Hilflos: Claudia Voss (Anna Schudt) Foto: Network Movie/ZDF

In dem bedrückenden Drama „Die Bürgermeisterin“ mit Anna Schudt gerät eine ehrenamtliche Lokalpolitikerin ins Visier von Rechtsextremisten, als in ihrem Ortsteil ein Flüchtlingsheim eingerichtet werden soll.

Das sind doch nur irgendwelche Trolle, beruhigt Tochter Leonie ihre Mutter, die sich über Internetkommentare aufregt: armselige Gestalten, die die Anonymität des Netzes nutzen, um Unflat zu verbreiten. Aber dann wird der Unflat sehr real, als Leonie (Jule Hermann) kurz drauf in einen vermeintlich gepolsterten Umschlag greift. Spätestens jetzt weiß Claudia Voss (Anna Schudt), dass nicht nur sie selbst, sondern auch ihre Familie einen hohen Preis für ihr Engagement zahlen muss.

Dabei ist die ehrenamtliche Ortsteilbürgermeisterin einer Kleinstadt bloß ausführendes Organ: Der Landrat hat beschlossen, dass in Neustadt-Linden Flüchtlinge unterkommen sollen. Claudia sieht keinerlei Grund, diese Entscheidung zu kritisieren; für sie ist das eine Frage der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit, von Artikel 16a des Grundgesetzes („Politisch Verfolgte genießen Asylrecht“) ganz zu schweigen.

Angriff auf die Menschenwürde

Einige ihrer Mitmenschen sehen das allerdings ganz anders. Sie sind in der Minderheit, aber dafür sehr präsent. Ihr Wortführer ist ein Lokalpolitiker, der in seinen öffentlichen Äußerungen so tut, als sei Claudia dafür verantwortlich, dass die Flüchtlinge nach Linden kommen. Veith Landauer (Alexander Beyer) organisiert regelmäßige Versammlungen auf dem Marktplatz – und als er zu einem „Bürgerspaziergang“ aufruft, der rein zufällig ganz in der Nähe des Hauses von Familie Voss endet, ist für Claudias Mann Peter (Felix Klare) endgültig eine Grenze erreicht.

Das ZDF nennt den Film schlicht „Die Bürgermeisterin“. Der Arbeitstitel lautete „Die Würde des Menschen“, und darum geht es in der Tat: weil Claudia hilflos mit ansehen muss, wie ihre Würde mit Füßen getreten wird. Klugerweise verzichtet Magnus Vattrodt in seinem Drehbuch darauf, ihren Gegenspieler zu dämonisieren.

Das Unheil kommt immer näher

Der Unternehmer Veith Landauer ist kein tumber Neonazi, sondern ein typischer Biedermann, der mit seiner vermeintlich fürsorglichen Haltung vielen Lindenern aus der Seele spricht. Appelle an die typische Angst vor dem Fremden und Hinweise auf die angeblich gefährdete „deutsche Lebenskultur“ genügen völlig, und schon ist die Diskussion von Begriffen wie Sozialschmarotzer, Scheinasylanten und Vergewaltigern geprägt.

Natürlich ist das Drama weder ein Thriller noch ein Horrorfilm, zumindest nicht im klassischen Sinn, aber die Regisseurin Christiane Balthasar bedient sich einer vergleichbaren Dramaturgie: Das Unheil kommt immer näher – und niemand kann etwas dagegen tun.

Der Grimme-Preisträger Magnus Vattrodt hat die Hauptfigur mehreren authentischen Personen nachempfunden. Die im Anschluss an den Film ausgestrahlte Dokumentation „Engagiert und attackiert“ stellt einige von ihnen vor.

Die Bürgermeisterin. Montag, 24. Oktober, ZDF, 20.15 Uhr – im Anschluss, um 21.45 Uhr, wird die Dokumentation „Engagiert und attackiert“ gezeigt.