Ein Führer, der zeigt, wo es lang geht. Das suchen viele Wähler bei Donald Trump. Foto: dpa/Evan Vucci

Wie kann man einen verurteilten Kriminellen, der versucht, die Demokratie zu unterminieren, eigentlich wählen? Darum sticht der Republikaner bei vielen Amerikanern die Demokratin Kamala Harris aus.

Wie kann man Donald Trump nur wählen? Diese Frage lässt viele Deutsche ratlos zurück – jetzt, wo dem 78-jährige Republikaner ein zweiter Wahlsieg praktisch nicht mehr zu nehmen ist. Dass manches eher Mythos als Fakt ist, steht auf einem anderen Blatt.

So wie jetzt geht es nicht weiter – wird es mit Donald Trump anders?

„Change“, der Wandel, ist seit langem der Schlüssel zu den US-Wahlen. Seit Jahrzehnten funktioniert für viele Bevölkerungsgruppen der „amerikanische Traum“ nicht mehr. Während sich der Reichtum in immer weniger Händen konzentriert, hat sich die Wohlstandsentwicklung der Bevölkerung abgekoppelt. Das Versprechen von Wohlstand durch Freihandel hat zur Verödung früherer Industrielandschaften geführt. Der Gegensatz zwischen prosperierenden, urbanen Regionen und abgehängten, ländlichen Räumen wird immer größer.

Kulturell fühlen sich viele Menschen in einer pluralistischen und mobilen Gesellschaft ignoriert. Es ist dasselbe Muster, das man von ostdeutschen AfD-Hochburgen her kennt. Trump spiegelt dabei nicht unbedingt eine geschlossene, rechte Ideologie: Er ist politischer Opportunist. Doch ein Image hat er kultiviert: Das des Außenseiters, der im Zweifel, das Bestehende zertrümmert. Selbst seine Bereitschaft die Demokratie zu demolieren, wird hier zum politischen Trumpf.

Trump sagt, wo es lang geht

Trump inszeniert sich als Boss und als Anführer, der sich gegen alle Regeln durchsetzt. Freund und Feind sind klar sortiert. Und schon immer gab es in der amerikanischen Kultur eine Faszination mit skrupellosen Machern. Dass der Ellbogen-Kapitalist Elon Musk zu Trumps großen Unterstützern gehört, passt dazu. Trump wird gleichzeitig als jemand gesehen, der die Normalbürger in Ruhe lässt, sie nicht mit Zielen wie der Geschlechtergleichheit, Antidiskriminierung Klimaschutz oder Impfpflichten behelligt.

Donald Trump zeigt es den arroganten Eliten

Die Demokraten stehen für viele Amerikaner für eine arrogante Gewinnerkaste. Es gibt kaum ein Merkmal, das die Trumpsche Wählerschaft deutlicher abgrenzt als ihr im Durchschnitt niedrigeres Bildungsniveau. Aus deren Sicht sind die besser Gebildeten, diejenigen, die einseitig von einer viel zu komplex gewordenen Welt profitieren. Sie sind die Vorgesetzten, die einem im Unternehmen sagen, wo es lang geht. Sie sind diejenigen, die bequem in den Vorstädten leben und ihre Kinder in die besten Schulen und Unis schicken. Sie dominieren die Mainstream-Kultur von Hollywood bis zu den Medien. Trump ist Bildung egal. Auch weniger Gebildete fühlen sich mit ihm auf Augenhöhe. Er profitiert von der Faszination seines Reichtums, und gibt den Underdogs, insbesondere Männern, doch das Gefühl, gegen die Mächtigen auf ihrer Seite zu sein.

Donald Trump schützt uns – vor allem vor Migranten  

Donald Trump hat vom konstanten Druck auf die Südgrenze der USA profitiert. Im Wahlkampf verband er das geschickt mit gefühlten Realitäten, wie einer angeblich massiv steigenden Kriminalität. Trump hat hier alle Ratschläge von republikanischen Strategen ignoriert, die nach den Obama-Jahren mehr Inklusion und weniger Rassismus forderten. Und dieses Konzept ging auch bei Wählergruppen auf, wo man es nicht erwarten würde. Afroamerikaner und Latinos, die Angst haben, durch Neuankömmlinge unter Druck zu geraten, finden Trump attraktiv. Er richtet sich auch gezielt gegen im Land noch nicht etablierte Gruppen – wie bei seiner Debatte mit Kamala Harris gegen die Haitianer.

Kamala Harris tritt für die Demokraten bei der Wahl um das Präsidentenamt in den USA an. Foto: AFP/Geoff Robins

Unter Trump war es besser

Viele Umfragen zeigen eine verbreitete Nostalgie gegenüber den Trump-Jahren: Zwischen seiner Wahl 2016 und dem Ausbruch von Corona zu Beginn seines letzten Amtsjahres 2020 waren es Jahre ohne große Krisen – so nehmen das viele Menschen wahr. Es ist Joe Biden und nicht Trump, der etwa für die Folgen der Corona-Pandemie verantwortlich gemacht wird. Angeschoben durch ein Konjunkturprogramm, um die Coronafolgen zu dämpfen, stieg die Inflation. Auch der Ukraine-Krieg und der Krieg im Nahen Osten fallen den amtierenden Demokraten vor die Füße. Die negativen Schlagzeilen der Trump-Jahre sind hingegen vergessen.

Donald Trump entfesselt die Wirtschaft

Der mehrfache Pleitier Trump kultiviert den Mythos der Wirtschaftskompetenz. Und dabei präsentiert er insbesondere Menschen, die sich nicht mit ökonomischen Feinheiten beschäftigen, äußerst simple Lösungen. Bedrohen Importe amerikanische Arbeitsplätze? Einfach Schutzzölle erheben und durch Zinssenkungen den Dollar schwächen. Steigen die Energiepreise? Lasst uns in den USA nach Öl und Gas bohren.

Trump hat vielen Wählern Steuerentlastungen versprochen. Er will etwa die Rentenbesteuerung abschaffen. Auch Trinkgelder sollen nicht mehr versteuert werden. Autokredite sollen wie Immobilienkredite abgesetzt werden dürfen. Er hat hier die Zielgruppen genau im Blick. Das Thema Rente kam in Florida mit seinen Rentnersiedlungen auf. Der Trinkgeldrabatt in Nevada mit seiner Tourismusindustrie. Autokredite in Detroit.

Donald Trump ist nicht gefährlich  

Trumps treueste Anhänger bejubeln dessen autoritäre Ideen und dass er den Feinden ihres Weltbilds an den Kragen will. Doch ein relevanter Teil der Trump-Wähler blendet das Risiko für die Demokratie aus, das viele Amerikaner zudem für von Trumps politischen Gegnern aufgeblasen halten. Diese Wähler glauben, dass Trump nur provozieren will. „Viele Leute wählen ihn gerne, weil sie ganz einfach glauben, dass er viele Dinge, die er ankündigt, nicht tun wird,“ schrieb die New York Times vor der Wahl. Das ist typisch amerikanische Risikobereitschaft nach dem Motto: Irgendwie wird es schon gut gehen.