Der Grundofen aus Lehm ist nicht nur ein Hingucker, man kann es sich darauf auch gemütlich machen. Foto: Werner Kuhnle

Zwei kleine Kinder, drei große Hunde, zwei Katzen und der Beruf: Das hält Laura und Denny Wuttke nicht davon ab, in Eigenregie aus einem alten Fachwerkhaus in Walheim ein urgesundes Traumhaus zu machen. Lehm spielt dabei eine ganz wichtige Rolle.

Für manche Menschen scheint der Tag mehr als 24 Stunden zu haben. Anders kann man sich kaum erklären, wie Laura und Denny Wuttke es schaffen, mit viel Eigenarbeit ein altes Fachwerkhaus ökologisch zu sanieren. Sie haben zwei kleine Kinder, drei große Hunde, zwei Katzen und sind berufstätig. Und dennoch hat ihr Engagement für das Haus in den nun schon fünf Jahren, in denen es sie vor immer neue Aufgaben stellt, kein bisschen nachgelassen.

Im Gegenteil. Je weiter die Arbeiten voranschreiten, je mehr man sieht, was schon entstanden ist, umso mehr sind sie überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. Und kürzlich haben sie sogar den Lehmbaupreis des Landes für ihr Engagement verliehen bekommen.

Als die Wuttkes das Gebäude in der Walheimer Ortsmitte kauften, konnte man wegen der Wärmedämmung noch nicht einmal sehen, dass es ein Fachwerkhaus ist. Damals stand es seit mindestens neun Jahren leer. Und der technische Stand war so, dass das Wasser im – in den 1970er Jahren angebauten – Bad von einem Holzofen erwärmt wurde. Es war beiden klar, dass da einiges an Arbeit auf sie warten würde. Doch sie sahen auch die Vorteile: Ein altes Haus mit Geschichte, ein Hof, ein Garten – und ein Wohnort mit Bahnanschluss.

Die offene Küche bietet viel Platz für die Familie. Foto: Werner Kuhnle

Das Haus allerdings bot einiges an Überraschungen. So musste der Plan, zunächst im Inneren zu renovieren, schnell aufgegeben werden. „Als wir die Tapete abgekratzt haben, kam uns die Wand entgegen“, erinnert sich die junge Frau. Da war klar: Zunächst musste man an die Außenseite ran.

Mehr als drei Jahre im Wohnwagen hinter dem Haus gelebt

Weitere Hürden taten sich auf. Ein Drittel der Holzbalken musste ausgetauscht werden, weil sie verfault waren. Dabei musste ein Zimmermann helfen. Eine Zeitlang war vom Keller bis zum Dach alles offen, das Haus stand auf seiner Holzkonstruktion. In der Schüttung unter dem alten Dielenboden fanden sich Tierknochen, Eier und ein alter Schuh. Und weil die Renovierung neben der Berufstätigkeit her lief, lebte das Paar über drei Jahre lang im Wohnwagen. Der steht heute noch auf dem Grundstück, das Haus jedoch ist inzwischen bezogen, obwohl noch nicht alles fertig ist. Ein Wohnwagen wäre für die beiden Kinder auch nichts gewesen.

Die kamen erst nach dem Umzug auf die Welt. Aber zumindest der zwei Jahre alte Sohn war schon vorher mit dabei – in Mamas Bauch. „Die Lehmmauer vom Ankleidezimmer hat meine Frau hochschwanger gebaut“, erzählt der 47-jährige Familienvater. Geht alles, wenn man will. Und wenn man mit natürlichen Materialien arbeitet. „Wir wussten genau: Wenn der Kleine in dem Lehm rummatscht, kann nichts passieren“, sagt Laura Wuttke. Überhaupt habe man gerade der Kinder wegen angefangen, bei allem zu hinterfragen, ob es eine schadstoffarme Alternative gebe.

