Kohlruss, Lorber, Heinicke, Graser, Hörner, Hofer, Rathgeb-Stein ( v.li.) Foto:  

Der Weindorf-Treff hat alles: Ein Flohzirkus, ein Klavier in Benin, Stofftiere als Hochzeitsgäste und Musik als Medizin.

Die Gäste waren handverlesen. Als Verena Rathgeb-Stein, Leiterin des Stuttgarter Standesamts, das Paar traute, war die erste Reihe besetzt: mit den Stofftieren der Eheleute. Was sie am Dienstagabend beim Weindorf-Treff von SWR 4, den Stuttgarter Nachrichten und der Stuttgarter Zeitung in der Laube Schmücker’s Ox zum Besten gab, verleitete einen zu der Idee, sie möge mit einer Comedyshow auf Tour gehen. Das ist natürlich ungerecht gegenüber der weit überwiegenden Zahl an Liebenden, deren Eheversprechen „zu begleiten, eine Freude ist“. Aber man muss schon schmunzeln, wenn sie nicht nur zur Freude der Moderatoren Axel Graser und Tom Hörner erzählt, dass der Hund die Ringe brachte, oder die Ringe auf die Schnelle aus dem Kaugummiautomaten gelassen worden. Dabei brauche es gar keine Ringe, erzählt sie, manche tauschen auch Uhren.

Manche tauchen gar nicht auf

Was es allerdings braucht, ist ein „Ja!“ Das ist Voraussetzung, dass sie ans Werke gehen kann. Ein „Wenn es sein muss“ gelte nicht. Wie auch manchmal Paare gar nicht aufgetaucht sind, was besonders ärgerlich ist, wenn sie sich extra Samstags Zeit nimmt. Manche sind auch sehr vorausschauend, so wie die Frau, die sich extra für eine Schnapszahl einen Trautermin sicherte, aber noch gar keinen Partner hatte.

Rotwein ist tabu

Nicht nur ans Zwerchfell, auch ans Herz gehen Sopranistin Gudrun Kohlruss die italienischen Lieder, die sie mit Vorliebe singt. „Sie sind voller Liebe, viel Herz und Schmerz“, sagt sie, „man schwört sich ewige Treue.“ Und dass auch noch auf Italienisch, „dieser wunderschönen Sprache mit den vielen Vokalen“. Ihre Liebe zur Operette wurde ihr in die Wiege gelegt, „zuhause liefen immer Operetten“. Ihr Beruf erfordert viel Üben und Disziplin, „wie bei einem Spitzensportler“, die Stimme leide, pflege und trainiere man sie nicht. Deshalb sind Zigaretten tabu, auch Rotwein, „der verschleimt“. Das hätten mal die Bewohner von Alaska wissen sollen, denen Weinprinzessin Henrike Heinicke bei einem Arbeitsaufenthalt in den USA Wein verkaufte. Aber dass war auch vornehmlich Riesling aus Württemberg.

Wider alle Widrigkeiten

Auch Gudrun Kohlruss kommt rum. Fast überall auf der Welt trat sie auf, USA, Japan, China, Europa, auch im Benin auf Einladung des Deutschen Botschafters. Zwei Flügel gibt es in dem afrikanischen Land, einer steht in der Botschaft. Einen Klavierstimmer gibt es nicht, aber der Auftritt gelang, erzählt sie.

Musik, das ist auch die Leidenschaft von Jean -Marc Lorber. Für ihn ist sie aber mehr als Berufung, sie ist auch Medizin. Sie hilft ihm, seine Krankheit zu lindern. In Ambillyin Frankreich kam er zur Welt, in Freudental im Kreis Ludwigsburg ist er aufgewachsen. Nach einer Hirnhautentzündung traten bei ihm mit neun Jahren motorische Tics auf. Im Alter von elf Jahren kamen vokale Tics hinzu. 1993 wurde die Diagnose Tourette-Syndrom gestellt. Das heißt, „ich grunze manchmal, ich zucke und schlage mich an den Kopf“, erklärt Lorber. Er hat es sich zur Aufgabe gemacht, aufzuklären über Tourette. Und er tut das mit so viel Verve und Witz, dass einem alsbald die Eigenheiten gar nicht mehr auffallen. Macht er Musik, verschwinden die Tics. „Das heißt aber nicht, dass das bei allen so ist“, sagt er, „hat jemand eine Leidenschaft für Sport, können die Tics beim Sport aussetzen.“ Musik würde er gerne zu seinem Beruf machen, Corona hat es ihm allerdings schwer gemacht. Doch bisher hat Lorber noch alle Widrigkeiten gemeistert.

Wie hat man früher geplant?

Widrigkeiten anderer Art hat Andreas Hofer, Intendant der Internationalen Bauausstellung, zu bewältigen. Mit einem Flohzirkus hat er seine Arbeit verglichen, 179 Kommunen gibt es in der Region, 179 Flöhe muss er hüten. Doch das macht er gerne, „er liebt die Flöhe, die fliegen möchten“. Sprich, die Kommunen die sich einbringen. Denn es muss sich manches ändern, das macht er deutlich. Nicht nur am Planungsrecht, die Weißenhofsiedlung entstand 1927 binnen eines Jahres, von der Planung bis zur Fertigstellung“. Heute undenkbar. Aber auch die Art, wie wir leben und wohnen. „Ein bisschen mehr Dichte im Sinne von Nähe. , wünscht er sich In Kernen haben sie Erhebungen gemacht und festgestellt, in vielen Einfamilienhäusern wohnen ein oder zwei Menschen. „Kleiner, barrierefreier , günstiger, energiesparender“, so sollte die Zukunft aussehen. Es sei denn, man braucht dann doch noch ein Zimmer für die Stofftiere.