Von den bisher acht Monaten des Jahres waren fünf zu trocken und der Juni gerade noch so im Schnitt. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Stuttgart erlebt den sonnigsten Sommer seit Beginn der Wetteraufzeichnungen. Aber auch den zweittrockensten – zumindest am Schnarrenberg.

Über das Wetter zu schimpfen ist ein beliebter Sport. Natürlich auch in der Stadt, in der man verbale Missfallensäußerungen früher Bruddeln genannt hat. Vor dem Hintergrund war es schon ein wenig verwunderlich, dass so viele Menschen in diesem Sommer glücklich bei Regen nach draußen strömten. Normal ist das hierzulande eher nicht, Wasser von oben außerhalb der Dusche gilt eher als „bäh“.

Die spontanen Regentänze waren freilich nur zu verständlich, Regen mutierte zuletzt zur seltenen meteorologischen Delikatesse. Konkret: Der Sommer 2022, also der Zeitraum 1. Juni bis zum 31. August, war in der Stadt so staubtrocken wie fast noch nie. An der Messstation des Deutschen Wetterdienstes (DWD) am Schnarrenberg im Stuttgarter Norden tröpfelten den Sommer über gerade mal knapp 113 Liter in das Messglas. Normal wäre so rund das Doppelte gewesen. „Der Sommer 2022 war der zweittrockenste seit Beginn der Wetteraufzeichnungen 1951“, sagt Andreas Pfaffenzeller. Der Meteorologe des DWD fand in der Statistik nur das Jahr 1964 mit noch weniger Regen. Im Sommer nach dem bitterkalten Winter 1963 fielen am Schnarrenberg nur etwas mehr als 99 Liter vom Himmel. Viel zu trocken war übrigens auch der August, in dem der Boden nur knapp 23 Liter pro Quadratmeter abbekam. Im Vergleich zum aktuellen langjährigen Mittel von 1991 bis 2020 waren das gerade mal 32 Prozent, also ein schwaches Drittel. „Nur im August 1991 wurde mit 13,3 Litern noch weniger Regen in Stuttgart gemessen“, erklärt Pfaffenzeller.

Die Folgen der Dürre sind in der Stadt nicht zu übersehen. Gelbbraun vertrocknete Grasflächen, viele Bäume werfen Blätter ab und rollen die restlichen ein, auf etlichen Feldern vertrocknet der Mais. Aber nicht auf allen. Es war zwar überall zu trocken, aber an der Messstation auf dem Stuttgarter Flughafen wurden für die Sommerperiode 198 Liter pro Quadratmeter summiert, satte 85 Liter mehr als Schnarrenberg. Zu einem normalen Sommer fehlten zwar auch am Airport gut 30 Liter, aber die Trockenheit war dort deutlich weniger krass als im Stuttgarter Norden. Der Grund für die Mengenunterschiede in einem räumlich engen Bereich liegen auch im Klimawandel. Sommerregen fällt zunehmend in Form von regional begrenzten heftigen Hitzegewittern und Schauern. Normaler flächendeckender Regen war in diesem Sommer kein Thema, weil die Region die meiste Zeit unter stabilem Hochdruck lag, der nur durch kurze Störungen unterbrochen wurde, die sich in Schauern entluden. So wurde zum Beispiel das Kraut auf den Fildern immer mal wieder gegossen, während es im Stuttgarter Norden um den Schnarrenberg herum so trocken war wie in Andalusien. Ein Phänomen, das es in der jüngsten Vergangenheit übrigens immer mal wieder gab.

Zu trocken war es freilich überall. Verstärkt wurde die Dürre durch die Hitze, bei der die Natur wohl mehr als eine durchschnittliche Regenmenge gebraucht hätte. 22,4 Grad war der August im Schnitt warm, das sind 2,7 Grad mehr als im Mittel zwischen 1991 und 2020. Vergleicht man den letzten Sommermonat mit der alten Referenzmethode 1961 bis 1990 sind es sogar 4,5 Grad. Nur 2003 war der August in Stuttgart mit 24,2 Grad noch wärmer. Platz zwei bei der Temperatur gab es auch für den gesamten Sommer, der mit einer Durchschnittstemperatur von 21,5 Grad nur vom besagten Sommer 2003 (22,5 Grad) übertroffen wurde. Von den 92 Tagen der Periode stieg an 69 die Temperatur über 25 Grad, was die Meteorologie einen Sommertag nennt. Hitzetage über 30 Grad gab es 27, normal wären zwölf. Zwischen 1961 und 1990 lag der Mittelwert sogar bei nur fünf Hitzetagen pro Sommer, also gut fünfmal weniger. Befeuert wurde die Hitze von der Sonne, die über die Sommermonate 935 Stunden schien. Mehr waren es in Stuttgart noch nie. „Von 1. Januar bis Ende August haben wir in Stuttgart 1840 Stunden Sonnenschein gezählt. Das ist mehr als der Durchschnitt eines normalen Jahres“, sagt Meteorologe Pfaffenzeller.

Die Sonne hat ihr Soll für 2022 also schon erfüllt, was Besitzer von Photovoltaikanlagen jubeln lässt. Der Regen hat dagegen noch keinen Applaus verdient. Von den bisher acht Monaten des Jahres waren fünf zu trocken und der Juni gerade noch so im Schnitt. Aber es gibt Prognosen, nach denen die große Trockenheit ab Mitte September enden könnte. Käme das wirklich so, dürfte die anfängliche Freude über das Nass bald der üblichen Bruddelei weichen.