Das Haus erdet und entschleunigt

Wo Außenstehende vor allem unglaublich viel Arbeit sehen, die geschafft wurde und auch in Zukunft noch ansteht, haben die Wuttkes einen ganz anderen Blick. „Für uns ist das normal geworden“, sagt Denny, und Laura führt das Fehlen von jeglichem Stress sogar auf das Haus zurück: „Das Haus erdet und entschleunigt mich. Und letzten Endes geht es um mehr als darum, morgen ein schlüsselfertiges Haus zu haben.“

Diese Erdung und Entschleunigung war auch der Grund dafür, dass sich die beiden nie entmutigen ließen und immer wieder einfach mal etwas probiert haben, von dem andere sagten: „Das geht nicht, das ist zu teuer, das ist zu aufwendig.“

„Man kann mit sehr viel Zeit Geld sparen“, resümiert Denny Wuttke. „Anders hätten wir uns das gar nicht leisten können.“ Dass beide Bauingenieure sind, half ihnen bei der Arbeit nur sehr bedingt. Laura ist Spezialistin für Brückenbau, Denny für Tunnel und Erdbauwerke. Um die Wissenslücken zu schließen, wälzten sie Bücher über alte Handwerkskunst und Fachwerk.

Unvorstellbare 47 Tonnen Lehm haben sie verarbeitet. Für die Wände, für den Boden in der Küche – einen glatt geschliffenen Stampflehmboden –, aber auch für den sogenannten Grundofen im Wohnzimmer mit seiner außergewöhnlichen Form, die die beiden selbst entworfen haben. Damit der Ofen die Wärme wie geplant speichert, die Abgase aber trotzdem gut abziehen, haben sie sich die Hilfe eines Ofenbauers geholt. Und auch für die übrigen Lehmarbeiten haben sie einen Fachmann hinzugezogen.

Alte Baukunst und moderner Luxus

Die Gefache haben die beiden mit alten Bruchsteinen und Lehm wieder ausgemauert. Weil der aber nicht regenfest ist, kam ein Kalkputz obendrauf, der, damit er nicht reißt, mit Dachshaaren zur Armierung versehen ist; zum Schluss folgte noch ein Kalkanstrich für das neue Eigenheim.

Historisches Ambiente und moderne Technik schließen einander nicht aus. Foto: Werner Kuhnle

Auch wenn es so klingt: Im Haus der Wuttkes kommt nicht nur alte Baukunst zum Einsatz. Auch neuzeitlicher Luxus darf sein. Ein Zentralstaubsauger etwa, moderne Elektrotechnik, Wandheizung, eine schicke Küche und sogar eine Sauna. Deren Wände sind, wen wundert’s, ebenfalls aus Lehm.

Eine Weile wird es noch dauern, bis alles restlos fertig ist. Dann jedoch haben Laura und Denny Wuttke genau das, was sie haben wollten: Ein Haus, das Raum für die Familie bietet, gesund und nachhaltig gebaut ist und gut und gerne noch mal 200 Jahre stehen kann. „Ein modernes Haus schafft das nicht“, ist Laura Wuttke überzeugt. Dank des vielen Lehms ist auch das Raumklima unschlagbar: nicht zu heiß im Sommer, nicht zu kalt im Winter – und die Fenster und Spiegel beschlagen nicht. „Egal, wie heiß wir duschen“, sagt Laura Wuttke. Auch Gerüche würden neutralisiert.

Und wie ist das, wenn es einmal Hochwasser gibt? „Es stand schon einmal dreihundert Meter vom Haus entfernt“, berichtet die 34-Jährige. Doch auch wenn es direkt vor der Tür oder dahinter stehe, sei das kein Problem. „Notfalls erneuern wir den Lehm. Anders als in anderen Häusern, die unter Wasser standen, gäbe es bei uns kein Problem mit Schimmel“, sagt sie gelassen.

Lehmbaupreis

Musterbeispiel
Mit dem erstmals verliehenen Innovationspreis Lehmbau Baden-Württemberg werden beispielhafte Lehmbau-Projekte im Land ausgezeichnet. Laura und Denny Wuttke gehören zu den Preisträgern. Gewürdigt wurden herausragende Bauten, Gebäudekonzepte und Innovationen, die zwischen Januar 2019 und Mai 2024 in Baden-Württemberg realisiert wurden und die beispielhaft für eine qualitativ hochwertige Verwendung von Lehm und Lehmbaustoffen sind. Eine unabhängige Jury aus Bautechnik, Architektur und Handwerk hat aus allen Einreichungen die Preisträger ausgewählt.

Engagement
Bei der Preisverleihung wurde vor allem das große Engagement von Laura und Denny Wuttke gewürdigt. Es sei unvorstellbar, wie man das alles schaffe, so die Landesbauministerin Nicole Razavi (CDU).