Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) im Landtag. Foto: dpa/Marijan Murat

In der ZDF-Talkrunde „Markus Lanz“ verteidigt Winfried Kretschmann Baden-Württembergs avisierten Kurs der schrittweisen Öffnung von Kitas und Grundschulen. Den Vorwurf des Sonderweges weist der Ministerpräsident weit von sich.

Stuttgart - Bis vor Kurzem passte zwischen Winfried Kretschmann und Angela Merkel in der Corona-Strategie kaum ein Blatt. Beim Thema Schul- und Kitaöffnungen änderte sich das. Am Mittwochnachmittag wollen der grüne Landeschef und seine Kultusministerin verkünden, ob die Kitas und Grundschulen im Südwesten von Montag an schrittweise wieder öffnen – aus Sicht der Kanzlerin wäre das verfrüht. In der Talkrunde von ZDF-Moderator Markus Lanz hat Baden-Württembergs Ministerpräsident am Dienstagabend das Vorgehen seiner Landesregierung verteidigt.

„Wir hatten das längst besprochen aufgrund der Informationen, die wir von Virologen und Epidemiologen hatten. Wir haben uns ja schon sehr früh mit einer Kinderstudie damit beschäftigt: Was ist eigentlich mit den ganz Kleinen, also den bis zu Zehnjährigen?“ Ergebnis der Studie sei gewesen, „dass die weniger angesteckt werden und weniger anstecken.“ Kretschmann, und auch seine Kultusministerin Susanne Eisenmann, beziehen sich dabei unter anderem auf eine Studie über die Bedeutung von Schulen für die Ausbreitung des Coronavirus, die die Landesregierung im Frühjahr bei mehreren Unis in Auftrag gegeben hatte. Inzwischen gibt es aber auch Untersuchungen, die zu anderen Ergebnissen kommen.

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Kretschmann sagte, zwar könne in der Pandemie nicht jede Interessensgruppe eine Extrawurst verlangen. „Aber bei den Kindern, bei den Kleinsten, da wiege ich mit der Goldwaage.“ Das hätten die Kinder verdient, und die pandemische Lage gebe das her. „Bei den Kleinen wiegt man mit der Goldwaage, bei den anderen mit der Viehwaage.“

„Was wir jetzt vorhaben, machen andere Länder schon immer“

„Das was wir jetzt vorhaben, machen andere Länder schon immer – wie zum Beispiel Hessen oder Niedersachsen“ betonte Kretschmann. „Ich bin in ein komisches Licht geraten, weil ich die Schulen und die Kindertagesstätten konsequent geschlossen habe. Andere hatten sie schon immer so auf, wie wir das jetzt planen.“ Er habe sich „eins zu eins“ an den Beschluss der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin gehalten.

„Wir öffnen nicht sofort die ganze Grundschule“, erklärte der Landeschef seinen Plan. „Die Hälfte der Kinder kommen in die Klassen, so dass die Infektionsgefahr sehr viel geringer ist.“

„Es waren immer ganz kleine Abweichungen“

In den meisten und wichtigsten Fragen seien die Ministerpräsidentenkonferenz und Kanzlerin Merkel stets zusammengeblieben, sagte Kretschmann weiter – jetzt sichtlich genervt von Lanz’ wiederholtem Nachfragen. „Es waren immer ganz kleine Abweichungen - ich weiß nicht, warum man das so aufbauscht.“ Der Ton des Ministerpräsidenten wurde dann auch gereizter: „Jetzt wird schon wieder über die Schulen geredet – es geht nur um die Grundschulen!“, rief der Ministerpräsident beinahe in die Kamera. „Alle anderen bleiben geschlossen, da sind sich alle einig.“ Kitas und Grundschulen seien nicht „das Problem dieser Pandemie“. Man müsse nicht bei jeder „kleinen Abweichung“ so tun, „als seien da Schurken am Werk, das ist nicht der Fall“, beklagte Kretschmann.

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Dass er in Stuttgart von vorsichtigen Öffnungen für jüngere Kinder sprach, praktisch zeitgleich zu Merkels Verkündung in Berlin, die Schulen blieben bis Mitte Februar zu, „das war wirklich ungünstig“, gab Kretschmann aber auch zu.

„Wir verimpfen das, was wir bekommen“

Gefragt nach der aktuellen Lage bei den Impfungen in Baden-Württemberg, antwortete Kretschmann: „Wir verimpfen das, was wir bekommen, aber wir halten konsequent 50 Prozent zurück, damit jeder sicher sein kann, dass er auch zum zweiten Mal geimpft wird.“ Nur bei zwei Impfungen entstehe der vollständige Schutz. „Wenn die Immunität nicht voll da ist, ist die Gefahr größer, dass Mutanten entstehen, die gegen die Impfung Resistenzen aufweisen und das wäre ja wirklich ein Gau. Darum machen wir das sehr konsequent und liegen so sichtbar hinten.“ Andere Bundesländer haben im Vergleich schon deutlich mehr Einwohner geimpft als der Südwesten.

Moderator Lanz hakte nach: Wurden bei der Bestellung der Impfdosen Fehler gemacht? Kretschmanns Antwort: „Jetzt da hinterherzujammern bringt keine einzige Impfdosis mehr. Wir müssen gucken, dass wir das was wir haben, verimpfen und die Bundesregierung und die Europäische Union müssen dafür sorgen, dass Impfstoff nachgeliefert wird, dass die Verträge eingehalten werden – mehr kann man nicht machen.“ Baden-Württembergs Ministerpräsident bemühte sich, Zuversicht zu verbreiten: „Wir sollten uns freuen, dass wir den Impfstoff haben – schon nach einem Jahr – denn das ist das Licht am Ende des Tunnels.“ Kretschmann lobte die „gigantische Leistung“ der Wissenschaft. „Dass es da jetzt ein paar Pannen gibt, ist natürlich höchst bedauerlich, aber ich kann’s nicht ändern.“