Der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk ist für den Vorsitz des Untersuchungsausschusses im Gespräch. Foto: dpa/Hauke-Christian Dittrich

Ein Untersuchungsaussschuss im Bundestag soll aufarbeiten, wie Wirecard jahrelang windige Geschäfte unter den Augen der Aufsichtsbehörden betreiben konnte. Mit dem Vorsitz wäre die AfD am Zug. Ein Vertreter zumindest einer Partei will das verhindern.

Berlin - Die AfD-Fraktion will sich den Vorsitz im geplanten Wirecard-Untersuchungsausschuss nicht nehmen lassen, der ihr nach den parlamentarischen Gepflogenheiten zustehen würde. „Die AfD-Fraktion beansprucht natürlich den Vorsitz des Parlamentarischen Untersuchungsausschusses, denn dies steht ihr nach parlamentarischer Tradition zu“, sagte der AfD-Abgeordnete Kay Gottschalk der Deutschen Presse-Agentur am Donnerstag in Berlin. Er ist für den Vorsitz des Untersuchungsausschusses im Gespräch.

Gottschalk betonte, es gehe ihm um eine lückenlose Aufklärung, inklusive „aller unangenehmen Wahrheiten, denen sich auch viele in der Bundesregierung stellen werden müssen“, wie er sagte. „Nichts anderes kann das Ziel des Ausschusses sein und dies würde ich als Vorsitzender in dem mir möglichen Rahmen forcieren.“

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Der Linken-Finanzpolitiker Fabio De Masi sagte dem „Handelsblatt“ (Donnerstag), „die Integrität der Ermittlungen“ müsse gewahrt werden, weswegen die AfD einen Kandidaten präsentieren müsse, der über „persönliche Integrität“ verfügt. „Dass die AfD offenbar über solche Kandidaten nicht verfügt, ist ja nicht mein Problem.“

Abgeordnete wollen keinen AfD-Kandidaten akzeptieren

Vertreter anderer Fraktionen schlossen hingegen nicht aus, dass sie auch einen AfD-Kandidaten akzeptieren würden. „Nach den parlamentarischen Gepflogenheiten hat die AfD das Vorschlagsrecht für den Vorsitz in diesem Untersuchungsausschuss. Allerdings gibt es keinen Automatismus, jeden Kandidaten zu wählen“, sagte der CDU-Abgeordnete Matthias Hauer der Deutschen Presse-Agentur. „Wir werden uns den Vorschlag genau ansehen und danach entscheiden. Entscheidend ist, dass der Untersuchungsausschuss die Aufklärung stark vorantreibt - und dabei ist die AfD bislang am wenigsten aufgefallen.“

Der Grünen-Abgeordnete Danyal Bayaz erklärte: „Ich möchte nicht, dass die Frage des Vorsitzes die Arbeit eines Untersuchungsausschusses verzögert, aber die Vorstellung eines AfD-Vorsitzenden löst jetzt bestimmt keine Begeisterung bei mir aus.“ Auch er betonte, die AfD sei bislang „kaum damit aufgefallen“, zur Aufklärung des Skandals beizutragen und betonte, der oder die Vorsitzende müsse „eine Person mit Kompetenz und Integrität“ sein.

Der SPD-Abgeordnete Jens Zimmermann sagte dem „Handelsblatt“: „Gerade in einem Untersuchungsausschuss ist es doppelt schwierig, einer Minderheit etwas vorzuenthalten, das ihr nach parlamentarischen Gepflogenheiten zusteht.“ Er fügte hinzu: „Für die SPD-Fraktion ist aber klar, dass es keinen Automatismus gibt, bestimmte Personen zu wählen.“

Untersuchungsausschuss kann noch im September eingesetzt werden

Der FDP-Abgeordnete Florian Toncar sagte der dpa, man solle die politische Bedeutung des Ausschussvorsitzes nicht überschätzen. „Es geht nicht um Einzelpersonen, sondern darum, die Fehler in der Aufsicht schonungslos aufzuarbeiten und die richtigen Lehren aus diesem beispiellosen Kontrollversagen zu ziehen. Darauf kommt es an.“ Von der AfD habe er allerdings in den vergangenen beiden Monaten keine relevanten Beiträge zur Aufklärung der Wirecard-Affäre gesehen.

Der inzwischen aus dem Dax geflogene Münchener Zahlungsdienstleister Wirecard hatte im Juni Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt und in der Folge Insolvenz angemeldet. Die Münchener Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass das Unternehmen seit 2015 Scheingewinne auswies, und ermittelt wegen gewerbsmäßigen Bandenbetrugs. Im Bundestag gibt es eine Mehrheit für einen Untersuchungsausschuss, der womöglich noch im September eingesetzt werden könnte.

Gottschalk ist ehemaliger Vize-Parteichef der AfD. Dass seine erneute Kandidatur auf dem Parteitag im Dezember 2019 scheiterte, führen Beobachter auf seine bisweilen deutliche Kritik am Stil der Rechtsaußen-Strömung um den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke zurück. Er hatte dem Höcke-Flügel 2019 vorgeworfen, er habe in einigen West-Landesverbänden der Partei eine „Schneise der Verwüstung“ hinterlassen. Obwohl Gottschalk den „Gemäßigten“ in der AfD zugerechnet wird, versucht er bei Parteiveranstaltungen gelegentlich auch mit krassen, populistischen Äußerungen zu punkten.