Solch ein Ergebnis brachte eine Abstimmung noch nie: zehn Enthaltungen. Ablehnen wollten Wangens Bezirksbeiräte den Bebauungsplan für das Arbeitsstättengebiet an der Hedelfinger Straße nicht, weil er Vergnügungsstätten verhindert. Zustimmen wollten sie aber auch nicht, da er ausschließlich Gewerbe erlaubt. „Wieso soll sich kein Einzelhandel hier ansiedeln?“, fragten die Politiker und enthielten sich geschlossen ihrer Stimme.
Eigentlich wollen die Stadtplaner Hubert Vollmer und Ronny Liebheit den Wangenern Gutes tun. Für das frühere Kodak-Areal - ohne das vom Baumarkt genutzte Grundstück - und die Flächen auf der gegenüberliegenden Seite der Hedelfinger Straße haben sie den Bebauungsplan „Arbeitsstättengebiet Wangen Süd“ erstellt. Er hat zwei Ziele. Zum Einen soll er die Ansiedlung von Vergnügungsstätten, Wettbüros und Bordellen in dem Bereich verhindern. Zum Zweiten lässt er keine neuen Einzelhandelsgeschäfte am Ortseingang zu. „Das vor acht Jahren beschlossene Einzelhandels- und Zentrenkonzept weist den Wangener Ortskern als ein D-Zentrum aus. Weitere Ansiedlungen von Einzelhandelsbetrieben mit zentrenrelevanten Sortimenten würde die Nahversorgungsfunktion des Wangener Zentrums schwächen“, erklärte Vollmer. Aus diesem Grund soll der neue Bebauungsplan neue Einzelhandelsbetriebe auf dem ehemaligen Kodak-Areal ausschließen.
Der Geltungsbereich für die neue städtebauliche Konzeption wurde in drei Gebiete unterteilt. Zwei Gebiete - jene westlich der Hedelfinger Straße - erstrecken sich über das Grundstück des heutigen Bürocampus Wangen. „Das Obi-Grundstück wurde ausgegliedert, da es für diese Fläche einen vorhabensbezogenen Bebauungsplan gibt, der nur einen Baumarkt vorsieht“, so Vollmer. Auf dem restlichen, ehemaligen Kodak-Areal sind ausschließlich Betriebe angesiedelt, die in einem Gewerbegebiet zulässig sind. Daher werde entsprechend der bestehenden Nutzungen und zur Sicherung der Struktur ein Gewerbegebiet festgesetzt. Gewerbebetriebe aller Art, Lagerhäuser und -plätze, öffentliche Betriebe sowie Büro- und Verwaltungsgebäude sind gestattet. Bordelle, Wettbüros, Vergnügungsstätten, Tankstellen, Betriebe des Beherbergungsgewerbes und eben Einzelhandel sind unzulässig. Der Bestand des Restaurants in der Hedelfinger Straße 60 ist gesichert.
Das dritte Gebiet liegt auf der gegenüberliegenden Seite der Hedelfinger Straße und erstreckt sich von den Otto-Konz-Brücken bis zur Heinrich-Hertz-Straße. Für dieses Gewerbegebiet gelten die im Bebauungsplan 1968 festgesetzten Bestimmungen. Auch hier sind Vergnügungsstätten, Bordelle und Einzelhandel ausgeschlossen, aber die bestehenden Einzelhandelsgeschäfte - das Küchen- und Bäderstudio, der Motorgerätefachmarkt, Maschinen- und Werkzeugeverkauf und ein Lebensmitteleinzelhandel - sind in der bisherigen Größe geschützt. Neuansiedlungen jedoch verboten.
Gegen diese Bestimmung regte sich Widerstand. Volkmar Mäckle (SPD) und Rolf Jänig (CDU) zeigten zwar generelles Verständnis für das Ansinnen der Stadtplaner, aber nicht in diesem Fall. „Im vorderen Bereich der Ulmer Straße und um den Marktplatz fehlen uns bereits attraktive Einzelhandelsgeschäfte. Wangener, die im südlichen Teil des Stadtbezirks wohnen, müssen weit zum Lebensmittelmarkt am nördlichen Ende der Inneren Ulmer Straße laufen“, so Jänig. Sie wären über einen Einzelhandelsbetrieb - beispielsweise einen Drogeriemarkt - im Arbeitsstättengebiet Wangen-Süd sicher erfreut, vermutet Mäckle. Aus diesem Grund konnten die Lokalpolitiker den absoluten Ausschluss der Ansiedlung von Einzelhandel nicht zustimmen und sorgten für ein Kuriosum: Sie wollten dem Bebauungsplan weder ablehnen noch ihm in dieser Form zustimmen. Alle zehn Politiker enthielten sich der Stimme.