Daniel Müller-Schott liebt Bach, wagt sich aber auch an zeitgenössische Musik. Foto: Uwe Arens

Daniel Müller-Schott spielt Cello, seit er fünf Jahre alt ist. Am Freitag gastiert er in Waiblingen. Was er am Cello liebt und wieso er immer zwei Plätze im Flieger bucht, verrät er im Interview.

Der Musiker Daniel Müller-Schott hat schon sehr früh das Cello für sich entdeckt. Im Interview erzählt er, was ihn daran fasziniert, wieso er regelmäßig Schulen besucht und warum er immer gleich zwei Plätze im Flieger bucht.

Herr Müller-Schott, Sie haben schon mit fünf Jahren das Cellospielen angefangen. Andere lernen erst Blockflöte…

Bei mir ging es auch mit der Blockflöte los. Mit vier Jahren war ich in Musikkursen und habe erkundet, welches Instrument es werden könnte, da ist die Blockflöte ein guter Indikator. Dann war ich in einer Probe, in der das Schumann-Cellokonzert gespielt wurde. Das hat für mich die Initialzündung gegeben um Cello zu lernen.

Was hat Sie am Cello zuerst fasziniert?

Ich kann mich gut erinnern, dass vor allem der Tonumfang und die Wärme des Tons mich berührt haben. Und auch wie man das Cello spielt. Der Cellist hat das Instrument umarmt, das war für mich besonders gewinnend und das wollte ich dann unbedingt lernen. Gott sei Dank hatte ich eine Mutter, die auch Musikerin war und die sofort gesagt hat, wir suchen einen Lehrer für dich. Sie hat mich unterstützt und das war mein großes Glück. Denn das ist ja das, was häufig fehlt bei Familien. Da wollen die Kinder ein Instrument lernen und die Eltern sagen, nein, das muss nicht sein.

Sie hatten ein musikaffines Umfeld?

Meine Mutter war Klavierpädagogin und Cembalistin. Bei uns waren die Barockinstrumente immer zu hören. Mein Vater war Mathematik- und Physiklehrer. Diese Mischung aus Naturwissenschaft und Musik war immer präsent bei uns im Haus.

Was macht das Cello aus?

Das Cello kann ein sehr sprechendes, gesangliches Instrument sein. Man sagt, es ist quasi die Entsprechung der menschlichen Stimme. Da ist wirklich etwas dran. Das Interessante ist, dass es sowohl eine Bassstimme sein kann als auch ein Sopran, denn der Tonumfang beim Cello sind vier oder fünf Oktaven. Da ist eben jede Stimmlage vertreten und das ist sehr spannend, weil man dadurch sehr viele Variationsmöglichkeiten des Ausdrucks hat.

Welche Charaktereigenschaften hat ein Cello?

Charakter ist genau das Wort, das sehr gut zum Cello passt. Es ist tatsächlich ein Charakterinstrument. Es kann alle möglichen Stimmungen ausdrücken, aber eben auch Charaktere verkörpern. Ähnlich wie in der Oper, wo man verschiedene Stimmen und Persönlichkeiten hat, ist das Cello sehr wandelbar und kann in diese verschiedenen Kostüme schlüpfen und ganz unterschiedliche Personen musikalisch vertreten.

Was lieben Sie am Cello?

Also, wenn ich es auf einen Satz bringen müsste, dann wäre es der Klang an sich und wie man ihn erzeugt. Das ist etwas sehr Ursprüngliches, weil dadurch, dass man diesen Klangkörper so nahe fühlt, spürt man diese Vibration, die sich wiederum in Klang mitteilt und transportiert. Man taucht sozusagen in den Klang ein und das liebe ich sehr. Und gerade jetzt nach der Coronazeit ist es umso schöner, dass man Musik wieder gemeinsam erleben kann.

Was finden Sie nicht so optimal?

Das Einzige, was ich mir im nächsten Leben nochmal überlegen würde, wäre das Reisen mit Cello. Das ist manchmal tatsächlich mühsam. Also immer das Instrument tragen zu müssen und immer einen eigenen Platz zu buchen im Flugzeug, das ist schon anstrengend. Andererseits ist es dadurch auch sehr kommunikativ. Ich werde dauernd angesprochen, was denn da drin ist, was ich damit mache. Man kommt sofort ins Gespräch. Insofern überwiegen die positiven Dinge.

