Links die neue, rechts die bisherige Farbgebung der Stuttgarter Feuerwehr: Was ist besser sichtbar? Foto: STZN

Leuchtrot mit weißen Elementen oder ein dunkleres Rot mit Schwarz? Die künftige Farbe der Einsatzfahrzeuge spaltet die Stuttgarter Feuerwehr. Die Zeit für eine Entscheidung drängt.

Als am Donnerstag die Sitzung des Stuttgarter Gemeinderats zu Ende geht, dürfen die Vertreter der Feuerwehr im Saal beruhigt durchatmen. Ein gigantisches Beschaffungsprogramm ist abgesegnet. Denn in der Landeshauptstadt müssen nicht nur zahlreiche Wachen erneuert werden, sondern auch viele Einsatzfahrzeuge. Dutzende Autos sind nötig, das Programm sieht in den nächsten 15 Jahren Investitionen von mindestens 112 Millionen Euro vor. „Der Fuhrpark wird in benötigtem Maße auf einen modernen und leistungsfähigen Stand gebracht, den es dann zu halten gilt“, heißt es in der Vorlage. Profitieren sollen sowohl die hauptberuflichen als auch die ehrenamtlichen Helfer von der Freiwilligen Feuerwehr.

Alles bestens also, könnte man meinen. Wenn es da nicht ein hochemotionales Thema gäbe, das bereits seit fast zwei Jahren köchelt und sich jetzt zu einer entscheidenden Frage auswächst. Denn wenn die neuen Fahrzeuge bestellt werden, braucht es eine Farbangabe. Und die ist deutlich kritischer, als Laien vermuten könnten.

Feuerwehrautos sind rot. Das dürfte für jeden, den man fragt, völlig klar sein. Doch Rot ist nicht gleich Rot. Es gibt diverse Unterschiede. Die Erklärung führt zurück bis ins Jahr 1925. Damals gründeten die deutsche Privatwirtschaft und die Regierung einen Ausschuss, der eine verlässliche Kennzeichnung von Waren ermöglichen und die Bedingungen vereinheitlichen sollte. Er bekam den schönen Namen „Reichsausschuss für Lieferbedingungen“, kurz RAL. Die Abkürzung hat sich bis heute gehalten. RAL ist inzwischen ein Verein, der nach wie vor die Standards für die Kennzeichnung von Produkten setzt. Das gilt auch für Farben. Drei RAL-Farbpaletten mit über 2500 eindeutig festgelegten Farbtönen gibt es.

Für die Brandbekämpfer kommen mehrere davon infrage – denn letztlich entscheidet jede Feuerwehr selbst über das genaue Design ihrer Fahrzeuge. Die Farbtöne heißen „Leuchtrot“, „Leuchthellrot“ oder „Verkehrsrot“ und tragen Zusatzbezeichnungen wie RAL 3024. In der Praxis sind die Unterschiede ziemlich groß. Auch in Stuttgart.

Auf einmal stehen andere Autos da

In der Landeshauptstadt verwendet die Feuerwehr seit rund einem halben Jahrhundert vorwiegend Leuchtrot für ihre Fahrzeuge. Sprich: eine Beklebung – früher Lackierung – in einem hellen, leuchtenden Rot, dazu weiße Elemente. Doch vor einiger Zeit taucht plötzlich bei Neubestellungen vereinzelt etwas ganz anderes auf. Der Rot-Ton ist deutlich dunkler, dazu gepaart mit vielen schwarzen Elementen und aufgehellt durch einige leuchtgelbe Streifen. Viele Feuerwehrmänner und -frauen sind irritiert. Das ist endgültig so, als plötzlich neun neue Einsatzleitwagen auf dem Hof stehen. Sie fahren bei größeren Einsätzen vorneweg – und sind ebenfalls in der Kombination Dunkelrot/Schwarz gehalten. Offenbar so bestellt von der Technikabteilung.

