Auch höhere Weidetierzäune, wie hier in Gäufelden, bieten keinen hundertprozentigen Schutz vor Wölfen. Foto: factum//Simon Granville

Jetzt erhalten Schäfer die gesamten Aufwendungen ersetzt, wenn sie wegen des Wolfes höhere Zäune errichten müssen. Das ist ein wichtiger Schritt für die Akzeptanz dieser Tierart in Baden-Württemberg.

Stuttgart - Für viele Schäfer und andere Nutztierhalter war es ein großes Ärgernis gewesen: Sie mussten mit der Bedrohung leben, dass ein Wolf ihre Tiere reißt – und zugleich hatten sie deutlich höhere Kosten und mussten mehr arbeiten, um ihre Zäune einigermaßen wolfssicher zu machen. Nun hat das Land seine Landschaftspflegerichtlinie geändert und fördert von sofort an Zäune zu 100 Prozent – wenn ein Schäfer also einen neuen Zaun kaufen muss oder einen bestehenden verbessern, erhält er die Kosten vollständig ersetzt.

Zudem darf er auch 50 Prozent der angefallenen Arbeitszeit abrechnen und zwar selbst dann, wenn er den Zaun selbst aufgestellt hat. Bei dauerhaften Zäunen, wie sie etwa bei Wildgehegen für Damhirsche errichtet werden, übernimmt das Land sogar 100 Prozent der Arbeitskosten. Wer als Schäfer einen speziellen Herdenschutzhund anschafft, erhält jährlich 1920 Euro als Kostenersatz.

Gibt es bereits den zweiten sesshaften Wolf im Land?

Allerdings: Diese Regelung gilt im Moment nur für den Nordschwarzwald, wo sich seit November 2017 der Wolfsrüde GW 852 fest etabliert hat. Das Tier stammt aus dem Schneverdinger Rudel in Niedersachsen. Im Nordschwarzwald haben aber viele Nutztierhalter schon in den vergangenen drei Jahren auf den Wolf reagiert und Maßnahmen ergriffen. Bisher förderte das Land die Kosten mit 90 Prozent, aber keine Arbeiten in Eigenregie.

Womöglich kommt bald eine weitere sogenannte „Förderkulisse Wolfsprävention“ dazu, innerhalb derer die hohen Fördersätze gelten. Denn rund um den Schluchsee im Südschwarzwald war seit November 2019 mehrfach ein weiterer Rüde mit der Bezeichnung GW1129 festgestellt worden; nach sechs Monaten dauerhafter Präsenz, also im Mai dieses Jahres, hätte das Land eine weitere „Förderkulisse“ eingerichtet. Jedoch konnte das Männchen, das ebenfalls aus dem Schneverdinger Rudel zugewandert war, seit April nicht mehr sicher nachgewiesen werden. Es könnte aber durchaus weiter im Südschwarzwald leben: Zumindest einen weiteren Nachweis eines Wolfes in der Gegend gibt es vom 17. Mai; auf dem Foto ist das Tier aber nicht eindeutig zu identifizieren. Insgesamt konnten seit der Rückkehr des ersten Wolfes nach Baden-Württemberg im Juni 2015 sieben verschiedene Individuen sicher bestimmt werden. Nur GW 852 (GW steht übrigens für Grauwolf) ist aber bisher eindeutig im Land geblieben.

Wolf und Schäferei – beides ist Naturschutz

Gerade die Schäfer stehen sowieso unter wirtschaftlichem Druck, weshalb immer mehr Betriebe aufgeben. Für den Naturschutz sind die Schafe (und Ziegen) aber von überragender Bedeutung, da nur mit ihnen viele extensive Wiesen und Naturschutzgebiete behutsam bewirtschaftet werden können. „Für den Erhalt unserer einzigartigen und artenreichen Kulturlandschaft brauchen wir die Weidehaltung“, sagte deshalb Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) bei der Vorstellung der neuen Fördersätze. Daher sei es wichtig, die Halterinnen und Halter von Schafen und Ziegen darin zu unterstützen, die mit der Rückkehr des Wolfs verbundenen Herausforderungen zu meistern.

Für Alfons Gimber, den Vorsitzenden des Landesschafzuchtverbandes Baden-Württemberg, sind die höheren Fördersätze ein bedeutender Fortschritt. Aber Zäune seien, egal wie hoch sie gebaut würden, nie ganz sicher – und gerade im Schwarzwald mit den steilen Hängen habe es ein Wolf einfacher, von oben her in das Gatter zu springen. Für ihn wäre ein wichtiger Punkt, dass man Wölfe, die nachweislich auch die höheren Zäune überspringen, entnehmen, sprich: abschießen dürfte. „Dann könnte die Koexistenz von Wolf und Schaf funktionieren“, sagt Gimber.

Bundesamt: Große Teile Deutschland sind Wolfsland

Die höheren Fördersätze dürften aber tatsächlich ein wichtiger Schritt sein, damit vielleicht doch der eine oder andere Nutztierhalter seinen Frieden mit dem Wolf macht. Grundsätzlich werden die Verbände aber ihre ablehnende Haltung gegenüber dem Wolf nicht aufgeben. Das zeigt auch die Reaktion der Vereinigung Deutscher Landesschafzuchtverbände und des Bundesverbandes Deutscher Ziegenzüchter vor Kurzem auf eine neue Studie des Bundesamtes für Naturschutz (BfN). Die Behörde hat in einer „Habitatmodellierung“ festgestellt, dass in Deutschland Platz für 700 bis 1400 Wolfsreviere bestünde – bisher gibt es rund 150 (das bedeutet einige hundert bis maximal 1000 Tiere). Es sei festzuhalten, heißt es in der Studie, „dass je nach Modell und Schwellenwert große Teile Deutschlands geeignete Lebensräume für mögliche Wolfsterritorien aufweisen.“ Das sei für die Nutztierhalter ein Affront, wie Gimber es ausdrückt. Man nehme diese Studie „mit großer Verwunderung“ zur Kenntnis, betonten die Vorsitzenden der beiden genannten Verbände Gimber und Bernd Merscher. Gimber wünscht sich, dass es endlich eine Diskussion darüber gebe, wie viele Wölfe unser Land wirklich vertragen könne – und nicht darüber, wie viele Wölfe grundsätzlich das Land besiedeln könnten.