„Alles echt unecht“ Foto:  

Der Brexit und die Strafzölle-Politik des früheren US-Präsidenten Donald Trump verursachen zusätzliche Arbeit im Hafen-Zollamt. Dabei haben die Zollbeamten mit Plagiaten von Markenartikeln genug zu tun.

Wangen - Wer in Wangen auf die Bundesstraße 10 auffä hrt, kommt an einer Behörde vorbei, die wenige dort vermuten: das Hafen-Zollamt. Die Außenstelle des Bundesfinanzministeriums gehört zu den größten in der Region. Im jüngst modernisierten Otto-Konz-Hauses werden pro Jahr rund zwei Millionen Sendungen bearbeitet.

Die Ausfuhrabfertigung der rund 1,7 Millionen Warensendungen überwiegt zwar an der Zahl, die Einfuhrkontrollen kosten die Zollbeamtinnen und -beamten aber viel Zeit. In der Exportregion Stuttgart produzierte Waren der Automobilindustrie, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik werden über das Hafenzollamt in alle Welt verschickt. In den großen Firmen sind Verfahren automatisiert. Anders sieht es bei den Übersee-Postpaketen für Bürgerinnen und Bürger aus. „Die Mehrheit wird in den Auswechselzentren abgefertigt, die Problemfälle bekommen wir aber oftmals von dort“, sagt Zollamtsleiter Manfred Lissok. Sie müssen in Wangen gründlich unter die Lupe genommen werden.

Immer mehr Verbraucher bestellen ihre Waren per Internet – auch im Ausland. Viele Erzeugnisse aus Übersee können eine böse Überraschung bereiten. Oftmals gehen die Online-Käufer blauäugig vor und fallen dann aus allen Wolken, wenn sie die langersehnte Ware im Zollamt abholen sollen. Denn für Ware aus Übersee wird Einfuhrsteuer fällig und je nach Wert der Produkte können zudem Zolle und Steuern erhoben werden. „Viele Konsumenten werden wütend und auch Tränen der Enttäuschung fließen“, sagt Lissok. Das vermeintliche Schnäppchen erweist sich als teurer Einkauf. Ein typisches Beispiel sind Textilien aus den USA. „Die Strafzölle, mit denen Präsident Trump viele Waren aus der EU belegte, konterte die Europäische Union mit Abgaben beispielsweise auf US-Jeans“, sagt Zoll-Pressesprecher Thomas Seemann. Für amerikanische Textilien müssen Verbraucher zwölf Prozent Einfuhr-, 19 Prozent Umsatzsteuer und bis zu 25 Prozent Strafzoll zahlen.

Es kann aber noch schlimmer kommen. Wenn der Inhalt des Päckchens unklar ist, müssen die Empfänger dieses im Beisein eines Zoll-Beschäftigten öffnen und es anschließend ohne Ware verlassen. Waffen, Produkte, die aus Tieren oder Pflanzen geschützter Arten hergestellt wurden, sowie Drogen und Medikamente werden beschlagnahmt. „Deutschland behandelt die Einfuhr von Arzneimitteln sehr restriktiv. Dazu zählen auch Vitaminpräparate und andere Nahrungsergänzungsmittel“, sagt Seemann. Aus gutem Grund: In anderen Ländern seien Medikamente beispielsweise höher dosiert. Auch manches vermeintliche Wundermittel wechselt nicht den Besitzer. Es wird verbrannt. In der Müllverbrennungsanlage landen auch Elektroartikel, denen die CE-Kennzeichnung fehlt – und Falsifikate wie jüngst FFP2-Masken ohne entsprechende Zertifizierung.

Noch unangenehmer könnte es für Verbraucher werden, die statt der vermeintlich supergünstigen Markenartikel Geld für ein Plagiat überwiesen haben. Lissok öffnet einen Raum voll beschlagnahmter Ware: Turnschuhe, Uhren, modische Taschen, Gitarren namhafter Instrumentenbauer, Handys, In-Ear-Kopfhörer, Ersatzteile schwäbischer Automarken, Trikots – es gibt quasi nichts, das nicht gefälscht wird. Oft sehen die Produkte auch täuschend echt aus, Lissoks Kollegen entdecken die meisten Fälschungen jedoch an Kleinigkeiten. Danach können die Schnäppchenkäufer eine weitere Überraschung erleben. Markenartikel-Hersteller gehen gegen Produktpiraterie rigoros vor und schicken dem Besteller einen Gebührenbescheid eines Rechtsanwalts ins Haus.

Up to date müssen die Zöllner auch auf anderen Gebieten sein. „Auf die Szenarien eines Brexits haben wir uns seit Jahren vorbereitet“, sagt Seemann. Tatsächlich spüren die Wangener bereits die Auswirkung der britischen Politik. Im Januar fertigten sie 14 000 Sendungen in oder vom Königreich ab. „Bei der Ausfuhr hat dies 18 Prozent des Gesamtvolumens ausgemacht“, sagt Lissok und bei der Einfuhr rechnet er mit einer Welle, die noch auf das Zollamt am Westkai zukommt.