Weiße Linien auf dem Boden markieren bei Jonny M., wo mit Abstand trainiert werden darf. Foto: Miess

In Fitnessstudios werden Streifen auf dem Boden geklebt und Geräte verschoben. Nach Pfingsten soll’s losgehen. Wie trainiert man ohne Risiko? Wir sprachen darüber mit Marktführer Joan Miess, dem Chef von zehn Jonny M.-Studios.

Stuttgart - Wann dürfen die Fitnessstudios in Baden-Württemberg wieder öffnen? Nur so viel ließ Ministerpräsident Winfried Kretschmann bisher verlauten: „nach Pfingsten“. Ein genauer Starttag ist nicht bekannt. Die meisten Betreiber der Trainingsclubs stehen in den Startlöchern und haben alles vorbereitet, damit es ruckzuck unter Beachtung der Hygieneregeln losgehen kann.

Joan Miess, der mit zehn Studios unter dem Namen Jonny M. und mit über 30-jähriger Berufserfahrung Marktführer in Stuttgart ist, hofft, dass spätestens am 15. Juni seine Kunden wieder was für ihre Gesundheit tun dürfen. Theoretisch könnte dies bereits am 2. Juni sein, am Dienstag nach Pfingsten. Eines aber ist schon jetzt klar: Nichts wird mehr so sein, wie es war.

Künftig sind Duschen und Saunen gesperrt

Miess ließ bereits Abstandsstreifen auf dem Boden seiner Studios anbringen, Trainingsgeräte auseinanderrücken oder ganz absperren. „Wir haben immer noch keine Anweisungen vom Land bekommen, was erlaubt ist und was nicht“, sagt der Studiobesitzer. Deshalb schaut er nach Nordrhein-Westfalen, wo die Fitnessfreunde bereits seit Montag im Innenbereich ran an Gewichte und auf Laufbänder dürfen. Ähnliche Vorschriften wie dort erwartet der Stuttgarter für die Betreiber in Baden-Württemberg.

Künftig werden Duschen und Saunen gesperrt. Besucherinnen und Besucher müssen umgezogen in die Studios kommen, dürfen nur die Straßenschuhe aus- und Sportschuhe anziehen. Umkleideräume sind in aller Regel geschlossen, möglicherweise werden sie nur genutzt, um Wertsachen einzuschließen. „Jeder muss ein großes Handtuch mitbringen“, kündigt Miess an. Handtuchpflicht galt schon zuvor. Doch jetzt muss der Stoffschutz wesentlich größer sein und das gesamte Gerät bedecken. Getränke dürfen nicht ausgeschenkt werden – man muss sie von daheim mitbringen.

Das Training soll „moderat“ sein, nicht allzu hart

Kurse sind nur erlaubt, wenn jeder Besucher zehn Quadratmeter für sich allein hat und der Abstand zu den anderen mindestens anderthalb Meter beträgt. Das Personal wird immer wieder kontrollieren, ob die Hygienevorschriften beachtet werden. Während die Beschäftigen Atemschutz und Handschuhe tragen, wird es wohl den Kunden freigestellt, ob sie dies ebenso tun. Sie müssen die Geräte jedenfalls selbst desinfizieren. Alle werden zum „moderaten Training“ aufgefordert, die Übungen sollen „nicht zu hart“ sein.

Für Trainingszeiten in der Rushhour muss man sich anmelden, weil nur eine bestimmte Anzahl von Sportlern gleichzeitig im Studio sein darf. Jeder muss sich mit seiner Unterschrift einverstanden klären, dass die Daten über Trainingszeiten und Namen im Fall einer Corona-Infizierung ans Gesundheitsamt weitergegeben werden dürfen. Für die Kunden von Jonny M. wird das Training künftig billiger, weil hier die Pauschale für Getränke wegfällt. Bei anderen Studios gibt es einen Einheitspreis, weshalb sich die Kunden angesichts der eingeschränkten Leistungen auch dort nach Ermäßigungen erkundigen können. „Wir werden nicht teurer, auch wenn gleichzeitig unser Personalaufwand für die Kontrolle und Erfassung der Daten wächst“, verspricht Miess. Auch bei seiner Konkurrenz rechnet er nicht mit steigenden Preisen. Die angefallenen Abogebühren in der Zwangspause sollten „kompensiert“ werden. Ein Sonderkündigungs- oder Rücktrittsrecht besteht aufgrund der Corona-Pandemie aber nicht.

„Gerade nach den Lockerungen sollte man etwas für seine Gesundheit tun“, findet Joan Miess. Sehr viele Fitnessclubs sind Familienbetriebe, worauf Birgit Schwarze, die Präsidentin des Arbeitgeberverbands deutscher Fitness- und Gesundheitsanlagen, hinweist: „Da wurden große Investitionen getätigt, weshalb viele Betreiber wirtschaftlich gesehen mit dem Rücken zur Wand stehen.“ Fast zwölf Millionen Deutsche besuchen nach der Statistik des Verbandes mehr oder weniger regelmäßig die rund 9700 Fitnessstudios im Land. Der durchschnittliche Monatsbetrag lag im vergangenen Jahr bei 42,60 Euro. Wenn man den anderen im Fitnessstudio mit respektvollem Abstand begegne, findet Birgit Schwarze, sei das Risiko, sich hier anzustecken, nicht größer als beim Einkaufen im Supermarkt. Neukunden konnten in der Zwangspause nicht geworben werden, während etliche Altkunden ausgeschieden sind.

Was ist mit Kunden, die aus Angst vor einer Ansteckung auch nach der Öffnung nicht kommen? „Man weiß nicht, wie die Leute reagieren“, sagt Miess, „aber sehr viele können es nicht erwarten, endlich wieder trainieren zu gehen.“ Zusammensitzen bei Kaffee während oder nach dem Training, das wird es nicht mehr geben.

„Viele Betreiber stehen mit dem Rücken zur Wand“

Wer einen Vertrag hat, kann nur dann die Zahlung stornieren, wenn das Studio geschlossen ist und deshalb die vereinbarten Leistungen nicht erbringen kann. Wenn aber das Training möglich ist, muss gezahlt werden. Der Chef von Jonny M. glaubt, dass in der Fitnessbranche nun einiges in Bewegung gerät. „Bei uns wird es künftig ein monatlich kündbares Abo geben“, kündigt er an.

Die ersten Studios führen monatlich kündbare Abos ein