Der Iristunnel durch den Hacksberg (hier eine Aufnahme von 2021) ist das größte Teilprojekt der Hermann-Hesse-Bahn. Foto: Holger Leicht

Nicht nur die Calwer setzen sich für einen Metropolexpress von Calw nach Stuttgart ein. Auch aus dem Kreis Böblingen melden sich weitere Fürsprecher.

Die Hermann-Hesse-Bahn wird 2023 auf die Gleise gesetzt. Doch sie soll nur eine Zwischenstufe sein. Und was kommt danach? Den Wunsch nach einer schnellen Zugverbindung von Calw nach Stuttgart in Form eines Metropolexpresses (MEX) haben bisher vor allem Vertreter aus dem Umfeld von Calw, wie der Zweckverband Hermann-Hesse-Bahn und die Initiative Infrastruktur Nordschwarzwald, sowie die Bürgerinitiative BAUS (Bürgeraktion Unsere Schwarzwaldbahn) formuliert. Viele andere plädierten für die bereits geplante Verlängerung der S-Bahn. Inzwischen finden sich immer mehr Befürworter eines MEX – selbst in politischen Gremien des Kreises Böblingen.

Bei einem Vortragsabend der BAUS im Weiler Klösterle haben Vertreter der Initiative und weitere Befürworter ihre Argumente vorgelegt. Unter anderem der Weiler Bürgermeister Christian Walter und Dieter Maurmaier, für die FDP im Gemeinderat Leonberg und im Kreistag Böblingen, bekannten sich dabei offen zum MEX. Dass das Projekt trotz der vielen Argumente einen schweren Stand hat, wurde aber ebenso verdeutlicht.

Was ist ein Metropolexpress? Bei einem MEX handelt es sich um einen Regionalzug, der größere Städte oder andere wichtige Regionen miteinander verbindet. Von Stuttgart fahren die Züge zum Beispiel nach Karlsruhe, Ulm und Heilbronn. Außerhalb des S-Bahn-Netzes halten sie auch an kleinen Bahnhöfen, um eine Verbindung in die jeweiligen Zentren zu ermöglichen. Innerhalb des S-Bahn-Netzes werden dagegen nur sehr wenige Stationen angefahren. Die Züge fahren zudem auf den Ferngleisen und sind daher nicht betroffen von Störungen und Verspätungen der S-Bahnen.

Wie lauten die Argumente für den MEX? Eines der gesetzlich verankerten Klimaziele lautet, den CO2-Ausstoß im Verkehr zu verringern, also mehr Menschen von der Straße auf die Schiene zu bringen. Doch der Autoverkehr nehme stattdessen immer weiter zu, sagte Christian Walter. „2021 war ein Rekordjahr. Und wenn man sich mal anschaut, wie lange man für eine Fahrt von hier nach Stuttgart braucht, ist man mit dem Auto am Ende trotzdem schneller.“ Und das, obwohl Weil der Stadt bereits zu den besser angebundenen Städten gehöre. „In abgelegeneren Orten sieht es noch schlechter aus.“

Das Argument, dass die Verkehrswende mit einer S-Bahn nach Calw unmöglich sei, weil sie für eine so lange Strecke zu unattraktiv sei, bildete eines der Hauptargumente der Redner. „Es ist sehr schwer, in Leonberg Wohnungen zu finden“, sagte Dieter Maurmaier. „Und die vielen Pendler kommen bei fehlenden Alternativen natürlich mit dem Auto.“ Gleiches betreffe Renningen mit dem Bosch-Forschungscampus.

Ein Metropolexpress brächte aber nicht nur in die eine Richtung Vorteile, so Maurmaier. „Statt ,schneller Zug nach Stuttgart‘ könnte man auch sagen: ,schneller Zug in den Schwarzwald‘. Denn das ist auch für uns ein wichtiges Naherholungsziel.“ Hinzu komme, dass der MEX in Stuttgart auf dem Fernbahnhof einfahre, wodurch sich aufwendige Umstiege von der S-Bahn zum Fernverkehrsnetz erübrigen. Und davon würden nicht nur die Calwer profitieren.

Wieso die Ablehnung der S-Bahn? Ist der Unterschied zwischen S-Bahn und MEX wirklich so entscheidend? Absolut, sind dessen Befürworter überzeugt. „Das System S-Bahn Stuttgart ist jetzt schon überlastet“, sagt Hans-Joachim Knupfer von der BAUS. Einfach nur noch mehr S-Bahn-Takte einzuführen bringe überhaupt nichts, wenn nicht gleichzeitig die Infrastruktur ausgebaut wird. „Das ist aber weder in Sicht noch geplant.“ So führten noch mehr Züge pro Zeiteinheit nur zu noch größeren Problemen und noch länger dauernden Ausfällen. An erster Stelle müsste beispielsweise der Bau eines zweiten Gleises zwischen Weil der Stadt und Malmsheim stehen, um hier überhaupt eine stabile Verbindung zu ermöglichen.

„Um Menschen eine Alternative zum Auto zu bieten, braucht es gute Angebote im ÖPNV, die zeitlich nicht mehr Aufwand mit sich bringen, bequem und verlässlich sind“, so Knupfer. Doch in Stuttgart bewege man sich gerade eher rückwärts statt vorwärts. „1978 dauerte eine Fahrt von Weil der Stadt nach Stuttgart 38 Minuten nach Fahrplan, heute sind es 43.“ Und nach dem neuen Konzept des VRS ab 2025 werden es aufgrund zusätzlicher Halte sogar 47 Minuten sein.

Wie lauten die Gegenargumente? Bei den Argumenten gegen einen Metropolexpress geht es in erster Linie ums Geld. Dem Verband Region Stuttgart (VRS) zufolge, der die S-Bahn betreibt, würde sich die Verbindung einfach nicht rentieren. Denn um den MEX bei Zuffenhausen aufs Ferngleis zu bringen, müsste eine teure neue Brücke gebaut werden. Damit sich diese amortisiert, müssten sehr viele Menschen mit dem MEX fahren. Allerdings sei Calw im Gegensatz zu allen anderen Endpunkten, die mit einem MEX angefahren werden, mit seinen knapp 24 000 Einwohnern ziemlich klein.

„Größere Städte bringen größeres Fahrgastpotenzial“, fasste es Peter Seimer, Mitglied des Landtags für die Grünen, bei der Veranstaltung zusammen. „Ich bin selbst drei Jahre von Weil der Stadt nach Stuttgart gependelt und verstehe den Wunsch nach einer besseren Verbindung daher sehr gut.“ Als Landespolitiker müsse man aber das Gesamte im Auge haben. „Der MEX hat daher schwere Chancen.“ Für das Erreichen der Klimaziele sprach er sich stattdessen für mehr Tangentialverbindungen aus, zum Beispiel die zwischen Herrenberg und Nagold, die derzeit untersucht wird.

Wie geht es jetzt weiter? „Die Chancen stehen schlecht, aber es ist nicht unmöglich“, präzisierte Peter Seimer seinen Redebeitrag. Doch damit sich überhaupt etwas bewegt, müssten die Landkreise bei Land und Bund aktiv werden, sagte Hans-Joachim Knupfer. „Und damit sich die Kreise bewegen, müssen die Kommunen aktiv werden.“ Die Bürger selbst könnten sich an ihre jeweiligen Abgeordneten wenden. Peter Seimer möchte auf Wunsch zudem ermöglichen, dass die BAUS ihre Argumente direkt dem Verkehrsministerium vorbringen kann.

Mehr Informationen sowie der komplette Vortrag der BAUS finden sich online unter: www.unsere-schwarzwaldbahn.de.