Stephan Trüby, Professors für Grundlagen Moderner Architektur und Entwerfen an der Universität Stuttgart, erforscht den Einfluss rechter Gruppierungen auf Städte. Foto: Lichtgut//Ferdinando Iannone

Gibt es rechte Architektur? Diese Frage hat sich eine Gruppe von Forschern rund um den Stuttgarter Architekturprofessor Stephan Trüby gestellt. Auf einer Reise nach Rom fanden sie heraus – es geht um mehr als nur Gebäude.

Erzählen Gebäude von politischer Gesinnung? „Es gibt keine rechte oder linke Architektur per se“, so Stephan Trüby, Professors für Grundlagen Moderner Architektur und Entwerfen an der Universität Stuttgart. „Das Verhältnis von Architektur und Ideologie ist komplex, Ursache und Wirkung sind nicht einfach verknüpft. Aber es gibt rechte Räume.“ Über dieses Thema sprach der Architekturtheoretiker im Erinnerungs-, Lern- und Gedenkort Hotel Silber innerhalb der Veranstaltungsreihe „Rechtsextremismus und Rechtspopulismus in der sogenannten Mitte der Gesellschaft: ein Nahblick“.

Quartiere werden zu faschistischen Zentren

Denn Rechte Räume oder auch „Seismographen einer identitätspolitischen Wende“ hat Trüby unter anderem auf einer Reise mit Kollegen und Studierenden erforscht. Entlang der berüchtigten Achse Rom–Berlin versuchte das Team Belege zu finden, wie architektonische Phänomene ein neuerliches Aufkommen autoritärer, gar faschistischer Politiken spiegeln. „Um faktisch regieren zu können, muss man den kulturellen Raum beherrschen, also Theater, Kunst – und eben auch Architektur“, so Trüby. „Mich interessiert das Gebäude weniger als das, was gesagt oder getan wird!“

Das gilt etwa für das Hauptquartier der italienischen rechtsextremen Bewegung Casa Pound im römischen Migrantenviertel Esquilino: Die Mitglieder hatten es 2003 besetzt – in linker Antifa-Manier, offiziell als Protest gegen hohe Mieten. Der Name? Kein Zufall! Der US-amerikanische Dichter Ezra Pound war glühender Mussolini-Anhänger. Ein solches faschistisches Zentrum mitten in der Stadt, das komme auch bei den Rechtsextremen in Deutschland gut an, so Trüby. „Die Devise der Identitären Bewegung in Halle beispielsweise heißt ‚Learning from Casa Pound’.“ Hierzulande seien rechte Zentren eher auf dem Land verortet.

Ein unterwanderter Förderverein

Rechte Räume bedeuteten eben auch, dass rechte, nationalistische Kreise Architektur oder Denkmäler für ihre Zwecke instrumentalisierten. Beim Humboldt Forum in Berlin sammelte etwa der Verein Gesellschaft Berliner Schloss e. V. – er hat nichts zu tun mit dem Förderverein Berliner Schloss – Spenden für die Kartusche der Hohenzollern über dem Eingang. „In dessen Vorstand tummeln sich nachweislich rechte Akteure“, so Trüby. Und er warnt: „Das Rechts-Links-Schema politischer Einstellungen kann man nicht mehr aufrecht erhalten. Es gibt überraschende Koalitionen und Querbeziehungen zwischen Linken und Rechten, unter anderem im Bereich Liberalismus.“

Der deutsche Architekt Patrick S. Schumacher, der seit 2016 Chef von Zaha Hadid Architects in London ist, war beispielsweise einst Marxist. Nun will er den Neoliberalismus radikalisieren. Seine Agenda: Straßen und Plätze privatisieren, Arbeitsrechte, sozialer Wohnungsbau und Mietbeihilfe abschaffen – Mieterrechte verhinderten Vermietung. „Es würde viel weniger Leerstand geben, wenn man Mietern innerhalb einer Woche kündigen könnte“, so Schumacher in einem Zeit-Interview. „Ich habe selbst einmal eine Wohnung leer stehen lassen, weil ich Angst hatte, die Mieter später nicht mehr loszuwerden. Ich bin kein Sozialarbeiter.“