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Er bringt seit knapp drei Jahrzehnten die Fastnacht in heimische Wohnzimmer und auch am Sonntag wird Werner Mezger mit Sonja Faber-Schrecklein das bunte Treiben in der Altstadt für die Fernsehzuschauer kommentieren. Wie er sich darauf vorbereitet hat, welche Erinnerungen er mit dem Narrentreffen in Bad Cannstatt im Jahr 1992 verbindet und welchen Schabernack er bereits über sich ergehen lassen musste, erzählt der Brauchtumsforscher im Interview.

Herr Mezger, an Lesestoff dürfte es Ihnen dieser Tage nicht mangeln: Von den Mitgliedern des Kübelesmarktes Bad Cannstatt haben Sie einen Ordner mit 250 Seiten zur Vorbereitung des Großen Umzugs der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte erhalten. Wie weit sind Sie damit gekommen?


Mezger: Es ist immer hilfreich, Material darüber zu haben, was bei einem Umzug alles auf einen zukommt. Als langjährige Fastnachtsmoderatoren kennen wir die Narrenfiguren, die in Bad Cannstatt zu sehen sein werden, natürlich auch selber. Aber es geht ja um die Reihenfolge des Umzugs, um eingeplante Interviews, um die Abstimmung zwischen Moderation, Redaktion und Regie – und dafür braucht es tatsächlich solide Grundlagen. Dass man bei der Benennung der vielen hundert Narrenfiguren keine Fehler machen sollte, versteht sich von selber. Denn so etwas käme bei den Zuschauern nicht gut an. Unter denen gibt es nämlich auch viele Experten.


Als Straßenreporterin wird sich am Sonntag Anina Wenderoth ins Umzugsgetümmel stürzen. Sie werden hingegen in bewährter Manier gemeinsam mit Sonja Faber-Schrecklein das Geschehen auf der Strecke „von oben“ aus der Kabine kommentieren. Was schätzen Sie denn an Ihrer langjährigen Kollegin?

Mezger: Ob die Chemie zwischen den Partnern bei einer Doppelmoderation stimmt, kann man vorher nie sagen. Das muss immer erst die Praxis zeigen. Bei Sonja und mir funktioniert die Zusammenarbeit jetzt seit 1994, also seit fast drei Jahrzehnten. Wir mögen uns, haben einen ähnlichen Humor und es macht uns immer noch Spaß. Was die Zuschauer schätzen, ist Publikumsnähe und unterhaltsame Wissensvermittlung, die bei aller Lockerheit doch Substanz hat. Das wird bei uns anscheinend so wahrgenommen, wofür wir natürlich dankbar sind.


Gegen die manchmal in den Medien verwendete Bezeichnung „Fasnachtspapst“ haben Sie sich mit der Aussage gewehrt, der Papst sei unfehlbar, Sie jedoch nicht. Wann haben Sie sich denn schon geirrt?

Mezger: Kleinere Irrtümer kann es immer geben, zumal ich ja neben der Fastnacht noch viele andere Forschungsthemen habe. Wenn uns mal ein Fehler passiert, wenn wir zum Beispiel ein Detail an einem Häs nicht korrekt benennen, eine Figur verwechseln, was Gott sei Dank selten vorkommt, dann gibt es sofort Anrufe, Mails und andere Rückmeldungen. Aber bei vier Stunden Übertragungszeit ist so etwas immer drin, 240 Minuten sind ja auch eine Konzentrationsfrage. Und wenn mal einem von uns was durchrutscht, sind wir zum Glück nicht allein. Dann korrigieren wir uns nach Möglichkeit gegenseitig noch in der Sendung.

Bad Cannstatt ist für Sie kein unbekanntes Pflaster, auch deshalb, weil Sie hier im Jahr 1992 das Narrentreffen der Vereinigung Schwäbisch-Alemannischer Narrenzünfte für das SWR-Fernsehen kommentieren durften. Es war damals Ihr erster großer Fernsehauftritt.