Sie spielen überwiegend auf einem Cello aus dem Jahr 1727. Das gibt man wohl nicht am Gepäckschalter ab?

Nein, das würde ich nicht empfehlen. Ich habe immer einen eigenen Platz dafür und nehme es mit ins Flugzeug. Es wird extra angeschnallt und bleibt immer neben mir. Es ist fast wie ein Familienmitglied. So ein altes Instrument hat ja unglaublich viel erlebt, hat viele Kriege überstanden. Es ist etwas ganz Besonderes auf so einem Instrument zu spielen und es auch klanglich zu prägen.

Jeder Spielende hinterlässt also seine DNA im Instrument?

Genau. Ein Instrument ist für mich eine sehr lebendiges Objekt und sehr formbar. Dadurch, dass man immer Schwingungen in dieses Holz gibt und es zum Schwingen bringt, verändert sich der Ton. Das habe ich mit diesem Instrument erlebt, das ich seit 16 Jahren spiele. Es ist gar nicht wiederzuerkennen. Vor 16 Jahren klang es völlig anders. Da war diese Obertonstruktur völlig anders zusammengesetzt. Es klang viel dunkler und rauer. Jetzt klingt es sehr viel geschmeidiger und gesanglicher und es hat sich sehr geöffnet im Klang.

Wie war Ihr Leben während der Corona-Zeit? Sie sind ja sonst viel unterwegs…

Vor allem diese intensive Reisetätigkeit, die ich seit fast 30 Jahren habe – also in steter Regelmäßigkeit nach Amerika zu fliegen, nach Japan oder Australien – ist völlig zum Erliegen gekommen. Das war andererseits auch eine ganz gute Erfahrung, einfach zu Hause zu sein. Wenn man Familie hat, ist das ein schöner Ausgleich zum sonst sehr rastlosen Leben. Insofern habe ich das durchaus genossen. Aber ich habe auch einiges zu tun gehabt, habe CDs aufgenommen und Streaming-Konzerte mit Orchester ohne Publikum gespielt. Das fühlte sich ein bisschen wie eine Aufnahme an. Insofern war der Flow, in dem man normalerweise ist, wenn man Konzerte spielt, nicht ganz unterbrochen.

War es schwer, wieder einzusteigen?

Der Moment, als ich wieder für Menschen Musik gemacht habe, war unglaublich emotional, das hat mich enorm bewegt. Das hätte ich nicht gedacht, dass das so eine große Wirkung hat. Das war für mich wieder dieses Initialerlebnis, warum ich das eigentlich tue: weil ich das für andere tun möchte, Musik teilen möchte.

Sie sind in Waiblingen nicht nur im Konzertsaal, sondern auch in der Staufer-Realschule zu Gast. Wieso?

Ich engagiere mich seit über zehn Jahren regelmäßig für die Initiative Rhapsody in School. Es ist mir ein Anliegen, in Schulen zu gehen, über mein Instrument und die klassische Musik zu erzählen, den Kindern was vorzuspielen und vielleicht auch gemeinsam Musik zu machen. Ich möchte die Kinder motivieren und vor allem auch die Musiklehrer unterstützen. Darauf hinzuweisen, dass Musik ein ganz selbstverständlicher Bestandteil des Lebens ist. Und wenn man ein Instrument spielt, wird dieser Bestandteil noch schöner und intensiver. Deshalb gehe ich in die Schulen. Ich denke, man kann vor allem die Neugier und Offenheit der Kinder unterstützen. In vielen Familien ist es ja leider so, dass Musik einfach keine große Rolle spielt, die Kinder aber durchaus begabt sind. Das müsste gefördert werden. Da muss man schauen was man an den Schulen tun kann, damit die Kinder regelmäßig die Möglichkeit bekommen ein Instrument zu spielen. Oft habe ich viele Briefe bekommen von Kindern, die angefangen haben mit dem Cellospielen und dann ins Schulorchester gegangen sind. Das gemeinsame Musizieren ist eigentlich der Schlüssel wie im Sport, dass man gemeinsam etwas tut. Ob man nun zusammen singt oder ein Instrument spielt, das ist einfach etwas sehr Verbindendes und das wirklich Schöne an Musik.

