Kinder verlassen mit ihrem Bild das Atelier von Künstler Tim Bengel (Zweiter von links). Foto: Neuhauser

Kunst fördert Kreativität und neue Sichtweisen – je früher, desto besser. Der Künstler Tim Bengel hat Kinder aus einkommensschwachen Familien über die Wolkenputzer-Stiftung eingeladen und war begeistert, was er von ihnen lernen kann.

Stuttgart/Esslingen - Berlin ist der Nabel der zeitgenössischen Kunst. Tim Bengel will daheim im Süden „ein Gegengewicht zur dominanten Hauptstadt“ schaffen. Den etablierten Kunstbetrieb hat der Junge mit dem Lockenkopf aufgemischt. Heute kosten seine Bilder bis zu 80 000 Euro. Und gleichzeitig sammelt er Bilder von Künstlerinnen und Künstler seiner Generation, um sie in seinem Studio Berkheim in Esslingen auszustellen. Vor jedem Kauf, sagt der 29-Jährige, überlegt er: „Wer könnte in drei Jahrzehnten der nächste Basquiat sein?“ Basquiat, Warhol und Meese sind seine Bezugsgrößen. Einen herausragenden Fußballer müsse man auch in jungen Jahren verpflichten. Später könne ein Verein sich ihn kaum leisten.

Ein Besuch von Kindern ist ein Geben und Nehmen

War womöglich ein Kunststar von morgen in seinem Atelier? Als die Wolkenputzer-Stiftung, die 2017 die Stuttgarter Eheleuten Christine und Alexander Stein ins Leben riefen, ihn fragte, ob er sozial benachteiligten Kindern seine Arbeit im Atelier zeigen und sie zum kreativen Gestalten anregen wolle, sagte Bengel sofort zu. Ein Besuch von Kindern ist ein Geben und Nehmen. „Es ist toll, wie unvoreingenommen sie an eine Sache rangehen“, sagt er. „Ohne großen Respekt“ standen sie vor den Werken im Studio Berkheim und sagten frei heraus, was ihnen gefällt und was nicht. Diese Offenheit könnten die Älteren von Kindern lernen. Die Jungen wissen nicht, welche Bilder teuer sind und welche nicht so.

Bengel ermunterte seine jungen Gäste, Buntes selbst zu gestalten. Motto: Mal dir die Welt, wie sie dir gefällt. „Die meisten Kinder sind kreativ veranlagt“, sagt Bengel, „es ist gut, wenn man fördert, was in ihnen steckt.“ Er selbst habe schon mit acht Jahren gemerkt, wie Kunst ihn fasziniert. Sein Rat an Eltern ist es, ihre Kinder machen zu lassen, sie aber nicht zu zwingen, weiterzumachen, wenn sich ihre Interessen änderten. „Man muss Kinder ausprobieren lassen“, findet er, „dann sieht man schon, in welche Richtung es geht.“

„Allein in Stuttgart sind 14 Prozent von Kinderarmut betroffen“

Die Kinder wollten von ihm wissen, wie viel Geld man mit Kunst verdienen kann. Die Werke mit Gold und Sand gefielen ihnen besonders gut. Die Rechtsanwältin Christine Stein und ihr Mann Alexander Stein, der Gründer des Gin-Labels Monkey 47, sind Eltern von drei Kindern. Sie haben die Wolkenputzer-Stiftung gegründet, um Kinder und Jugendliche aus einkommensschwachen Familien „den Zugang zu Bildung, Kunst und Kultur zu ermöglichen“. Allein in Stuttgart seien 14 Prozent unter 18 Jahren von Kinderarmut betroffen. Die Stiftung will „weniger materielle Wünsche als bunte Erfahrungen erfüllen“, um die Kinderaugen für „die Vielfalt unserer Welt und deren Möglichkeiten zu öffnen, um sie inspirieren und zu bereichern“.

Die Stiftung will „dunkle Wolken im Leben der Kinder vertreiben“ und junge Menschen auf eine Reise in andere Welten schicken. Bei Kindern aus einkommensschwachen Familien, sagen die Steins, „bleiben persönliche Potenziale oft ungenutzt“. Positive Erfahrungen und Erlebnisse aus den künstlerischen und musischen Bereichen fehlten, die jedoch wichtig seien, um Kinder stark zu machen für ein erfülltes Leben.