Mezger: Die Cannstatter Premiere ist mir unvergesslich. Ich hatte vorher zwar schon einiges im Hörfunk gemacht und hie und da auch mal ein kleines Statement fürs Fernsehen. Aber Co-Kommentator in einer mehrstündigen Liveübertragung – das ist nochmals ein anderes Kaliber. Da kam also 1992 an mich die Kommentationsanfrage für das Narrentreffen in Bad Cannstatt, das übrigens als einmalige Veranstaltung geplant war. Im Jahr zuvor war nämlich die Fastnacht wegen des Golfkriegs ausgefallen. Und als eine Art Ausgleich dafür entschloss sich der damalige Süddeutsche Rundfunk im Folgejahr, versuchsweise mal das Cannstatter Narrentreffen zu übertragen. Zumal der Veranstaltungsort quasi vor der Haustür des Senders lag, was auch Kosten sparte. Kurz und gut: Ich machte an der Seite von Hans-Dieter Reichert die Co-Kommentation und hatte hinterher den Eindruck, es sei eigentlich ganz ordentlich gelaufen. Dieser Meinung war allerdings die „Stuttgarter Zeitung“ nicht. Die brachte einen Verriss erster Klasse: eine volle Seite lang unter der Überschrift „Die Laberköpf“, womit Hans Dieter und ich gemeint waren. Da hieß es zum Beispiel, wir zwei hätten es geschafft, einen an sich schönen Umzug so kaputt zu schwätzen, dass einem der Sonntagsbraten hochgekommen sei. Der Schreiber bedauerte auch, dass uns die Hexen nicht gleich am Anfang mitgenommen hätten. Ich dachte damals: einmal Fernsehen und nie wieder. Die Zuschauerreaktionen allerdings sahen ganz anders aus. Es kamen Hunderte von Zuschriften, die darum baten, so etwas auch in künftigen Jahren wieder zu machen. Dass mit der ersten Übertragung ein Fernsehformat geboren war, das nun seit Jahrzehnten erfolgreich läuft, hätte ich mir damals nicht träumen lassen.

Was haben Sie bereits alles auf den Umzügen an Schabernack über sich ergehen lassen müssen?

Mezger: Relativ wenig, weil man beim Kommentieren ja doch etwas isoliert vom Geschehen in der Kabine sitzt. Das muss man auch, denn der Off-Kommentar erfordert Konzentration und Präzision. Vereinzelt gibt es natürlich schon auch nette Randerlebnisse am Mikrofon. Da bringen Narren etwa Vesper oder Alkoholika vorbei, was man freilich während laufender Sendung besser nicht konsumiert. Ganz am Anfang haben es in Offenburg ein paar Hexen geschafft, auf einen Balkon im zweiten Stockwerk zu klettern, von wo aus ich damals kommentiert habe. Meine Unterlagen sind durcheinandergeraten, als sie über den Tisch gekrochen sind. Aber kein Stecker wurde gezogen, kein Monitor fiel aus, und die Umzugsfolge habe ich nach einigem Sortieren auch wieder auf die Reihe gekriegt.

Zuletzt ein kleiner Wissenstest: Was fällt Ihnen spontan zum Kübelesmarkt Bad Cannstatt ein?
Mezger: Aus einem Geselligkeitsverein entstanden, Fastnachtszunft seit 1924 und heute noch viel mehr: Initiator des Volksfestvereins, Veranstalter der Mundarttage und alle zwei Jahre des wiederbelebten historischen Fischerstechens. Originell finde ich die Geschichte, die zur Maskengestalt der „Felbaköpf“ geführt hat: Da glaubten einst die Cannstatter, dass im Morgennebel vom Neckar her die Franzosen angreifen würden. Aber die Franzosen waren in Wirklichkeit nur Weidenstümpfe, also Felbaköpf. Der Kübelesmarkt ist ein Heimatverein im besten Sinne. Und an diesem Wochenende liegt mal nicht Cannstatt bei Stuttgart, sondern umgekehrt Stuttgart bei Cannstatt.

Das Gespräch führte Andrea Eisenmann.

Der Narrenumzug in Bad Cannstatt ist am Sonntag, 19. Januar, von 12.15 bis 16.45 Uhr im SWR Fernsehen zu sehen.