Christian Stückl, Regisseur der Oberammergauer Passionsspiele und Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille, kommt am 4. November nach Stuttgart und spricht mit Stadtdekan Søren Schwesig. Foto: dpa/Angelika Warmuth

Die Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit in der Stuttgarter Liederhalle wird von einem umfangreichen Kulturprogramm zum Judentum durch das ganze Jahr begleitet.

Stuttgart - Die Woche der Brüderlichkeit 2021 kehrt zu ihrem Ursprung zurück. In Stuttgart wurde sie im Jahr 1950 von der 1948 gegründeten Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit (GCJZ) aus der Taufe gehoben und wird seither bundesweit begangen. Nun findet die diesjährige Eröffnungsveranstaltung an diesem Sonntag in der Liederhalle statt. Sie steht unter dem Jahresmotto „Zu Eurem Gedächtnis – Visual History“, das die Bedeutung visueller Medien und bildlicher Darstellung für eine eindrückliche Gedenk- und Erinnerungskultur hervorhebt.

Daher wird die Buber-Rosenzweig-Medaille in diesem Jahr an Christian Stückl verliehen, der sich als Regisseur der Oberammergauer Passionsspiele intensiv mit dem Vorwurf des christlichen Antijudaismus auseinandersetzt. Stücke wie „Nathan der Weise“, „Der Kaufmann von Venedig“ oder „Der Stellvertreter“, in denen es um Kirche, Judentum, Rassismus und das Verhältnis der Religionen zueinander geht, sind für den Intendanten des Münchner Volkstheaters fester Bestandteil seines Spielplanes. „Wir freuen uns, dass der Deutsche Koordinierungsrat, Dachverband für mehr als 80 Gesellschaften in Deutschland, wieder einmal Stuttgart für dieses Ereignis ausgewählt hat“, sagt Bürgermeisterin Isabel Fezer, evangelische Vorsitzende und Sprecherin der GCJZ. Denn es ist gleichzeitig Anlass und Auftakt für ein reiches Kulturprogramm über das ganze Jahr hinweg mit mehr als hundert Veranstaltungen zu Themen des Judentums, jüdischer Kultur mit allen Facetten und jüdischer Geschichte und Gegenwart. „Das Jahresmotto hat uns inspiriert“, sagt Fezer. Denn nach wie vor sei es eine der wichtigsten Aufgaben der GCJZ, das Gedenken und die Erinnerung an die Judenverfolgung und den Holocaust wach zu halten und aktuellen antisemitischen und rassistischen Tendenzen Einhalt zu gebieten.

Eine Urkunde aus dem Jahr 321 gilt als ältester Hinweis auf eine jüdische Gemeinde in Köln

Im Zeichen von Corona sei die Programmgestaltung freilich ein Abenteuer mit Ungewissheiten, warnt Fezer. Umso dankbarer sei sie, dass sich so viele Vertreter kultureller Institutionen darauf eingelassen haben. Die Erfahrung, wie viele Kulturschaffende sich dem christlich-jüdischen Dialog widmen und für jüdische Themen aufgeschlossen seien, mache sie „stolz auf unsere Stadt“.

Eine Urkunde Kaiser Konstantins aus dem Jahr 321 gilt als der älteste Hinweis auf eine jüdische Gemeinde in Köln. Dieses Jubiläum 1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland führt zu Vorträgen, Diskussionen und Exkursionen mit höchst aktuellen Themen wie antisemitische Verschwörungstheorien oder Bedrohungen. Einen ebenso breiten Raum nehmen Literatur, die Musik mit großartigen Konzerten, Bildende Kunst, Film und auch Theater ein: Zum Beispiel mit dem Stück „Judas“ von Lot Vekemans, das in verschiedenen Kirchen in der Region und am 31. März auch in der Markuskirche in Stuttgart aufgeführt wird. Oder das erinnerungspolitische Kunst- und Kulturprojekt des Theaters Lokstoff mit dem Fotografen Luigi Toscano: „Gegen das Vergessen“ mahnen im Juni Fotos von Shoah-Überlebenden vor dem Hospitalhof. Mit besonderer Spannung darf der zweite Stuttgarter Auftritt von Christian Stückl erwartet werden: Der Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille kommt am 4. November noch einmal und spricht mit Stadtdekan Søren Schwesig (Hospitalhof, 19 Uhr) über seine Theaterarbeit und seine Haltung: Wie umgehen mit dem christlichen Antijudaismus in Kunst und Musik?

Der Preisträger der Buber-Rosenzweig-Medaille kommt noch einmal nach Stuttgart

Das Programm liegt im derzeit geöffneten Hospitalhof aus und ist unter gcjz-stuttgart.de veröffentlicht.

Corona zwingt zu einer Eröffnung der Woche der Brüderlichkeit im kleinen Kreis, aber in Anwesenheit von Ministerpräsident Winfried Kretschmann, Stuttgarts OB Frank Nopper und den Vorständen der Israelitischen Religionsgemeinschaft Württemberg (IRGW) und der GCJZ. Die Veranstaltung wird jedoch im SWR am Sonntag, 7. März, ab 11.35 Uhr übertragen. Die ARD berichtet ab 23.35 Uhr darüber.