Plastik und Mikroplastik lagert sich nicht nur an Stränden ab, sondern auch in den Körpern von Lebewesen. Foto: imago/imagebroker

Winzige Kunststoffteilchen, sogenanntes Mikroplastik, ist überall in unserer Umwelt zu finden und reichert sich dort an, sogar im menschlichen Körper. Das sind die Folgen.

Wer bei Google „Kunststoff Einsatzgebiet im Alltag“ eingibt, bekommt als Antwort eine fast endlose Aufzählung. Es ist deshalb nicht besonders überraschend, dass große Mengen kleinster Kunststoffteilchen, sogenanntes Mikroplastik, gerade mal 0,0001 Millimeter bis 5 Millimeter groß, und die noch kleinere Ausführung in Nanogröße, also circa 800-mal dünner als ein menschliches Haar, zwangsläufig überall in der Umwelt zu finden sind. Winde und Wasser verteilen sie über die gesamte Erde, hinauf auf die höchsten schneebedeckten Bergkuppen und hinab bis in den tiefsten Ozeangraben.

Man findet es in den Mägen von Meeressäugern, die deshalb grausam verhungern müssen. Über Lebensmittel, Wasser und Luft gelangt es in den menschlichen Körper. Es wurde im Kot von Erwachsenen und – sogar zehnmal häufiger – in jenem von Babys nachgewiesen.

Forscher befürchten schon seit einigen Jahren eine Gefährdung der Gesundheit. Zu Recht, wie diverse Forschungsergebnisse andeuten. Wo bleiben diese Stoffe im Körper, wenn sie nicht mit dem Kot ausgeschieden werden? Sie lagern sich ins Gewebe ein. Charles Rolsky und Varun Kelkar von der US-amerikanischen Arizona State University haben 47 menschliche Gewebeproben (Niere, Lunge, Milz, Fettgewebe und Leber) untersucht. In allen Proben konnten sie Mikro- und Nanoplastik sowie das als Weichmacher beigemischte Bisphenol A nachweisen. Bisphenol A ist ein hormoneller Schadstoff, der bereits in winzigen Mengen in unseren Hormonhaushalt eingreifen und beispielsweise die Sexualentwicklung stören kann. Er ist in vielen Alltagsgegenständen enthalten, etwa in Babyschnullern, Plastikgeschirr, Konservendosen und Thermopapier (zum Beispiel in Kassenbons).

PET-Kunststoff kommt besonders oft in Blutproben vor

Kunststoffteilchen können auch in die menschliche Blutbahn gelangen, wie aktuelle Studienergebnisse belegen. Ein Forscherteam der Freien Universität Amsterdam entdeckte Mikroplastik, als sie Blutproben von 22 anonymen Spendern auf Plastikrückstände untersuchten. In 17 der 22 Blutproben wurden sie fündig. Besonders oft vertreten war PET-Kunststoff, der beispielsweise für die Herstellung von Textilfasern, Getränkeflaschen und Folien eingesetzt wird. Weiterhin Polystyrol, das in Lebensmittelverpackungen wie zum Beispiel in Joghurtbechern und Blister-Verpackungen verwendet werden darf, und Polyethylen, aus dem Folien, Gefrierbeutel, Joghurtbecher und Plastiktragetaschen bestehen.

Bereits bekannt ist auch, dass die Kunststoffteilchen negative Effekte auf den Stoffwechsel bestimmter Immunzellen, der Fresszellen, haben. Ihre Aufgabe ist, im Körper auf Bakterien und tote Zellen zu lauern, um sie sich einzuverleiben und abzubauen. Nehmen die Fresszellen stattdessen Kunststoffteilchen auf, können sie sie nicht verdauen. Das hat aber Folgen: Der Stoffwechsel der Fresszellen verändert sich, und sie produzieren fortan Entzündungsstoffe. Vermutlich sind sie dann für die Immunabwehr auch nicht mehr zu gebrauchen.

Nun, da belegt ist, dass Mikro- und Nanoplastik ins Blut gelangt, bekommen die kürzlich veröffentlichten Ergebnisse von Marburger Forschern eine ganz besondere Wichtigkeit, bei denen auch die Fresszellen eine Rolle spielen. Ihre Studienergebnisse mit Mäusen und Zellkulturen bieten einen kleinen Vorgeschmack darauf, was Mikro- und Nanoplastik auch beim Menschen auslösen könnte.

Das Team aus Gefäßmedizinern, Chemikern und Zellbiologen der Universität Marburg hat kleine Partikel aus dem Kunststoff Polystyrol als Risikofaktor für Entzündungen jener Zellen erkannt, die die Blutgefäße innen auskleiden. Durch Kunststoffteilchen „stimuliert“, bilden sie vermehrt Andockstellen für Fresszellen aus, die wiederum Entzündungsbotenstoffe freisetzen. Offenbar kommt es dann zu Symptomen wie bei einer bakteriellen Infektion.

Kunststoffteilchen sammeln sich in der Leber

Welche genauen Folgen dies für die Blutgefäße hat, soll eine nachfolgende Studie zeigen. Die Forscher untersuchten auch die Leber der für die Versuche eingesetzten Mäuse genauer. Dabei stellten sie fest, dass sich die Kunststoffteilchen in diesem Organ angesammelt und eine Entzündung verursacht hatten.

Ob sich die Ergebnisse von der Maus auf den Menschen 1:1 übertragen lassen, müssen weitere Untersuchungen zeigen. Es gibt also noch viel Forschungsbedarf. „Wir haben gerade erst begonnen, an der Oberfläche all jener Probleme zu kratzen, vor die uns Mikroplastik stellt“, so Varun Kelkar. Was bislang aber schon bekannt ist, legt doch nahe, dass wir viel bewusster im Umgang mit Kunststoff werden sollten.

So meidet man Mikroplastik

Kinder
Statt Spielzeug aus Plastik solches aus Holz kaufen. Keine plastikhaltigen Babyfläschchen und Beißringe verwenden. Silikonsauger für Babyfläschchen regelmäßig erneuern.

Trinken und Essen
Mineralwasser besser in Glas- anstatt in Plastikflaschen kaufen. Konservennahrung meiden: Die Dosen sind die Bisphenol-A-Hauptbelastungsquelle für den Menschen. Lebensmittel sollten nicht in einer Plastikverpackung in der Mikrowelle oder auf dem Herd erhitzt werden. Auch auf den Verzehr von Muscheln sollte man verzichten, denn das Mikroplastik in ihrem Verdauungstrakt wird mitgegessen und landet so im menschlichen Verdauungstrakt.