Die Welthungerhilfe schlägt Alarm. Foto: imago images/Sascha Steinach

Ein Ende des Hungers in der Welt rückt in die Ferne. Die wichtigsten Gründe dafür sind Konflikte und der Klimawandel – aber auch Corona hat die Situation verschärft. Das Beispiel Afghanistan zeigt, wie schwierig Lösungen zu finden sind.

Berlin - Kriegerische Konflikte und die Folgen des Klimawandels haben den Hunger in der Welt im vergangenen Jahr wieder verschärft. Weltweit hungern nun etwa 811 Millionen Menschen, während es 2019 noch 690 Millionen Menschen waren, stellt der am Donnerstag in Berlin veröffentlichte Welthungerindex 2021 fest. „Das hat unsere ärgsten Befürchtungen im vergangenen Jahr bestätigt“, sagte Marlehn Thieme, Präsidentin der Welthungerhilfe. Die Organisation stellte fest: „Die Welt ist bei der Hungerbekämpfung vom Kurs abgekommen und entfernt sich immer weiter vom verbindlichen Ziel, den Hunger bis 2030 zu besiegen.“ Auch die Corona-Pandemie hat die Lage weiter verschlimmert.

Der neue Welthungerindex untersucht die Ernährungslage in 128 Ländern und bestätigt „die deutlichen Rückschritte bei der Hungerbekämpfung“. 47 Länder werden demnach bis 2030 noch nicht einmal ein niedriges Hungerniveau erreichen, 28 davon liegen in Afrika südlich der Sahara. Besonders dramatisch sei die Lage in Somalia, Jemen, Afghanistan, Madagaskar und dem Südsudan. In Somalia - dem Schlusslicht der Aufstellung - sind 60 Prozent der Menschen unterernährt und leben in einem Zustand ohne Ernährungssicherheit.

„Befürchtungen haben sich leider bestätigt“

Für den Index werden vier Kriterien untersucht: Der Anteil der Unterernährten an der Bevölkerung. Der Anteil von Kindern unter fünf Jahren, die an Auszehrung un dem damit einhergehenden Untergewicht leiden. Der Anteil von Kindern unter fünf Jahren, die wegen Mangelernährung wachstumsverzögert sind. Die Kindersterblichkeit.

„Unsere Befürchtungen im letzten Jahr haben sich leider bestätigt. Hungersnöte sind zurück und multiple Krisen lassen die Zahl der Hungernden immer weiter steigen“, so Thieme. „Die Corona-Pandemie hat die angespannte Ernährungslage in vielen Ländern des Südens noch einmal verschärft und Millionen Familien haben ihre Existenzgrundlage verloren. Die größten Hungertreiber bleiben aber Konflikte und der Klimawandel.“

Zu dem Staaten, in denen die Bevölkerung besonders gefährdet ist, gehört auch Afghanistan. Dort haben die militant-islamistischen Taliban die Macht übernommen, nachdem die Nato ihren Einsatz dort nach fast 20 Jahren auf Drängen der USA kurzfristig beendet hat. In Afghanistan sei mehr als die Hälfte der Einwohner auf humanitäre Hilfe angewiesen und jeder dritte Menschen gehe täglich hungrig ins Bett, sagte Mathias Mogge, Generalsekretär der Welthungerhilfe. „Jahrzehntelanger Bürgerkrieg, Korruption, Dürren und Überschwemmungen als Folge des Klimawandels sowie die Auswirkungen der Corona-Pandemie haben Afghanistan an den Abgrund geführt“, sagte er. Die Welthungerhilfe setze ihre Arbeit unter schwierigen Bedingungen fort.

Weiterhin soll Nothilfe geleistet werden

Der Einsatz deutscher Soldaten und Entwicklungshelfer in Afghanistan hatte in den vergangenen 20 Jahren mehr als 17,3 Milliarden Euro gekostet. Den weitaus größten Posten machte dabei das Militär aus. Das Auswärtige Amt gab demnach rund 2,48 Milliarden Euro für sogenannte projektbezogene Personal- und Sachkosten aus. Das Entwicklungsministerium stellte binnen 20 Jahren rund 2,46 Milliarden Euro in Afghanistan zur Verfügung. Weiterhin soll Nothilfe geleistet werden. Eine Aufnahme der Entwicklungszusammenarbeit hängt davon ab, wie sich die Taliban verhalten.

„Die politischen Forderungen, die wir mit dem diesjährigen globalen Hungerindex verbinden sind: Wir brauchen eine integrierte, flexible, eine sektorübergreifende und mehrjährige finanzielle Unterstützung“, sagte Mogge zum weltweiten Engagement. „Und wir müssen anerkennen, dass Ernährung und Frieden Hand in Hand gehen.“