Wenn sich die Eltern trennen, muss sich das nicht zwangsläufig traumatisch auf die Kinder auswirken. Was Eltern beachten sollten, wenn die Beziehung in die Brüche geht.
Wenn Eltern sich trennen, sind vor allem die gemeinsamen Kinder die Leidtragenden. „Eine Trennung ist ein sehr einschneidendes Ereignis in der Familiengeschichte“, bestätigt Ingeborg Widmann, Diplom-Psychologin beim Jugendamt Stuttgart. Grundsätzlich sei aber nicht die Trennung als solche zwangsläufig traumatisierend, beruhigt sie. „Es sind vor allen Dingen die Konflikte vor, während und nach der Trennung, die Kinder belasten. Die Eltern selbst können viel dazu beitragen, dass keine langfristig negativen Folgen für die Kinder entstehen“, so Widmann.
Säuglinge und Kleinkinder seien bereits sehr empfänglich für atmosphärische Störungen und werden dadurch verunsichert. Bei ihnen sei es daher besonders wichtig, dass ihre Grundbedürfnisse nach Geborgenheit, Sicherheit und Versorgung befriedigt werden. Wenn diese Voraussetzungen erfüllt werden, erleben sie noch keinen richtigen Verlust. „So können etwa Kleinkinder noch sehr schnell neue Beziehungen zu anderen Menschen aufbauen, die sie gut versorgen, und sich dadurch bestens weiterentwickeln“, sagt Widmann.
Ein konkreter Verlust
Ist das Kind im Vorschul- oder Grundschulalter, erlebe es den Auszug eines Elternteils als konkreten Verlust und vermisse diese Person und das bisher vertraute Zusammensein, sagt die Expertin. Es könne passieren, dass sie sich fragen, ob sie schuld an der Trennung seien. Gleichzeitig haben sie bereits ein soziales Netz aus Kindergarten- oder Schulfreunden. „Wenn sich infolge der Trennung auch diese Situation durch einen Umzug, der notwendig wird, stark verändert, ist das natürlich für Kinder eine zusätzliche Herausforderung.“
Bei Jugendlichen gehöre es dazu, sich von den Eltern als Hauptbezugsperson zu verabschieden. „Aber es ist trotzdem auch eine Phase, in der Jugendliche per se verunsichert sind und sich fragen, wer sie sind und wer sie sein wollen.“ Gleichaltrige können ihnen viel Unterstützung bieten. „Sie können sehr viel Selbstsicherheit, Stabilität und positive Impulse aus ihrer Peergruppe bekommen.“ Aufgrund ihrer größeren Selbstständigkeit haben es Jugendliche meist leichter, nach einer Trennung eigenständige Beziehungen zu beiden Elternteilen zu leben.
Den Kindern zuliebe...
Eltern, die sich entscheiden, den Kindern zuliebe zusammenzubleiben, obwohl die Liebesbeziehung gescheitert ist, tun in der Regel weder sich noch ihrem Nachwuchs einen Gefallen. Studien zeigen: Kindern getrennter Eltern, bei denen nach der Trennung die Konflikte weniger wurden, geht es langfristig besser als Kindern, die bei hohem Konfliktniveau dauerhaft mit beiden Eltern zusammenleben.
Es sei in der Trennungsphase wichtig, darauf zu achten, mit wem die Kinder auch unbeschwerte Zeit erleben können. „Wenn ich durch die Trennung im Keller hänge, kann ich nicht lustige Ausflüge mit meinen Kindern veranstalten, was ich früher immer gerne gemacht habe.“ Großeltern oder andere Verwandte könnten einspringen, das Kind könnte mit Freunden etwas unternehmen.
„Dass man sich nicht sofort mit der Trennung friedlich begegnet, ist jedem klar“, sagt Widmann. Das Beste sei deshalb, sich um eine Befriedung der Konflikte zu bemühen, die Kinder bei Streitereien außen vor zu lassen. Für ein Kind seien die Eltern die engsten Bezugspersonen; auf sie wirke es verstörend, wenn sie das Gefühl hätten, sich zwischen ihnen entscheiden zu müssen.
Ebenfalls vermeiden sollte man, vor den Kindern über den Ex-Partner zu lästern, Loyalitäten einzufordern oder das Kind spüren zu lassen, dass es einem nicht gefällt, wenn es Kontakt zum anderen Elternteil hat.
Konkrete Erfahrungen sind wichtig
Ein positiver Blick auf die Zukunft ist ermutigend: „Ja, jetzt sind wir manchmal traurig und vieles ist anstrengend, aber wir werden uns alle mit der Situation neu arrangieren können und wieder zufrieden sein.“ Für Kinder sind Informationen zu ihrem zukünftigen Alltag wichtiger als Details zum Trennungsgeschehen. Gehe ich weiterhin in die gleiche Schule, behalte ich mein Kinderzimmer, sehe ich meine Freundinnen und Freunde? Eltern helfen ihren Kindern, wenn sie nicht nur auf Veränderungen hinweisen, sondern auch deutlich machen, was gleich bleibt.
Entscheidender als alle Erklärungen seien aber konkrete Erfahrungen. Wenn man dem Kind ständig sage, man sei zwar ausgezogen, habe es aber trotzdem noch lieb, dann jedoch Verabredungen nicht einhalte, fühle sich das Kind eben doch ungeliebt. Deshalb sei es ratsam, den Kontakt des Kindes zu beiden Elternteilen zu fördern. Dies gilt jedoch nicht für Familien, in denen es zu Gewalt zwischen den Partnern gekommen ist. „Hier hat die Sicherheit Vorrang und eine Kontaktunterbrechung kann notwendig sein“, sagt Ingeborg Widmann.
Hilfe suchen
„Ich rate dazu, sich eher frühzeitig Hilfe zu holen, weil dann oft noch viel mehr im Sinne der Kinder möglich ist.“ Niedrigschwellige Angebote gibt es bei den Jugendämtern oder psychologischen Beratungsstellen. Alleinerziehende können sich informieren, wo sie finanzielle Unterstützung beantragen können. Häufig gibt es in den Beratungsstellen neben der Einzelberatung auch Eltern- oder Kindergruppen.
Eltern profitieren von den Gruppenprogrammen, weil sie sehen können, dass zwar die Paarbeziehung vorbei ist, aber man als Mutter und Vater trotzdem weiter gute Arbeit leisten kann. „Viele Eltern, die sich getrennt haben, schaffen es im Verlauf der weiteren Entwicklung, sich als Eltern in einer akzeptablen Weise zu begegnen und dann auch an für das Kind wichtigen Ereignissen gemeinsam teilzunehmen.“