Die Emotionen kochen hoch. Es sei „verheerend“, solch dunkle Autos vorweg fahren zu lassen, heißt es da. Manche fürchten um die Sichtbarkeit und Sicherheit der Fahrzeuge und von Passanten. „Warum verlässt man ohne Not das bestehende Sicherheitsniveau?“ fragt ein Feuerwehrangehöriger. Das dunkle Rot in Kombination mit Schwarz verschwimme gerade in der Dämmerung zur Unsichtbarkeit. Andere Feuerwehren in der Republik setzten verstärkt auf Leuchtrot. Dazu kommt, dass es offenbar keinen Beschluss darüber gibt, die Farben und das Design der Einsatzfahrzeuge zu ändern und nun auf Stuttgarts Straßen Autos in zwei verschiedenen Optiken unterwegs sind.

Auch der Personalrat ist mehr als überrascht – und fordert Gespräche, die dann über Monate nicht zustande kommen. Die Fachgruppe Feuerwehr in der Gewerkschaft Verdi schreibt einen geharnischten Brief an die Branddirektion. Er enthält die Forderung, an der bisherigen Farbgebung festzuhalten. Das Thema bewege „große Teile der Belegschaft wie kein anderes“, heißt es da. Und: Die Entwicklung, die „im Amt weder kommuniziert, geschweige denn abgestimmt wurde“, sorge für Demotivation und großen Frust. „Eine große Anzahl der Kollegen kann sich gar mit ihrer Feuerwehr Stuttgart nicht mehr identifizieren“, heißt es in dem Schreiben ziemlich zugespitzt.

Feuerwehrchef Georg Belge ist sich der Emotionalität der Diskussion bewusst. „Das ist ein großes Thema, mit dem auch ich mich noch einmal intensiv beschäftigen muss“, sagt er. Es sei dabei in den vergangenen eineinhalb Jahren nicht alles optimal gelaufen. „Darüber muss gesprochen werden, gegebenenfalls auch unterstützt durch eine Arbeitsgruppe“ so Belge. Mit dem Personalrat habe es zuletzt ein Treffen in dieser Angelegenheit gegeben. Klar ist, dass eine Lösung her muss. Zwar hat die Optik von Einsatzfahrzeugen oder Uniformen – auch bei der Polizei – schon immer die Gemüter erregt, aber das Thema ist nicht nur emotional.

Die Befürworter führen Studien ins Feld, die die bessere Sichtbarkeit und Haltbarkeit des hellen Rot betonen. Die Branddirektion entgegnet offiziell, so eindeutig sei das nicht. „Über die Zeit verblassen einige der aktuellen Fahrzeugfarben sehr stark. Insbesondere sind die Fahrzeuge dann betroffen, wenn sie oft und über längere Zeit im Freien abgestellt werden“, heißt es in einer Stellungnahme an unsere Zeitung. Zudem seien die Leuchten der Fahrzeuge durch LED heller geworden. Auch die Kostenfrage wird angeführt. Allerdings scheint es bei den heute üblichen Beklebungen kaum mehr einen Unterschied zwischen den verschiedenen Rot-Tönen zu geben.

Entscheidung für die Zukunft

Die Zeit drängt angesichts der bevorstehenden Beschaffungswelle für neue Fahrzeuge. „Vorher muss der Weg klar geregelt sein. Wir müssen entscheiden, ob wir zukünftig bei Leuchtrot und dem heutigen Erscheinungsbild bleiben oder das Design wechseln wollen“, sagt Branddirektor Belge. Dabei müsse man nicht nur Vor- und Nachteile der verschiedenen Farbtöne abwägen, sondern sich ganz generell überlegen, wie das Design der Zukunft aussehen könnte. Es gehe ihm darum, Standards festzulegen, die dann generell anwendbar seien, so Belge. Eines steht für ihn aber fest: Ein Durcheinander verschiedener Farben und Designs soll es dauerhaft nicht geben. „Wenn wir auf Ästhetik Wert legen, muss man alles einheitlich machen.“

Immerhin dabei ist man sich einig. „Wir brauchen ein einheitliches Corporate Design für die Branddirektion, das dann auch konsequent umgesetzt wird“, heißt es bei Personalrat und Verdi. Und das möglichst schnell. Denn schließlich muss jemand nach dem positiven Beschluss im Gemeinderat bald Fahrzeuge bestellen. Und dabei das richtige Häkchen bei der Farbe setzen.