Spielt Musikunterricht die Rolle, die er spielen sollte?

Eben leider nicht mehr so wie das vor 20, 30 Jahren der Fall war. Ich denke, dass da die Lehrpläne und Kulturminister sich so ändern sollten, dass man der Kunst und Kultur mehr Gewicht gibt. Wir sind ja wirklich ein Kulturland und haben eine unglaubliche Geschichte und Tradition und wenn ich mir den Musikunterricht so ansehe und mit Lehrern spreche, dann ist das doch sehr dürftig. Und dass Musik auch kein Gewicht hat in der zeitlichen Verteilung, das sollte sich verbessern. Da kann man von außen einiges tun, dass man an den Schulen mit Direktoren und Musiklehrern spricht und weiter unterstützt.

Was interessiert die Schüler?

Ich spiele aus allen Epochen kleine Stücke vor. Was die Kinder zum Beispiel gerne hören ist Filmmusik. So kriegt man einen guten Kontakt und kann erklären, dass die Filmmusik auf den großen Komponisten basiert, die der Auslöser für viele Filmkomponisten waren, so zu schreiben wie sie schreiben.

In Waiblingen spielen Sie Bach, Britten und Henze. Haben Sie einen Lieblingskomponisten?

Bach gehört garantiert dazu, weil ich mit ihm aufgewachsen bin und die Cellosuiten sind quasi die Bibel des Cello-Repertoires. Gerade die späten Suiten, die ich in Waiblingen spiele, Nummer 4 und 5, sind besonders ausgereift und haben eine besondere Tiefe, gerade die c-Moll-Suite. Und das wird gegenübergestellt dem letzten Werk, das Benjamin Britten geschrieben hat. Britten hatte eigentlich den Plan, auch sechs moderne Solosuiten zu schreiben, er ist aber leider kurz nach der dritten Suite verstorben. Dadurch ist es quasi wie ein Solo-Requiem. Diese Querbezüge und Verbindungen zwischen Bach und Britten wird man intensiv hören. Es ist ein sehr anspruchsvolles, aber schönes Programm. Und Henze ist quasi die zweite Brücke zur Moderne. Bei dieser Kombination, wenn man den Henze und danach Bach hört, wird mancher erstaunt sein, wie modern Bach klingen kann und wie traditionell Henze sein kann.

Gibt es für Sie einen Angstkomponisten?

Ich bin da sehr offen. Ich arbeite ja mit vielen zeitgenössischen Komponisten zusammen und die haben natürlich alle eine eigene, völlig neue Klangsprache. Das heißt, wenn Werke für mich geschrieben sind, dann muss ich einfach eine völlig neue Sprache lernen. Und diese musikalische Sprache im Austausch mit dem jeweiligen Komponisten zu studieren ist einfach etwas, was mich als Musiker weiterbringt. Ich habe mir schon die verrücktesten und kompliziertesten Partituren vorgenommen und hab am Anfang natürlich geflucht und gedacht das lerne ich nie. Aber irgendwann geht es dann. Das ist schon faszinierend was sich da im Kopf bewegt. Das ist ein bisschen wie Chinesisch lernen – das wird auch nicht von heute auf morgen gehen, aber irgendwann verbinden sich die Synapsen im Kopf und dann staunt man, zu was man doch alles in der Lage ist.

Mehr über den Musiker und sein Konzert in Waiblingen

Biografisches
Daniel Müller-Schott ist im Jahr 1976 in München geboren. Mit fünf Jahren verliebte er sich in das Cello und bekam Unterricht. Als 15-Jähriger gewann er beim Internationalen Tschaikowsky-Wettbewerb für junge Musiker in Moskau einen Ersten Preis. Heute spielt er überwiegend das „Ex Shapiro“-Cello von Matteo Goffriller aus dem Jahr 1727. Er engagiert sich für das Projekt Rhapsody in School und besucht Schulen, um Kindern Musik nahe zu bringen.

Konzert
Daniel Müller-Schott gastiert am Freitag, 18. November, von 20 Uhr an im Bürgerzentrum Waiblingen mit Werken von Bach, Britten und Henze. Die Karten kosten regulär zwischen 27 und 36 Euro, ermäßigt von 22 bis 31 Euro und sind erhältlich bei der Touristinfo (0 71 51/50 01 83 21) oder hier.