Im nächsten Schuljahr sollen möglichst viele Schüler möglichst oft Präsenzunterricht haben. Aber das ist schwer zu organisieren – deswegen sollen Studenten aushelfen. Foto: contrastwerkstatt - stock.adobe.com/Philipp von Ditfurth

Kultusministerin Susanne Eisenmann ist ganz dagegen, Lehramtsstudierende wegen Corona als Verstärkung an die Schulen zu holen. In der Schulszene gibt es trotzdem Anhänger der Idee – und im Kabinett auch.

Stuttgart - Zwar haben die Ministerpräsidenten der Länder und ihre Kultusminister inzwischen angekündigt, dass nach den Sommerferien der „Regelbetrieb“ an den Schulen wieder aufgenommen werden soll. Doch kaum war die Sache veröffentlicht, wurde auch schon klar, dass – gemessen an der früheren schulischen Normalität – auch das kommende Schuljahr Corona-Lücken aufweisen wird. Dass der volle Stundenplan unterrichtet wird, ist zwar der Wunsch und das erklärte Ziel der Schulpolitik auch in Baden-Württemberg. Aber sowohl Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) als auch Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) erklären mittlerweile übereinstimmend, dass nicht genügend Lehrer zur Verfügung stehen, um das volle Schulprogramm anzubieten. Der Grund: Der Anteil der Lehrer, die unter Corona-Bedingungen zu einer Risikogruppe zählen, wird im Südwesten auf 20 Prozent beziffert – das sind etwa doppelt so viele, wie im Bundesdurchschnitt.

Wie die Schulbehörden unter diesen Bedingungen möglichst viel Präsenzunterricht ermöglichen können, ist deshalb eine Schlüsselfrage zur Schulwirklichkeit nach den Ferien. „Je mehr Lehrer wir haben, die in der Schule unterrichten können, desto weiter werden wir kommen“, hat der Stuttgarter Regierungschef in einem Interview mit unserer Zeitung lapidar erklärt. Es wird aber auch über mögliche Alternativen diskutiert, wie die Zahl der unterrichtsfähigen Pädagogen erhöht werden kann. Dass Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bei ihrer Parteifreundin, der Stuttgarter Kultusministerin Eisenmann, mit ihrem Vorstoß, Lehramtsstudenten als Verstärkung an die Schulen zu holen, auf taube Ohren stößt, beeindruckt andere Akteure im Land wenig.

Gewerkschaftschefin und Lehrer würden Studierende gern in die Schulen holen

Als ausgesprochene Anhängerin von Karliczeks Idee hat sich die Landeschefin der Lehrergewerkschaft GEW, Doro Moritz, gegenüber unserer Zeitung geäußert. „Wir finden es gut, wenn Lehramtsstudenten gegen Bezahlung während der Corona-Krise zur Unterstützung an die Schulen geholt werden“, betonte die Gewerkschafterin. „Bei denen brechen Studentenjobs weg, die sie mit einem Einsatz als Hilfslehrer kompensieren können, und sie gewinnen praktische Erfahrungen im Unterricht. Das halte ich für eine Win-win-Situation.“

Matthias Wagner-Uhl, der Vorsitzende des Vereins der Gemeinschaftsschulen im Land, sieht in der Absage Eisenmanns an die Initiative „eine vertane Chance“. Er sieht den Einsatz von Lehramtsstudierenden als „wertvollen Beitrag zur langfristigen Steigerung der Schulqualität“ und für die Studenten als eine wichtige Möglichkeit, „während des Studiums im Echtbetrieb Schulluft zu schnuppern“.

Dabei geht es Wagner-Uhl nicht nur um die Überbrückung von Personalengpässen, sondern vor allem um den stärkeren Praxisbezug schon während des Studiums, den Schulpraktiker bereits seit vielen Jahren forderten. „Jetzt wäre der Moment, diesen Schritt endlich zu gehen und die kommende Generation mit den Aufgaben und den Herausforderungen der Profession vertraut zu machen“, meint Wagner-Uhl.

Ministerin wirbt für möglichst viel Praxiserfahrung schon im Studium

Wissenschaftsministerium Theresia Bauer (Grüne), deren Haus für die einschlägigen Lehramtsstudiengänge zuständig ist, reagiert mit zurückhaltender Offenheit auf die Anfrage. „Für die Frage, ob Lehramtsstudierende – unsere Lehrer von morgen – bereits heute an Schulen Unterstützung leisten können im Unterricht oder bei der Betreuung der Schülerinnen und Schüler, ist das Kultusministerium zuständig“, betont Bauer. „Wenn dieser Bedarf gesehen wird, ist das Wissenschaftsministerium offen und sehr gerne gesprächsbereit.“ Sie sei überzeugt, „dass die Lehrer von morgen schon im Studium möglichst viel Praxiserfahrung sammeln sollten. Die ohnehin vorgesehene Praxisphasen könnten in dieser Ausnahmesituation sicher flexibler gehandhabt werden. Von einem Einsatz profitieren beide Seiten, Schulen wie Studierende.“

Schulministerin Susanne Eisenmann dagegen hält die Idee, die Lehrerschaft mit Hilfe von Lehramtsstudierenden zu verstärken, für „unausgegoren“ und „wenig praxistauglich“, wie sie gegenüber unserer Zeitung erklärt hat. Sie setze auf „Profis, die auf die persönlichen Lernbedürfnisse der Schüler professionell reagieren können.“