrfachtäter überführen zu können. Die Bahn unterstütze dabei die Sicherheitskräfte. „Seit 2013 setzt die DB spezielle Einsatz-Teams ein, die in enger Zusammenarbeit mit Bundes- und Landespolizei Graffiti-Straftäter an Hotspots auflauern“, so die Sprecherin. Die Teams hätten im Jahr 2018 fast 200 Täter auf frischer Tat gestellt. Nicht so diejenigen, die sich jetzt an der S 4 zu schaffen gemacht haben. Werden sie erwischt, könnten ihnen saftige Strafen drohen. „Auch wenn sie strafrechtlich etwa unter das Jugendstrafrecht fallen und oft sogar ohne Strafe davonkommen, kann die DB den materiellen Schaden als zivilrechtliche Forderung über 30 Jahre im Nachhinein geltend machen“, sagt die Sprecherin.

Bei der Bundespolizei ist am 27. August eine Meldung über ein 80 Quadratmeter großes Graffiti an einer S-Bahn eingegangen, das von der Größe her auf das silberne Graffiti zutreffen könnte. „Wir haben die Ermittlungen in diesem Fall aufgenommen“, sagt ein Polizeisprecher.

Die Bahn hat für das Jahr 2018 angegeben, bundesweit 13 Millionen Euro für die Reinigung von Fahrzeugen nach 20 000 Fällen von Sachbeschädigungen durch Graffiti bezahlt zu haben. Zahlen für Bundesländer erhebt sie nicht. Die Bundespolizei spricht im Zeitraum von Januar bis Mai 2019 von insgesamt 393 Sachbeschädigungen durch Graffiti an S-Bahnen im Stuttgarter Stadtgebiet.

Die Bahn geriert sich indes auch als Unterstützerin legaler Graffiti. So vergibt das Bahnhofsmanagement in Stuttgart seit 2019 im Rahmen des Projekts „Bahnhof.Wand.Kunst“ Auftragsarbeiten an Künstler, um Flächen an Bahnhöfen zu verschönern. Alle Freiheiten haben die Künstler hier aber nicht – die Entwürfe müssen vorher mit der Bahn abgesprochen werden. Legale Graffiti-Kunst an Stuttgarter Bahnhöfen gibt es zum Beispiel an den Haltestellen Nord oder Sommerrain. Auch andere Haltestellen im Stuttgarter S-Bahn-Netz sind mit legaler Street-Art verziert. Auch in Beutelsbach, Weinstadt und Waiblingen finden sich Kunstwerke. Pionierarbeit hat Heidelberg geleistet mit einem Projekt, dass Graffiti-Kunst aus der Illegalität holen soll. Das war Stuttgarts Vorbild.