Ein Wohnheim für Studenten an der Universität Hohenheim (Archivbild) Foto: Leif Piechowski/LICHTGUT/Leif Piechowski

Jedes Semester die gleiche Klage über zu wenig Plätze in den Studentenwohnheimen – in diesem Wintersemester ist das etwas anders. Wegen Corona und den Folgen stehen die Chancen der Studenten auf ein Zimmer vielerorts besser als sonst.

Stuttgart/Heidelberg/Ulm - Zelten auf dem Campus, Couchsurfing, endlose WG-Suche im Internet - in solche Notlagen werden die Studienanfänger des Wintersemesters 2020/21 kaum geraten. Die im vergangenen Jahr noch harte Konkurrenz um die raren Wohnheimplätze ist wegen der Corona-Krise deutlich entschärft. Der ganz große Druck auf die Studenten, noch schnell vor Semesterstart einen Unterschlupf zu finden, ist vielerorts gewichen, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. „Die Studierenden werden sich in diesem Semester erheblich leichter tun, ein Zimmer zu erhalten, als es sonst üblich ist zum Wintersemester“, brachte es Krstimir Krizaj vom Studierendenwerk Ulm auf den Punkt.

Auch die Studenten beschreiben die Lage als entspannter. Sie sehen als Grund aber vor allem die desaströse wirtschaftliche Lage der jungen Menschen in der Corona-Krise.

Manche Zimmer bleiben leer

Im Sommersemester verzeichneten manche Studierendenwerke etwa in Heidelberg, Stuttgart und Freiburg sogar Leerstände - eine für sie bislang ungewohnte Situation. In den Heimen des Studierendenwerks Heidelberg stehen zum 1. September noch 200 Zimmer leer. In den Heimen des Stuttgarter Studierendenwerks waren zwischen April und August 750 Zimmer nicht belegt.

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Ein Grund ist das Fernbleiben der internationalen Studenten. „Dass weniger Studenten aus dem Ausland kommen, macht sich bemerkbar. Viele Unis haben auch ihre Austauschprogramme gestrichen“, sagte Anita Bauer vom Studierendenwerk Stuttgart mit 6830 Plätzen. Regulär ziehen zum Wintersemester zwischen 700 und 800 Programmstudierende in die Wohnanlagen ein. „In diesem Jahr wird es nur ein Bruchteil davon sein.“ Auch in Heidelberg mit einem hohen Anteil ausländischer Wohnheimbewohner zwischen 35 und 40 Prozent ist dieser Effekt spürbar.

Viele Studenten wohnen wieder bei den Eltern

Der Freie Zusammenschluss von Studen*tinnenschaften weist darauf hin, dass die Wohnheime generell nur wenige Prozent des Bedarfs abdecken und - unabhängig von der Pandemie - weitere Investitionen in studentischen Wohnraum nötig seien. Amanda Steinmaus vom Vorstand des Verbands sagte: „Die Zahl der Bewerber ist geringer, weil es viele sich angesichts der weggebrochenen Nebenverdienstmöglichkeiten nicht leisten können, auszuziehen, oder sie wieder bei den Eltern einziehen müssen - und manche beginnen erst gar nicht mit dem Studium.“ Die Hilfe der Bundesregierung sei nicht ausreichend und komme verzögert, sagte die Lehramtsstudentin. Deshalb falle es den Studenten schwer, zu kalkulieren, ob sie die Miete noch bezahlen können.

In Stuttgart stehen derzeit rund 1300 Interessenten für einen Wohnheimplatz auf der Warteliste - im vergangenen Jahr um diese Zeit waren es 3200. Wer dezentrale Unterbringung nicht scheut, kann sogar gleich eine Bleibe in Esslingen oder Göppingen erhalten. Vereinzelte Studenten kommen derzeit auch im begehrten Stuttgart Mitte zum Zug. Sonst beträgt die reguläre Wartezeit sechs bis acht Monate.

Mehr Leerstand auch in Ulm

Auch die Universität Ulm bleibt von den Corona-Folgen nicht unberührt. Im September rechnet man dort mit einem Leerstand von neun Prozent, üblich sind zwei Prozent. Die Zahl der Bewerber für ein Zimmer oder Appartement ab September und Oktober liegt gut 200 unter dem Vorjahreswert von 839. Studenten, die sich mit einem Zimmer begnügen, werden in diesem Wintersemester zu 80 bis 90 Prozent versorgt - sonst sind es nur 60 Prozent. Der Abteilungsleiter Wohnen, Krizaj, sagte: „Wegen weniger Präsenzveranstaltungen ist auch die Nachfrage geringer. Wer nur ein oder zwei Mal pro Woche an die Uni muss, kann aus dem näheren Umland noch pendeln.“

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Auch die Programme mit Partnerhochschulen im Ausland seien auf Eis gelegt oder die Vorkurse dafür seien verschoben worden. Die Zahl der ausländischen Bewerber zum Wintersemester ist binnen eines Jahres von 193 auf 107 auf gesunken.

Heidelberg will zum Unterricht vor Ort zurück

In Heidelberg ergattert in normalen Jahren nur jeder dritte Bewerber eine Studentenbude. Dort geht man deshalb bei einer Bewerberzahl von gut 4600 nach im vergangenen Jahr 6000 davon aus, dass im Wintersemester anteilig mehr Aspiranten zum Zuge kommen - allerdings nicht alle. Im Wintersemester werde wieder verstärkt Präsenzlehre angeboten, sagte Sprecher Timo Walther. Deshalb werde der Effekt, dass junge Menschen weiter zu Hause online studieren, anstatt nach Heidelberg zu ziehen, wohl nicht eintreten.

In Karlsruhe sieht es ähnlich aus. Nach Worten eines Sprechers des Studierendenwerkes fehlen dort normalerweise rund tausend Zimmer und die Wartelisten seien extrem lang. Das habe sich wegen Corona verändert: „Durch die voraussichtlich deutlich geringere Präsenz am Campus verändert sich die Situation derzeit so, dass wir eine Vollbelegung mit fast keiner oder sehr geringer Warteliste erwarten“, sagte der Sprecher. In Pforzheim würden sogar Leerstände erwartet. Das Studierendenwerk betreibt rund 2300 Wohnheimplätze in der Fächerstadt und rund 500 in Pforzheim.

In Freiburg hingegen herrscht kurz vor Beginn des Wintersemesters eine ähnlich hohe Nachfrage wie im Vorjahr. Auch die Warteliste sei gleich lang, erläuterte eine Sprecherin des Studierendenwerkes. Im Sommersemester allerdings standen zuletzt etwa 200 der 4900 Plätze leer. Momentan seien genauso viele Studenten auf Zimmersuche wie sonst auch. „Zwar sind es weniger internationale Studierende, da viele kein Visum bekommen und ihr Land nicht verlassen können. Dafür kommen Abiturientinnen und Abiturienten vermehrt dazu, die sonst ein Jahr lang Pause vorm Studium gemacht hätten“, sagte die Sprecherin.