Die Achterbahnen (hier ein Archivbild vom Cannstatter Volksfest) werden in diesem Jahr noch strenger geprüft als ohnehin schon, heißt es auf dem Wasen. Foto: dpa/Marijan Murat

Fürs Volksfest sind an manchen Tagen die Zelte jetzt schon ausgebucht. Die Vorfreude auf einen Wasen ohne Corona-Einschränkungen ist riesengroß. Getrübt wird die gute Stimmung von steigenden Preisen, der Energiekrise und den Achterbahnunfällen.

Es könnte alles so schön sein! Das erste Cannstatter Volksfest nach der zweijährigen Coronapause startet am 23. September mit dem Fassanstich, auf den Stuttgarts OB Frank Nopper (CDU) lange warten musste. Seit seinem Dienstantritt durfte er bisher noch nicht ran. Stand jetzt wird es keine Abstandsregeln, kein Maskengebot oder Testnachweise geben – ein „ganz normaler Wasen“ soll’s werden.

Die Festwirte sind glücklich, dass es endlich volle Pulle losgeht – und vor allem, dass die Zahl der Reservierungen von Plätzen im Zelt jetzt schon das Niveau vor der Pandemie erreicht hat. „Wer an den beliebtesten Tagen feiern will, sollte jetzt sofort buchen“, rät Hans-Peter Grandl vom Hofbräu-Zelt.

Doch Energiekrise, steigende Preise, Personalmangel, Ungewissheit nach zwei Achterbahnunfällen bereiten Sorgen am Neckarstrand in Bad Cannstatt. Obendrein ist nicht ausgeschlossen, dass man nach dem 1. Oktober doch wieder Masken tragen muss.

„Auf dem Wasen gibt es die schärfsten Sicherheitsprüfungen“

„Die Unglücke im Legoland im Günzburg und im Freizeitpark Klotten belasten uns“, erklärt Mark Roschmann, der Vorsitzende des Schaustellerverbands Südwest, „wir müssen uns nun wieder in der Öffentlichkeit rechtfertigen.“ Man sage nur Achterbahn, nicht Freizeitpark. „Auf einem Volksfest hatten wir bisher keinen derartigen Unfall.“ Auf dem Wasen gebe es „die schärfsten Sicherheitsprüfungen“, für die der TÜV in Stuttgart und München bekannt sei, so Roschmann.

Die Beteiligten rechnen damit, dass noch strenger geprüft wird als ohnehin schon. Für das Volksfest 2022 sind fünf verschiedene Arten von Achterbahnen oder schnellen Fahrgeschäften angemeldet, teilt Jörg Klopfer, der Sprecher von in.Stuttgart, mit. „Die sind alle vom TÜV und Baurechtsamt abgenommen“, sagt er. Noch kenne man die Gründe nicht, die zu den Unfällen führten. Um menschliches Versagen auszuschließen, dazu ruft Mark Roschmann auf, sollten die Schausteller vor allem das neue Personal für die Gefahren „sensibilisieren“.

Sonja Merz denkt darüber nach, die Heizung im Zelt abzustellen

Auch die Energie und steigende Preise sind ein wichtiges Thema im Verband. „Man sollte den Verbrauch einschränken“, findet Roschmann, „etwa die Fahrgeschäfte nicht schon am Vormittag hell und bunt beleuchten.“ Ein Umdenken habe eingesetzt, auch beim Transport mit Lastwagen. „Manchmal muss man nicht alles mitnehmen und kann Fahrten sparen.“ Beim Vorsitzenden überwiegt ganz klar Optimismus. „Die hohe Zahl der Reservierungen in den Zelten zeigt, dass die Leute heiß aufs Volksfest sind“, sagt er, „auch wenn das Zeltpublikum nicht unbedingt das Publikum der Fahrgeschäfte ist.“

Festwirtin Sonja Merz denkt darüber nach, die Heizung in ihrem Zelt abzustellen. Diese Ersparnis könnte mit dazu beitragen, dass sie die rasant gestiegenen Preise nicht im vollen Umfang an die Besucherinnen und Besucher weitergeben müsse. „Wenn es voll ist, friert man sowieso nicht“, sagt sie, „und wenn es nicht so voll ist, muss man sich ein bisschen wärmer anziehen.“ Schockiert war sie, als sie hörte, was die Hähnchen in diesem Jahr im Großeinkauf kosten sollen. „Das sind 90 Prozent mehr als das, was ich 2019 vor der Coronapause gezahlt habe“, so Merz. Der Göckelegrill wird meist mit Gas betrieben. Auf ihrer Speisekarte wird die Festwirtin die Gerichte reduzieren. Gestrichen wird, was zu teuer ist oder besonders viel Energie braucht. Die Freude über das Comeback des Wasens überwiege bei den Gästen bestimmt, vermutet Sonja Merz, so dass die meisten bereit sein dürften, mit ein bisschen weniger als früher gut leben zu können.

Wilhelmer klagt über Lagerschäden an den Zelten

Von einer „guten Reservierungsnachfrage auch unter der Woche“ berichtet Michael Wilhelmer, Festwirt der Schwabenwelt. „Hilfreich“ sei das lange Wochenende mit dem Feiertag am 3. Oktober, einem Montag. Das Historische Volksfest und Landwirtschaftliche Hauptfest brächten „zusätzlich Belebung“. Doch leider würden „in allen Bereichen“ die Kosten explodieren. Allein die Aufbaukosten seien um etwa 30 Prozent gestiegen. „Besonders hart sind die vielen Lagerschäden an den Zelten innen und außen“, berichtet Wilhelmer. Die viel höheren Energie- und Transportkosten spüre man „an jeder Stelle“. Wichtig sei aber, dass der Wasen stattfinden kann. Ein drittes Jahr ohne Volksfest würde „das ganze Format ins Wanken bringen“. Er wolle alles tun, um die Preise im Rahmen zu halten. Das Volksfest müsse ein „bezahlbares Vergnügen“ bleiben.

Grandl verspricht: „Wir geben die gestiegenen Preise nicht 1:1 weiter“

Dafür spricht sich auch Festwirt Hans-Peter Grandl aus: „Gestiegene Preise werden wir nicht 1:1 an die Besucher weitergeben.“ Diese geschehe auch deshalb, da man die Speisekarte zu einem Zeitpunkt verabschiedet habe, als die Entwicklung der Gas- und Energiepreise „noch nicht mal ansatzweise“ absehbar gewesen sei. Grandl blickt auf die Historie: Das Volksfest basiere auf der Idee von König Wilhelm I., nicht nur die arg gebeutelte Wirtschaft des Landes nach vorne zu bringen, sondern „auch die Stimmung und den Zusammenhalt untereinander“. Genau dies wird nach der langen Coronapause wieder als sehr wichtig angesehen, weshalb die Vorfreude – trotz der Sorgen – groß ist.