Mit einer Protestaktion wurde im Januar der Widerstand gegen den geplanten Gewerbepark in Korntal-Münchingen verdeutlicht. Foto: /S. Granville

Das ambitionierte Vorhaben, mit dem Autobauer Porsche in Korntal-Münchingen einen Vorzeige-Gewerbepark zu schaffen, kommt eher schleppend voran. Mit einer prominenten Politikerin an Bord findet nun ein Bürgerforum statt.

Der regionale Gewerbeschwerpunkt nördlich von Müllerheim bleibt heiß diskutierter Stoff in der Stadt. Doch trotz vieler Debatten und eines liquiden Interessenten an Bord – der Stuttgarter Autobauer Porsche würde gern als Projektpartner und damit Investor einsteigen, aber auch als Nutzer – kommt das ambitionierte Projekt nur schleppend voran.

Wie werden die Pläne für den regionalen Gewerbeschwerpunkt (RGS) bewertet? Zum Beispiel die Grünen im Gemeinderat, aber auch Umwelt- und Bauernverbände machen keinen Hehl aus ihrer Ablehnung. Es gibt Befürworter und – in beiden Gruppen – Skeptiker. Das Vorzeige-Projekt auf einer Fläche von rund 16 Hektar ist so umstritten wie hochkomplex. Viele Fragen sind noch nicht beantwortet, weshalb der Gemeinderat nur zögerlich voranschreitet. Die Leitlinien zur Nachhaltigkeit, die die Stadtverwaltung und der Gemeinderat definiert haben, finden die meisten in der Stadt grundsätzlich gut.

Der Bürgermeister Joachim Wolf (parteilos) betont unermüdlich, der Gewerbepark, ein Leuchtturmprojekt der Nachhaltigkeit, komme nur dann, wenn die Leitlinien für Mobilität, Energie, Ökologie, Vernetzung und soziale Einbindung konsequent umgesetzt werden. „Wir machen keine Zugeständnisse“, so Wolf auch angesichts des Verlusts wertvoller Ackerböden. Die Reaktionen aus Deutschland und darüber hinaus würden die Pläne bestätigen. „Unser Ansatz stößt auf Interesse.“ Nach dem groß angelegten Infomarkt im Februar mit sämtlichen Beteiligten sollen die Leitlinien eigentlich jetzt um die Rückmeldung aus der Bevölkerung ergänzt und beschlossen werden. Es kommt anders.

Was treibt die Bevölkerung besonders um? Einmal der Verkehr, vor allem die „dringend notwendige“ Anbindung des Gewerbeparks an den B-10-Anschluss. Schon heute sei die Verkehrslage in der und um die Stadt angespannt. Die Herausforderungen in der künftigen Verkehrswegeplanung müsse die Verwaltung zeitnah, transparent und ergebnisoffen angehen. Vielen Menschen sei „völlig unklar“, wie ohne einen Anschluss an die Schiene der Logistik- und der Pendelverkehr geregelt werden soll. Nicht bewusst gewesen sei vielen, dass im RGS auch Wohnen geplant ist. Unklar sei, wer dort leben solle oder wie viele neue Einwohner die Stadt noch aushalten könne.

Auch hätten die Leute den „echten ökologischen Nutzen“ des RGS kritisch hinterfragt. Daniel Schreyer von der Agentur Hendricks & Schwartz, mit der Korntal-Münchingen zusammenarbeitet, sagt außerdem, die Verwaltung sollte zeitnah die Fragen der Bevölkerung beantworten. Darüber hinaus gelte es, Ausgleichsflächen für versiegelten Ackerboden zu klären und die fixen Einnahmen an Gewerbesteuer zuzusichern. Den größten Klärungsbedarf habe das Thema Wohnen.

