Kevin Kühnert warnt vor dramatischen Folgen der hohen Energiepreise für Vermieter. Foto: dpa/Kay Nietfeld

Im Winter drohen explodierende Nebenkostenabrechnungen – die SPD unter Federführung von Kevin Kühnert fordert daher ein Stopp bei Mietvertragskündigungen.

Viele kennen das: Immer zum Jahreswechsel bangen Mieter, wenn die Nebenkostenabrechnung in den Briefkasten flattert. Schon im vergangenen Jahr gab es vielerorts eine kräftige Nachzahlung, weil die Energiepreise anzogen. Doch in diesem Winter könnte es sehr viel schlimmer kommen. Noch fließen die Gaspreise des Vorjahres in die Vorauszahlungen ein, die extremen Preissteigerungen werden sich erst im Winter in den Abrechnungen zeigen.

Daher schlagen der Mieterbund und die SPD-Bundestagsfraktion Alarm. Die Genossen haben in einem Eckpunktepapier, das dieser Redaktion vorliegt, unter Federführung von SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert einen Fünf-Punkte-Plan vorgelegt. „Niemand darf auf der Straße landen, nur weil er die horrenden Nebenkosten oder eben die Kaltmiete nicht mehr zahlen kann“, sagt Kühnert und erinnert daran, dass Kanzler Olaf Scholz (SPD) das Thema zur „Chefsache“ gemacht habe. Konkret fordert die SPD, dass für sechs Monate Mietvertragskündigungen ausgeschlossen werden, wenn die Begleichung der Betriebskostenrechnung wegen hoher Energiepreise ausbleibt. Das gleiche soll gelten, wenn die monatlichen Vorauszahlungen ausbleiben.

Vermieter sollen zinslose Kredite erhalten

Damit Wohnungseigentümer nicht selbst durch ausbleibende Überweisungen in Finanznot geraten, wollen die Genossen sie mit zinslosen Darlehen entlasten. „Wir behalten insbesondere Kleinstvermieterinnen und -vermieter im Blick und schlagen eine Regelung vor, wenn ein Kündigungsausschluss eine unzumutbare Härte darstellt“, sagt die SPD-Rechtspolitikerin Sonja Eichwede. Auch soll es keine Strom- und Gassperren im Winter geben – niemand soll in einer kalten und dunklen Wohnung sitzen müssen.

Darüber hinaus soll es Entlastungen für Hartz-IV-Empfänger, Studenten, Wohngeldempfänger und Rentner geben. Außerdem soll das Mietrecht, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, geändert werden – etwa die Kappungsgrenze für Mietsteigerungen von 15 auf 11 Prozent gesenkt und die Mietpreisbremse bis 2029 verlängert werden.

Mieterbund will bundesweiten Mietenstopp

Beim Mieterbund rennen die Genossen damit erwartungsgemäß offene Türen ein. So erklärt dessen Bundesdirektorin Melanie Weber-Moritz: „Die massive Erhöhung der Gaspreise wirkt sich erst im Herbst oder Winter aus, wir rechnen mit einer Verdoppelung bis Verdreifachung der Preise.“ Der Verband fordert zudem einen bundesweiten „Mietenstopp“ und den Bau von fast einer Million Sozialwohnungen bis 2030.

Beim Koalitionspartner FDP ist man wenig begeistert davon, dass die Sozialdemokraten ihr Eckpunktepapier zunächst an die Presse lanciert haben, anstatt es zuerst in der Ampelkoalition zu besprechen. „Nicht optimal“, heißt es bei den Liberalen, nachdem man sich in den Koalitionsverhandlungen eng abgestimmt habe. „Das wäre ergiebiger im Sinn der Sache“, sagt Daniel Föst, der wohnungspolitische Sprecher der FDP-Fraktion. Inhaltlich ist aber nicht mit grundsätzlichem Widerstand zu rechnen: „Über ein Kündigungsmoratorium wie bei Corona kann man mit uns reden“, meint Föst. Zudem müsse niemand Sorge haben, dass ihm im Winter Gas und Strom abgestellt werde.

Die FDP fürchtet einen „Systembruch“

Bedenken haben die Freidemokraten allerdings bei den geplanten Krediten für Vermieter. „Es wäre ein Systembruch, wenn die Eigentümer die Schulden der Mieter übernehmen“, erklärt Föst. Wenn, dann müssten Kleinkredite eher an die Mieter vergeben werden: „Die Außenstände bauen sich sonst immer weiter auf.“ Auch über Heizkostenzuschüsse oder Wohngeld werde man reden müssen. Der FDP-Abgeordnete warnt aber: „Zu viele Regularien drängen Vermieter aus dem Markt, sie verkaufen dann ihr Eigentum und geben es an große Konzerne weiter.“

Haus- und Grundbesitzer warnen vor Insolvenzen

Noch drastischer malt Gerold Happ vom Haus- und Grundbesitzerverein solche Folgen an die Wand. Rund 66 Prozent seien private Kleinvermieter, oft Rentner, die sich ihr Einkommen im Alter aufbesserten. „Wenn jetzt die ganze Verantwortung bei ihnen liegt, werden sie schlicht pleite gehen“, sagt Happ. Schließlich müssten sie auch für sich privat höhere Energiekosten aufbringen. Und die Kredite müssten zurückbezahlt werden. Auch er fordert direkte Hilfe vom Staat für die Mieter, zumal diese oft selbst direkte Verträge mit den Gasanbietern hätten.

So kontrovers die Ansichten sind, in einem Punkt scheinen sich alle einig zu sein: Die Bundesregierung soll den Mietern finanziell unter die Arme greifen. Dass man in der Ampelkoalition darüber nachdenkt, bestätigen unter der Hand Vertreter aller Parteien. Der Ball für finanzielle Beihilfen liegt also beim Finanzministerium von Christian Lindner (FDP) – oder im Kanzleramt. Denn das Thema soll bekanntlich Chefsache sein.

Was sagt die Bundesregierung?

Entlastungen
 Das Bundesfinanzministerium von Christian Lindner (FDP) hat bereits einige Pläne zur Entlastung von Mietern, so osll zum 1. Januar eine Wohngeldreform in Kraft treten, wie ein Sprecher des Ministeriums erklärt, ebenso wie das Bürgergeld.

Initiativen
Das Ministerium kündigt zudem eine „Überprüfung der Kündigungsschutzregeln“ für Mieter an an, und einen Schutzschirm für Unternehmen, die wegen der hohen Energiepreise in Schwierigkeiten geraten. Zudem laufe die Konzertierte Aktion, um mit Vertretern der Gewerkschaften und der Wirtschaftsverbände zusätzliche Lösungen zu entwickeln.