Macron mit seiner Frau Brigitte nach der Präsidentschaftswahl am 24. April. Foto: AFP/LUDOVIC MARIN

Am Sonntag findet in Frankreich das Finale eines Wahlmarathons statt. Präsident Macron muss um eine Regierungsmehrheit zittern.

Wenn am Sonntag der vierte und letzte Teil der Wahl in Frankreich stattfindet, muss der von der Linksunion überrumpelte Präsident um die Regierungsmehrheit bangen. Hier ein Antwortversuch zu den wichtigsten Fragen.

Worum geht es am Sonntag?

Zur Debatte steht die Frage, ob Frankreich in den nächsten fünf Jahren weiterhin aus der politischen Mitte oder klar von links regiert wird. Emmanuel Macron ist im April in zwei Präsidentschaftsrunden für ein weiteres fünfjähriges Mandat wiedergewählt worden. Normalerweise sollten ihm seine Wähler in den anschließenden Parlamentswahlen eine Regierungsmehrheit zur Seite stellen. Das Wahlbündnis der Sozialisten, Grünen, Kommunisten und des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon, Nupes genannt, könnte Macron aber um die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung bringen.

Welchen Ausgang sagen die Umfragen voraus?

Die Institute sagen der Macron-Allianz der Mitteparteien Renaissance, ehemals La République en marche, Modem und Horizons etwas weniger als 300 Sitze voraus. Damit wird es knapp für die absolute Mehrheit, die in der Nationalversammlung bei 289 Sitzen liegt. Mélenchons Nupes (neue ökologische und soziale Volksunion) werden bis zu 200 Sitze in Aussicht gestellt. Die Republikaner müssen wohl mit etwa 60 Sitzen vorlieb nehmen, die Rechtsextremen von Marine Le Pen mit ungefähr 40. Da aber jeder der 577 Wahlkreise eigenständig wählt, fällt eine globale Prognose schwer.

Ist eine „Cohabitation“, eine Koalition, möglich?

Eine solche politische Zwangsehe zwischen einem Präsidenten und einem Premier unterschiedlicher politischer Couleur gab es in Frankreich mehrmals zwischen 1986 und 2002 – zweimal unter dem Sozialisten François Mitterrand, einmal unter dem Konservativen Jacques Chirac. Es waren Jahre der politischen Dauerspannung. Ein Gespann Macron-Mélenchon bärge enormen politischen und persönlichen Sprengstoff. Eine solche Konstellation wäre aber nur möglich, wenn die linke Nupes-Union die Parlamentsmehrheit erringt, und das halten die Experten für nahezu ausgeschlossen.

Wo stehen die Rechtspopulisten?

Das Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen hat im ersten Wahlgang gut abgeschnitten. Da aber die Lepenisten keine Wahlallianzen abschließen, dürften sie am Sonntag wegen des Mehrheitswahlrechts relativ wenig Sitze gewinnen. Immerhin haben sie erstmals überhaupt Chancen, in der Nationalversammlung Fraktionsstärke zu erreichen. Das verliehe ihnen mehr politische Sichtbarkeit. Mit ihrem betont sozialen Kurs dürften sie in der kommenden Legislaturperiode öfters gleich wie die Mélenchonisten stimmen. Die Partei Reconquête des Rechtsaußen Eric Zemmer ist hingegen völlig eingebrochen; er selber verpasste am letzten Sonntag in einem Wahlkreis in der Provence klar den Einzug in die Stichwahl.

Was wird Macron nun tun?

Der Präsident wird in der populistisch gesinnten Nationalversammlung Mühe haben, zentrale Wahlversprechen wie die Rentenreform mit dem Pensionsalter 65 durchzubringen. Zum Gradmesser wird sein erstes Projekt, die Abschaffung der Rundfunkgebühr von jährlich 138 Euro, werden. Um die Nationalversammlung notfalls zu umgehen, plant Macron die Bildung eines „Nationalen Rates der Neugründung“. Dort strebt er einen breiten Konsens zwischen Parteien, Sozialpartnern und Verbänden an. Mit ihrer Billigung hofft er Vorlagen eher durch das Parlament zu bringen. Doch die Inflation und die Staatsschuld könnten jeden Konsens oder auch nur Kompromiss vereiteln. Mélenchon und Le Pen wollen die Geldschleusen zumindest für Minderbemittelte weit öffnen und laufen jetzt schon Sturm gegen die „neoliberale“ Sparpolitik Macrons. Der Präsident wird in jeder Vorlage um eine neue Mehrheit kämpfen müssen.