Die Original Schwabentracht von 1818, die vorzugsweise beim Cannstatter Volksfest getragen wird. Foto: Wager

Dirndl ist nicht gleich Dirndl – und wie war das noch mal mit der Schleife an der Schürze? Welche Unterschiede es bei der Festkleidung auf dem Cannstatter Wasen gibt und was es zu beachten gilt, weiß der Brauchtumsexperte Wulf Wager.

Das Cannstatter Volksfest steht für Tradition – dass auch beim Frühlingsfest Tracht getragen wird, sei aber noch gar nicht so lange her, sagt der Brauchtumsexperte Wulf Wager: „Den Trend gibt es seit 20 Jahren.“ Der Festwirt Hans-Peter Grandl habe das wieder eingeführt, als sich vor seinem Zelt Menschenschlangen bildeten. „Wer Dirndl und Lederhose trug, kam ins Zelt rein. Daraus ist ein Hype geworden“, berichtet Wager. Auch in München habe es bei den Festen die Trachten vor 20 Jahren noch nicht gegeben.

Der Brauchtumsexperte unterscheidet jedoch ganz klar zwischen Tracht und Trachtenmode. Auf dem Wasen werde häufig Trachtenmode getragen, die sich nicht an historischen Vorgaben orientiere. Die historische Tracht ist hingegen mit dem Volksfest eng verbunden und geht zurück bis ins 19. Jahrhundert. „Da wurde in Schwaben die Bauerntracht getragen“, erläutert Wager. Bis zum 19. Jahrhundert habe es eine Kleiderordnung gegeben, die vorschrieb, welche Stoffe und welchen Zierrat die Angehörigen einer bestimmten gesellschaftlichen Klasse tragen dürfen. Bauern als unterste Klasse durften nur selbst hergestellte Sachen tragen. Das sei bis zur Französischen Revolution so gewesen.

Trachten wurden zum Markenzeichen eines Dorfs

Anfang des 19. Jahrhunderts begann dann der Siegeszug der lokalen Tracht. Die Trachten wurden zum Markenzeichen eines Dorfes, wie etwa der Bollenhut im Schwarzwald. Dieser Siegeszug dauerte bis Anfang des 20. Jahrhunderts. So gab es beispielsweise kurze Lederhosen bei der Miesbacher Tracht. „Das ist bis heute das Sinnbild der bayrischen Tracht“, sagt Wager. Auch daran orientiere sich die Trachtenmode bis heute.

Die historische schwäbische Tracht besteht aus wertvollen Materialien. „In Bad Cannstatt trugen Ende des 18., Anfang des 19. Jahrhunderts die Wengerter gelbe Lederhosen und die Bauern schwarze Lederhosen als Kniebundhosen, dazu Stiefel und Stiefeletten“, erzählt Wager. Die Männer trugen Westen mit silbernen Knöpfen, kurze Kittel oder einen langen Gehrock. Die Frauen trugen farbenfrohe Trachten, ein geschnürtes Mieder und dunkle, lange Röcke, die bis zu den Knöcheln reichten. All das bestand aus Wiefling, einem sehr schweren Stoff aus Leinen und Wolle. Dazu trugen Frauen eine Haube oder einen Strohhut. „Außerdem waren ihre langen Haare nie offen, immer züchtig zu Zöpfen oder einem Kranz geflochten“, sagt Wager.

Das Frühlingsfest hat keine historische Trachtentradition

Die Cannstatter Trachten wurden jeden Tag getragen, es gab Alltags- und Sonntagstrachten. „Das 75 Jahre alte Frühlingsfest hat keinerlei historischen Ursprünge in puncto Trachten“, sagt Wager. Beim Volksfest hingegen gibt es eine lange Tradition. Wager selbst ist ein Freund der historischen Tracht. Die Trachten mode auf dem Frühlingsfest orientiere sich nicht an den historischen Vorbildern. Dennoch hat Wager nichts gegen Trachtenmode, auch wenn er die Billig-Trachten, die vielleicht nur einmal getragen werden, kritisch sieht. „Wenn Menschen gemeinsam feiern, wirkt die gemeinsame Kleidung verbindend“, sagt der Brauchtumsexperte. So sei es eben auf dem Frühlingsfest. Und dagegen könne man nichts sagen. Die traditionsbewussten Trachtenträger gingen jedoch eher nicht in echter Tracht zum Frühlingsfest, weil sie um die Geschichte wissen. Beim Volksfestumzug seien sie dagegen zu sehen.

In Württemberg sind die Schleifen hinten gebunden

Wager selbst trägt Tracht, wo es sich anbietet: „Ich bin in Tracht eingeschult worden, habe in Tracht geheiratet.“ 2018 hat Wager zum 22. Jubiläum des Cannstatter Volksfests mit Krüger Dirndl eine schwäbische Trachtenkollektion zusammengestellt, die auf der echten Schwabentracht von 1818 beruht. „Die gibt es auch heute noch“, sagt Wager. Und dann war da noch die Sache mit der Schürze und der Schleife einer Tracht bei den Frauen. Wager sagt, dass es keine Regel gebe, auf welcher Seite die Schleife zu sein hat. In Schwaben ist es allerdings auch einfach: „In Württemberg sind die Schleifen hinten gebunden.“