Das Coronavirus verändert das Shopping-Erlebnis. Neben Klopapier und Seife ist in vielen Supermärkten auch der Kauf von Mehl begrenzt. Foto: dpa/Armin Weigel

Tochter durfte für 80-jährige Mutter kein zweites Päckchen Mehl kaufen.

Untertürkheim - Dass die Corona-Krise nicht spurlos an den Menschen vorbeigeht, macht sich meist dort bemerkbar, wo sie aufeinandertreffen. Auch aus großer Distanz grüßen sich Spaziergänger und Jogger beispielsweise nicht mehr, senken stattdessen den Blick oder schauen bewusst in die andere Richtung. Konfliktpotenzial birgt auch immer der Super- oder Baumarktbesuch. Die Atmosphäre beim Einkaufen ist gespenstisch. In Zeiten von Hamsterkäufen spielen sich dort oftmals merkwürdige Szenen ab.

Am Freitagabend beispielsweise kam es in Fellbach zum Streit an einer Supermarkt-Kasse, weil eine Kassiererin ein Pärchen auf den Mindestabstand hingewiesen hatte. Die Beiden echauffierten sich nach Polizeiangaben dermaßen über die Maßregelung, dass sie schließlich aus dem Laden geworfen wurden. Kurze Zeit später kehrte die Frau jedoch zurück und spuckte der Mitarbeiterin an den Hinterkopf.

Strenge Vorgaben

Kein Einzelfall, doch nicht immer sind die Kunden Schuld, wie das Beispiel einer Uhlbacher Familie zeigt. „Meine Tochter sollte im Kaufland Untertürkheim für mich unter anderem ein Kilo Mehl einkaufen“, sagt Helga Trauschweizer. Als 80-Jährige will sie das Haus aufgrund der Empfehlungen des Robert-Koch-Instituts nur im äußersten Notfall verlassen. Das Problem: Als die Tochter auch ein Päckchen Mehl für sich selbst aufs Band legte, nahm ihr die Kassiererin eines weg. „ So ging es mit mehreren Artikeln weiter.“ Der Hinweis, dass sie für ihre Mutter mit einkaufe, sei ihr egal gewesen.

Damit jedoch nicht genug. „Als meine Tochter mit ihrem Mann einkaufen ging, kaufte sie nur für mich ein, er für die Familie. Doch wieder musste sie die Ware stehen lassen.“ Die Begründung: „Auch als Paar dürfe man nicht die doppelte Menge einkaufen“, sagt Trauschweizer. Wieder sei die Erklärung, sie mache die Besorgungen für ihre Mutter auf Unverständnis gestoßen“, so die 80-J ährige, die nur den Kopf schütteln kann. „Die Solidarität unter Nachbarn ist zwar groß, aber wie soll man denn bei solchen strikten Vorgaben den älteren Menschen helfen? Es macht doch keinen Sinn, dass man für jedes Familienmitglied einzeln einkaufen geht.“ Zumal man doch die Kontakte zu anderen Menschen möglichst minimieren solle. „Extra Fahrgeld kostet es auch. So funktioniert das einfach nicht.“

Zerreißprobe für Supermarkt-Mitarbeiter

Kaufland-Sprecherin Andrea Kübler gibt der Rentnerin grundsätzlich recht. Sie bedauert im Namen des Unternehmens, dass es zu diesem Vorfall gekommen ist. Zugleich nimmt sie jedoch das Team in Untertürkheim in Schutz. „ Wir erleben gerade alle eine sehr besondere Zeit. Seit Beginn der Corona-Pandemie leisten unsere Mitarbeiter in den Filialen, jeden Tag aufs Neue, eine überragende Arbeit. Sie sichern die Warenversorgung und sorgen für die Umsetzung und Einhaltung der Sicherheitsmaßnahmen. Ihnen gilt unser besonderer Dank und unser Respekt.“

Zu berücksichtigen sei auch, dass der besagte Einkauf zu einer Zeit stattgefunden habe, als die Hamsterkäufe ihre Hochphase erlebten. Regelmäßig sei es aufgrund der Beschränkungen bei Klopapier, Seife und Mehl zu Diskussionen gekommen. „Das war die Hölle. Auch bei unseren Kassiererinnen, die teilweise selbst Familie haben, war die Unsicherheit groß, die Belastung enorm.“ Zumal es damals die Plexiglasscheiben, die eine Tröpfcheninfektion verhindern sollen, noch nicht gegeben habe. Selbstverständlich kann die Kundin für ihre Mutter miteinkaufen. Wir haben unsere Mitarbeiter noch einmal für dieses Thema sensibilisiert“, sagt Andrea Kübler, die mit der Kundin in Kontakt treten will, um sich nochmals persönlich zu entschuldigen.