Sie spielen mit Holzwolle, spielen Fangen, schaukeln oder ruhen aus. Die Tiere, die mit uns ganz nah verwandt sind, die Bonobos in der Wilhelma. Ein Besuch im Affenhaus.
„Mich fasziniert die Verhaltensähnlichkeit, man erkennt sich und die Tiere erkennen einen“, sagt Kerstin Ludmann, Kuratorin der Menschenaffen in der Wilhelma. An diesem regnerischen Tag kniet sie vor der Scheibe und winkt der Jüngsten der Affengruppe, Kila. Sie ist im Dezember 2023 geboren worden und hat einen Ast in der Hand, mit dem sie spielt. Die älteren Bonobos zeigen ihr, was sie damit machen kann, nämlich aus der Stocherbox an Essbares kommen. „Damit imitieren wir ihr natürliches Verhalten, in Termitenhäufen zu stechen“, sagt Ludmann. Kila kommt auf einmal ganz nah an die Scheibe. Ludmann strahlt. Und nicht nur sie, auch ein kleines Kind nebenan, das ebenso dicht aufrecht an der Scheibe steht. Deren Mutter erklärt ganz begeistert: „Schau, das ist ein Affenbaby. Es ist auch so klein wie Du“. Kind und Kila betrachten sich gegenseitig.
Ludmann freut sich über die Interaktion zwischen den Affen, den Bonobos, die unsere nächsten Verwandten sind, und den Besuchern. Und auch internationale Studierende kommen regelmäßig in den Stuttgarter Zoo. Eine Studentin untersucht gerade wissenschaftlich die Mutter-Kind-Beziehungen bei den Bonobos in der Wilhelma. Der ältere Bruder von Kila trinkt noch bei der Mutter, die vier Jungtiere hat. Da wird nun geschaut, wie sich Mutter Liboso mit den anderen Jungtieren verhält und ob Erstgebärende vorsichtiger und ängstlicher seien.
Zudem gibt es eine andere Studentin, die die Kommunikation der Menschenaffen am Beispiel der Bonobos untereinander wissenschaftlich untersucht. Später wird sie in den Kongo reisen und dort den Vergleich machen zum Verhalten der Bonobos in freier Natur.
Internationaler Austausch über aktuelle Haltungsrichtlinien
Ludmann hat als Kuratorin die wissenschaftliche Obhut über die Tiergruppe der Menschenaffen, die es in der Wilhelma seit 67 Jahren gibt und die seit 2013 im neu gebauten Menschenaffenhaus mit Außenanlagen leben. Sie ist auch Kuratorin für die afrikanischen Tiere der Felsengruppe (Klippschliefer und Dscheladas) und auf dem Asiatischen Bauernhof. „Ich tausche mich international über die aktuellen Haltungsrichtlinien aus“, sagt die 42-Jährige, die seit 2010 in der Wilhelma tätig und seit Mitte 2021 Kuratorin ist: „Es ist mein Traumjob im Zoo“, sagt die Biologin, die in Bayreuth studiert hat und ursprünglich aus Franken stammt, und jetzt vom Beruf der Kuratorin begeistert ist.
Tägliche Verhaltensforschung der Pfleger und Studierender
Ludmann führt zugleich die digitale Tierkartei, in der Herkunft, besondere Merkmale, Narben, Namen, Geburtsdaten der Eltern vermerkt sind. Auch gibt es noch aus Anfangszeiten eine handschriftliche Tierkartei, die gepflegt wird mit Beobachtungen. „Die Pfleger machen die Verhaltensforschung. Sie wissen, wer mit wem zusammensitzt. Das wird täglich beobachtet.“ Die 42-Jährige ist auch regelmäßig im Menschenaffenhaus.
Ernährung der Menschenaffen heute ohne Zucker
Sie ist auch verantwortlich, wenn beispielsweise der Futterplan angepasst wird. Und da räumt sie gerne mit Vorurteilen auf: Affen bekommen hiesige Bananen, die viel süßer sind als die Urbananen, nur als Leckerli, etwa für Medikamente wie die Pille. So wird geschaut, dass die Tiere möglichst lang gesunde Zähne haben und möglichst keinen Zucker bekommen, sondern Gemüse, Nüsse, Laub und ballaststoffhaltiges Futter. „Die heutige Ernährung der Menschenaffen ist anders als vor 30 Jahren“, sagt Ludmann. Heute werden Alt und Jung auch Pellets gegeben, die aus Ballaststoffen, Mineralien und viel Rohfaser bestehen. Die 30 Jahre alte Bonobo-Frau Chipita bekommt täglich einen Proteinshake.
Derzeit Zuchtstopp bei Bonobos und Gorillas
Über die quirligen Bonobos hat das Europäische Erhaltungszuchtprogramm EEP im Frühjahr einen Zuchtstopp verhängt. Deshalb bekommen die gebärfähigen Weibchen derzeit die Pille. Der Grund: Es gebe zu wenige Halter, die nur begrenzt Platz haben, sagt Ludmann. Bonobos werden nur in elf Zoos in Europa gehalten. Die Situation werde regelmäßig überprüft und aktualisiert.
Bei den Gorillas hält die Wilhelma derzeit acht Tiere, ein Harem mit dem 35 Jahre alten Silberrücken Kibo und 24 Bonobos in drei Gruppen zu je acht Tieren, zwölf Männchen und zwölf Weibchen. Bei den Bonobos haben die Frauen die Hosen an, weiß Ludmann. „Die Weibchen organisieren sich und zeigen dem Männchen, wo der Hammer hängt.“ Hier herrscht ein Matriarchat. Die meisten der Affen in der Wilhelma stammen aus anderen Zoos, ein paar aus Wildfängen, die über Zoos herkamen. Kombote sei ein Wildfang, die Matriarchin sei 58 Jahre alt und eine große Streitschlichterin, weiß Ludmann. Sie spiele auch gern mit den Jüngeren.
Neben den beiden Menschenaffenarten gibt es noch die Totenkopfäffchen im Menschenaffenhaus. Sie haben den Platz bekommen, in dem bis 2017 der Gorillakindergarten war. Übrigens, die Bonobos können die Besucher nicht nur sehen, sondern auch hören und Gerüche wahrnehmen. Das soll mehr Verständnis bei den Menschen hervorrufen, so Ludmann. Das älteste Affen-Weibchen ist Gorilladame Mimi, die dieses Jahr 60 Jahre in der Wilhelma ist. Sie kam mit zwei oder drei Jahren in den Stuttgarter Zoo. Doch es gab keine Jubiläumsorte. „Da wollen wir uns abgrenzen. Man muss die Balance finden, die Tiere sind uns ähnlich, aber keine Menschen.“ Lieber kläre der Zoo auf, wo er sich für diese bedrohten Tiere im Artenschutz einsetze.
Mehr erfahren die Besucher jeden Tag um 13.30 Uhr im Menschenaffenhaus der Wilhelma. Dort beantworten Pfleger Fragen der Besucher beim Wilhelma-Talk.