Warum stockt es selbst bei den Nachhaltigkeitskriterien? Die Anregungen der Bürger hat die Stadtverwaltung in die Leitlinien integriert. Es sei vollkommen klar, dass die Stadtteile nicht durch zusätzlichen Verkehr belastet werden, sagt Stefan Wolf, der in Korntal-Münchingen für die Stadtentwicklung zuständig ist. Dafür, die überarbeiteten Leitlinien im Gemeinderat am 16. März abzusegnen, haben die Mitglieder der Ausschüsse dennoch kein grünes Licht gegeben. Der Antrag der CDU, die Entscheidung zu vertagen, ging mit großer Mehrheit durch. Leitlinien, sagt der Vorsitzende Oliver Nauth, seien weder rechtlich verbindlich noch in Stein gemeißelt. Die CDU begrüße die Fortschreibung „ausdrücklich“. Um darüber arbeitsökonomisch, in einer Gesamtschau abgestimmt mit allen anderen Änderungsvorschlägen beraten zu können, wolle man die Ergebnisse des Bürgerforums abwarten. Die SPD lehnt das ab.

Was hat es mit dem Bürgerforum auf sich? Das erläutert eine recht prominente Frau: Barbara Bosch, einst Oberbürgermeisterin von Reutlingen und Präsidentin des Städtetags, ist heute Staatsrätin für Zivilgesellschaft und Bürgerbeteiligung. „Ihre“ Servicestelle des Landes bietet Beratung und Begleitung bei verschiedenen Formaten der Bürgerbeteiligung. Ein Bürgerforum zeige, wo die „schweigende Mehrheit der Bevölkerung“ steht, sagt Barbara Bosch. Bis zu 50 Personen werden zufällig ausgelost. Die Zahl sei freilich nicht repräsentativ, dafür sei aber garantiert, dass die Leute einen Querschnitt der Bevölkerung widerspiegeln.

Die Auserwählten diskutieren vier bis sechs Mal mit einem externen Moderator festgelegte Themen. Die Projektbeteiligten dürfen lediglich benötigte Informationen liefern, ansonsten sind sie außen vor. Am Ende gibt es ein Gutachten, das dem Gemeinderat den Rücken stärke. „Bürgerforen bringen Zug ins System“, sagt Barbara Bosch. Sie meint damit, dass etwa Investoren in solchen Fällen durchaus bereitwillig Auskunft geben – aus Sorge, ihnen könnten die Felle davonschwimmen. Und die Empfehlungen aus dem Bürgerforum, sagt Barbara Bosch auch, würden ein Projekt, die Qualität, das Ergebnis oft sogar verbessern. Das Land finanziert das Bürgerforum zu 100 Prozent.

Warum wäre das Bürgerforum beinahe gescheitert? Nicht bloß die Grünen haben Bedenken: Der Zeitpunkt sei der falsche, weil noch Basisinformationen fehlen würden. „Was hilft es, wenn die Bürger die gleichen Fragen stellen wie wir?“, fragt Albrecht Gaiser. Anne-Hilde Föhl-Müller (Freie Wähler) beantragte zu vertagen, bis die – auch von den Bürgern – geforderten Auskünfte da sind. Der Antrag scheiterte, denn es gab so viele Ja- wie Nein-Stimmen. Renate Haffner (SPD) findet es wichtig, trotz allem ein Stimmungsbild zu bekommen – „das uns auch überraschen kann, in welche Richtung auch immer“.

Wann ist mit weiteren Infos zu rechnen? Die Rathaussprecherin Benita Röser teilt mit, die Fragen seien den Projektpartnern bekannt, sie würden nach eigenen Angaben mit Hochdruck an hinreichend aussagekräftigen Antworten arbeiten. „Wir hoffen, dass die Informationen zeitnah bereitgestellt werden können.“ Hierzu zähle neben Aussagen zur geplanten Ansiedlungsstrategie und zu den geschätzten Gewerbesteuerzahlungen ein Erschließungskonzept, das bei einem Verkehrsplanungsbüro beauftragt sei. Im Rahmen des Stadtentwicklungskonzepts solle auch die Wohnnutzung diskutiert werden. „Zudem sollte dieses Themenfeld nach Vorstellung der Stadtverwaltung auch im Bürgerforum behandelt werden.“ Es startet vermutlich noch vor der Sommerpause. Das Gutachten könnte im Spätherbst vorliegen.