Der Sommer hat in Stuttgart länger Station gemacht. Naherholung findet man nach der Hitze auf dem Rad auch auf dem Schimmelhüttenweg. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Milde Temperaturen und fehlender Niederschlag: Der September hat den Trend der Vormonate bestätigt. Die langjährigen Mittelwerte wurden über- beziehungsweise unterboten.

Stuttgart - Die Älteren erinnern sich – der September war doch immer der Monat, in dem man eines Morgens zum ersten Mal seit dem Winter die leicht vereiste Windschutzscheibe freikratzen musste. Und das oft mit einer CD Hülle, weil man partout nicht mehr wusste, wo man im Mai den Eiskratzer verstaut hatte.

Der September war einst auch der Monat, in dem die Luft manchmal ein ganz klein wenig nach dem ersten Schnee schmeckte, in der es am Morgen Nebel gab und später die schon flacher stehende Sonnen Wassertröpfchen in Spinnennetzen funkeln ließ. Kurzum – im September war der Hochsommer Geschichte und mit draußen sitzen und grillen war es zumindest nach Sonnenuntergang auch nicht mehr so wirklich weit her. Nicht immer, aber doch oft. Die mittlerweile übliche Diskussion, warum man die Freibäder mit Ferienende schließen muss, gab es selten, weil so ab dem 15. des Monats nur noch Sportschwimmer Lust auf Open Air hatten. Normales Freibadleben mit Liegewiese und Eis am Stiel konnte man überwiegend vergessen. Viel zu kühl.

Hochdruck fast den ganzen Monat über

Heute ist das komplett anders, und in diesem Jahr sorgten Jurij, Kevin, Leiki und Manfred lange Zeit dafür, dass der Herbst keine Chance hatte. Nein, die vier sind keine Popband mit russisch-finnischem Einschlag, sondern Hochdruckgebiete, die vom 7. bis zum 23. des Monats für feinstes Sommerwetter sorgten. „Diese Hochs reichten zum Teil von den Azoren bis in die Ukraine und bestimmten mit warmen, teils subtropischen Luftmassen das Wetter“, erklärt Uwe Schickedanz, der Leiter der Station des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Schnarrenberg in Stuttgart. Und das war deutlich spürbar – am 14. und 15. kletterte das Thermometer sogar noch einmal knapp über 30 Grad im Städtle. Abends wurde es wegen des oft klaren Himmels zwar kühl, aber lange nicht so, wie man es erwarten konnte. Die tiefsten Temperaturen lagen in der Zeit meist so um 14 Grad. „Insgesamt hatten wir im September elf Sommertage“, sagt Uwe Schickedanz. Das sind Tage mit Temperaturen über 25 Grad. Zwei davon waren sogar heiße Tage mit über 30 Grad.

Deutlich über dem Temperaturdurchschnitt

Und so geht der September mit einer Durchschnittstemperatur von 16,9 Grad in die Wetterstatistik ein. Das sind 2,2 Grad über dem vieljährigen Mittel, das in den Jahren 1961 bis 1990 ermittelt wurde. Aber das „zu warm“ ist ja mittlerweile normal. Der September war der neunte von neun Monaten in diesem Jahr, der deutlich über dem Temperaturdurchschnitt lag. Er gab damit einen deutlichen Hinweis, dass der Klimawandel keine Erfindung böser Mächte ist, wie Herr Trump und noch ein paar andere zu wissen glauben. Auf jeden Fall musste niemand hektisch die Balkonpflanzen reinholen, die tiefste Temperatur waren milde fünf Grad, gemessen vor ein paar Tagen am 28. September.

Der September war staubig

Jurij, Kevin, Leiki und Manfred sorgten auch dafür, dass es beim Sonnenschein ebenfalls ein deutliches Plus gab. Knapp 213 Stunden Sonne sind rund 128 Prozent vom langjährigen Mittel, auch das ein Trend, der sich verfestigt und eine Entwicklung, die bei uns immer mehr die Reben von Weinsorten ertragreich wachsen lässt, die eigentlich südlich der Alpen zu Hause sind. Das könnte alles durchaus erfreulich sein, wenn mit Sonne und Wärme nicht auch die Trockenheit drastisch zunehmen würde. Der August hat das Wasserdefizit 2020 zwar ein wenig gemildert, der September war aber wieder extrem staubig. „Auch in diesem Monat zeigte sich der Trend der letzten Jahre zu einem Regendefizit in der Vegetationsperiode sehr deutlich“, sagt Meteorologe Schickedanz. In Zahlen: Es gab nur an vier Tagen am Monatsende messbaren Niederschlag in der Stadt, normal sind 11,5 Tage. An den vier Tagen fielen mäßige 24,3 Liter auf den Quadratmeter, normal wären 53,3 Liter. Auch die Trockenheit ist ein Trend, aber einer, den man nicht braucht.

Übrigens wird wohl auch der Eiskratzer noch lange Pause haben. „Nach Frost sieht es im Moment wirklich nicht aus“, sagt DWD-Meteorologe Schickedanz.