Die gleiche Stelle bei Siebenknie, im Jahr 2021 und im Dürresommer 2022 fotografiert. Foto: Yannick Garbe

Der Backnanger Hobbymeteorologe Yannick Garbe hat das Wetter mit seinen Stationen und der Kamera im Blick – 2022 waren Temperaturen und Niederschlag in vieler Hinsicht außergewöhnlich.

Das Thermometer zeigt drei Grad, unten im Tal herrschen die Farben schlammbraun und graugrün vor. Allmählich setzt ein leichter Nieselregen ein – nicht gerade das Winterwetter, das man Mitte Januar erwarten könnte. Wird es denn noch was mit Schnee? Das kann auch Yannick Garbe nicht beantworten. Abseits davon ist das Wetter sein absolutes Steckenpferd: Der 34 Jahre alte Backnanger aus dem Ortsteil Steinbach arbeitet hauptberuflich als Chemietechniker – aber seit der gebürtige Oberstenfelder 2004 seine erste Wetterstation zu Weihnachten geschenkt bekam, betreibt er die Meteorologie als Hobby. Sein Wissen – und sein Netz aus Wetterstationen und Messinstrumenten ist seitdem immer größer geworden. Insgesamt sechs Wetterstationen betreibt Garbe in der Region: Zwei in Steinbach, eine in Oberstenfeld, eine in Mundelsheim, eine weitere in Großbottwar und in Erdmannhausen.

Auch wenn der inzwischen zweifache Familienvater seiner Wetterleidenschaft nicht mehr ganz so viel Zeit widmen kann wie noch vor einigen Jahren: Die Technik erledigt viel, ohne dass Garbe etwas tun muss. Seine Stationen, teilweise professionelle, ausgemusterte Stationen des Deutschen Wetterdienstes, zeichnen automatisch Wetterdaten auf, Garbe kann sie live über sein Handy abrufen. Die Daten zu Temperaturen, Wind und Niederschlag erlauben es dem passionierten Wetterforscher, Statistiken zu sammeln – und mit ihnen Erfahrungswerte, wie sich das Wetter auf lokaler Ebene weiter entwickeln könnte. Besonders interessieren ihn dabei extreme Wettersituationen – und davon bot das Jahr 2022 einige.

Im Sommer plagte die Trockenheit vor allem das Backnanger Becken

Zum Beispiel beim Niederschlag: Auf den ersten Blick sieht es so aus, als sei in Sachen Regen alles im Normalbereich gewesen. „Tatsächlich war die Niederschlagsmenge unauffällig – aber nur aufs ganze Jahr gerechnet“, erklärt Garbe. Das liege daran, dass im Frühjahr und Herbst im Rems-Murr-Kreis recht viel Regen gefallen sei. „Auch im Juni gab es hier noch einzelne Gewitter, wo es im Neckarraum schon trocken wurde.“ In der Nacht auf den 1. Juli regnete es dann zum letzten Mal für eine ganze Weile. Besonders hart traf die Trockenheit den Raum Backnang: „Dort fielen im August nur 20 Liter Regen pro Quadratmeter.“ Der Welzheimer Wald sei noch einigermaßen glimpflich davongekommen: „Dort sind es 41 Liter gewesen und selbst das ist nur die Hälfte der Menge, die sonst fällt.“ Noch mehr Pech hatte das Bottwartal, wo nur rund drei Liter Rege fielen. Zum Vergleich zieht Garbe die Daten von benachbarten Stationen des Deutschen Wetterdienstes heran, die über die vergangenen 30 Jahren die Mittelwerte errechnen lassen.

Im Herbst war es mit der Trockenheit vorbei

Das Regenwetter im Herbst und Winter sei für manche zwar ärgerlich, für Bäume und Boden aber ein Segen: „Schon im September fielen dann wieder 125 bis 130 Liter in Backnang und im Welzheimer Wald.“ Der Herbst sei wieder überdurchschnittlich nass gewesen, sodass die statistische Jahresmenge an Regen am Ende doch noch erreicht wurde. Den Effekt habe man zum Beispiel im Wald merken können: „Dort gab es trotz der Trockenheit im Sommer unerwarteterweise Unmengen an Pilzen.“ Die ungewöhnlich warmen Temperaturen im Herbst hätten das zudem begünstigt: „Teilweise hatten wir hier sogar 25 Grad.“

2022 war das wärmste Jahr seit Beginn der Aufzeichnungen

Apropos Temperaturen „Das Jahr 2022 war regional und flächendeckend das wärmste Jahr seit dem Beginn der Aufzeichnungen“, sagt Garbe. „Wir hatten in Kaisersbach beispielsweise über das Jahr gerechnet zehn Grad statt dem Mittelwert von acht Grad – das ist schon eine Ansage.“ Das bisherige Rekordjahr 2018 sei nicht so warm gewesen. Am 4. August erreichte die Hitzewelle ihren Höhepunkt: Im Schwäbischen Wald kletterte das Thermometer an diesem Tag auf 35,4 Grad, in Backnang waren es sogar 37,7 Grad. Im Jahr 2022 gab es in Backnang 83 statt der sonst üblichen Tage, an denen die Temperatur über 25 Grad klettert. Und heißer als 30 Grad wurde es dort an 30 Tagen – statistisch normal wären zehn gewesen.

Die warmen Temperaturen wirkten sich natürlich auch auf den Winter aus. Während es in der Woche kurz vor Weihnachten noch nach einem verschneiten Fest ausgesehen hatte, war die Hoffnung bald dahin. Auch das Jahr 2023 begann außergewöhnlich warm. „Am Neujahrstag hatten wir hier 19,1 Grad“, sagt Garbe. Das sei das wärmste Silvester seit 1881 gewesen – bis zu diesem Jahr datieren die ältesten Wetteraufzeichnungen in Deutschland zurück.

Gibt es in diesem Jahr noch einen Wintereinbruch?

Und was ist nun mit dem Schnee – sind die guten alten Winter in unseren Breiten passé? „Im vergangenen Jahr gab es ja zumindest im April noch einmal einen Kälteeinbruch“, sagt Garbe. Rund zwei Tage lang habe Schnee mit bis zu 10 Zentimeter Höhe gelegen. „Insgesamt hatten wir 20 Tage mit einer geschlossenen Schneedecke – normalerweise sind es 60“, sagt der Hobbymeteorologe. Auch in diesem Jahr sei die Aussicht auf Schnee nicht komplett dahin: „Jetzt, Mitte Januar, wird es wieder etwas kälter, vielleicht fällt auch noch einmal etwas Schnee.“ Insgesamt müssten sich die Menschen aber auf deutlich mildere, schneearme Winter einstellen. „Natürlich wird es auch mal wieder kalte Winter geben. Aber die Erwärmung ist schon sehr weit fortgeschritten, die Schneegrenze wandert nach oben“, sagt Garbe.