Die Ameisenbergschule in Stuttgart bietet den geflüchteten Kindern aus der Ukraine Schulalltag und den Kontakt mit anderen Kindern. Foto: Lichtgut/Max Kovalenko

Die ersten Kinder und Jugendlichen aus der Ukraine sind in den internationalen Vorbereitungsklassen in Stuttgart angekommen. In einer neuen Welt. Und mit anderen Kindern, die auch noch kein Deutsch können.

„Wir bekommen täglich Anrufe“, sagt Katja Conzelmann, die Leiterin der Ameisenbergschule im Stuttgarter Osten. Aber die Grundschulvorbereitungsklasse dort ist mit 25 Kindern von sechs bis zehn Jahren schon voll. So müsse sie viele ukrainische Eltern erst mal auf 1. April vertrösten, da werde man die Klasse in zwei Altersgruppen teilen. „Wir gucken: Kann das Kind auch noch eine Woche oder zwei zu Hause bleiben?“, so Conzelmann. „Es soll ja auch ein guter Anfang sein.“ Vier aus der Ukraine geflüchtete Kinder sitzen bereits in der Vorbereitungsklasse (VKL), zusammen mit anderen Kindern.

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„Die kommen multikulti von überall her, so wie immer bei unserer Vorbereitungsklasse“, sagt die Rektorin. Also aus Spanien, Serbien, Bosnien, Afghanistan, Indien, Belarus. Es gebe aber für niemanden eine Sonderbehandlung. „Unser Ziel ist die Integration in die Regelklasse“, erklärt Katja Conzelmann. Dafür müssen sie alle erst mal Deutsch lernen.

Die Neuankömmlinge sprechen die Begrüßung erst mal nach

Marzia Alesi weiß, wie das geht. Die italienischstämmige Deutschlehrerin unterrichtet schon seit zehn Jahren Deutsch als Fremdsprache: „Ich heiße Frau Alesi, und wie heißt du?“, fragt sie beim Morgenkreis in der Vorstellungsrunde nacheinander jedes Kind. Ganz langsam. Und natürlich beginnt sie bei denjenigen, die das Ritual schon kennen. Und die neuen sprechen erst mal einfach nach. Natürlich seien die Kleinen zunächst ein bisschen verängstigt, das sei aber bei den Ukrainern auch nicht anders als bei den anderen Kindern. „Es ist ja eine komplett neue Welt für sie – wichtig ist, dass sie sich wohlfühlen“, meint Marzia Alesi. Ein ukrainischer Vater habe ihr berichtet, nach dem ersten Schultag sei der Sohn „so happy“ gewesen.

Endlich klare, geregelte Abläufe: Jeden Vormittag lernen die Kinder von 8.30 bis 12.15 Uhr. Nicht nur Deutsch, sondern auch Mathe. „Aber wir machen auch Kunst und Sport“, sagt Alesi. „Die Kinder müssen unseren Schulablauf kennenlernen.“ Aber als Erstes müssten sie natürlich erst mal ankommen. Ganz bewusst lasse man die Kinder gemischt – „dann lernen sie am besten“, weiß die Lehrerin.

Kinder aus Belarus und der Ukraine spielen zusammen

Ihr erster Eindruck von den ukrainischen Neuankömmlingen: „Die fühlen sich schon wohl. In der Pause haben die anderen Kinder ihnen alles gezeigt, die spielen zusammen“, so Alesi. Sie selbst macht keine Unterschiede zwischen den Nationalitäten, es gebe für die Kinder jetzt doch vor allem zwei Ziele: „Deutsch lernen, Spaß miteinander haben.“

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Allerdings ist die Personaldecke dünn. „Wir stemmen das für die Grundschulvorbereitungsklasse aus den eigenen Reihen“, berichtet Rektorin Conzelmann. Weil Kollegen aufgestockt hätten, eine Kollegin aus Elternzeit zurückgekehrt sei und man Teamstunden gestrichen habe. „Wo sollen denn die Lehrer in Zeiten des Lehrermangels herkommen?“ Eine rhetorische Frage.

Die Stuttgarter Gymnasien hoffen auf weitere Vorbereitungsklassen

Dieses Problem dürfte auch auf die anderen Schularten zukommen. An den Stuttgarter Gymnasien gibt es zwei Vorbereitungsklassen: am Elly-Heuss-Knapp- und am Paracelsus-Gymnasium. Zwei Schülerinnen aus der Ukraine habe man bereits aufgenommen, eine davon in der VKL, weil sie schon etwas Deutsch könne, so Elly-Rektor Norbert Edel. Für fünf weitere Schüler sei noch Platz. Die VKL gibt es seit 2015. „Wir haben sie als gymnasiale VKL eingerichtet, als viele Geflüchtete zu uns kamen und es in Stuttgart noch keine VKL für leistungsstarke Kinder und Jugendliche gab“, so Edel. Meist würden diese von anderen VKL, in denen sie Deutsch gelernt haben, oder von der Koordinierungsstelle am Schulamt fürs Gymnasium empfohlen. Die ersten Schülerinnen habe man so zum Abi begleiten können. Edel dringt darauf, so schnell wie möglich weitere Vorbereitungsklassen zu organisieren: „Das Mitlaufen im Unterricht ohne Sprachkenntnisse sollte nur kurz sein – sinnvoll sicher, um Struktur und ein erstes Ankommen zu ermöglichen, aber ohne zu verstehen, was um sie herum geschieht, kann das für die ukrainischen Schüler auch frustrierend werden.“