Kampf am Netz: Lucija Mlinar (Dresdner SC/li.) gegen Krystal Rivers und Martina Samadan (re./beide Allianz MTV Stuttgart) Foto: Baumann

Was für eine bittere Erfahrung für die Stuttgarter Volleyballerinnen: Eigentlich hatten sie das Pokalfinale gegen den Dresdner SC schon gewonnen – doch dann begann das große Zittern.

Mannheim - Das hatte sich Fritz Kuhn ganz anders vorgestellt: Der Oberbürgermeister von Stuttgart war in die Mannheimer SAP-Arena gereist, um die MTV-Volleyballerinnen erst zu unterstützen, ihnen danach zum Pokalsieg zu gratulieren, die Goldmedaillen umzuhängen und mit den Verantwortlichen anzustoßen. Doch daraus wurde nichts – weil sich der Favorit selbst geschlagen hat. „So ein Spiel darf man nicht verlieren“, schimpfte Aurel Irion, der Geschäftsführer von Allianz MTV Stuttgart, „wir haben einfachste Fehler gemacht, die ein Spitzenteam nicht machen darf. Das tut richtig weh. Ich bin enttäuscht von der Mannschaft, weil sie den Sieg noch aus der Hand gegeben hat.“

Auch Kim Renkema stand, wie allen Spielerinnen, nach dem Drama die Ernüchterung ins Gesicht geschrieben. „Wir haben es, wie schon die ganze Saison, nicht geschafft, Stabilität in unser Spiel zu bringen“, meinte die Sportchefin nach dem verlorenen Finale (19:25, 25:20, 25:21, 26:28, 15:17), „den vierten Satz dürfen wir einfach nicht abgeben. Da hatten die Spielerinnen Angst vor dem Sieg. Ich bin tief enttäuscht darüber, dass wir uns für die harte Arbeit und die Lösungen, die wir in den vergangenen Monaten finden konnten, nicht belohnt haben.“ Da wollte Trainer Giannis Athanasopoulos nicht widersprechen: „Wir haben das Spiel kontrolliert, es aber nicht zu Ende gebracht – weil wir zu viele leichte Fehler gemacht haben.“

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Geschäftsführer Irion fühlte sich, als er an die finale Phase in den Sätzen vier und fünf dachte, gar an „Slapstick-Einlagen“ erinnert. Daran war vor allem Zuspielerin Ainise Havili beteiligt, die kurz vor dem Sieg ein Zitterhändchen bekam und keine kreativen Lösungen mehr fand. 21:16 und 24:22 führte der Favorit in Durchgang vier, 14:12 und 15:14 im Tie-Break – doch letztlich reichten fünf Matchbälle nicht aus, um den Pott zu holen. „Sport kann grausam sein“, sagte Alexander Waibl, der Trainer des Dresdner SC, „diesmal war er grausam für Stuttgart.“

Waibls Strategie geht auf

Allerdings sind am Ende vor 10 689 begeisterten Fans auch der Mut und die Courage des Außenseiters belohnt worden. In den Tie-Break war Waibl mit Sarah Straube (17), Monique Strubbe (18), Emma Cyris (18) und Camilla Weitzel gegangen. Jugend forsch! „Riesen Kompliment an unseren Gegner, der frei und unbekümmert aufgespielt hat“, sagte Renkema. Und Waibl freute sich, dass seine auch aus personeller Not geborene Strategie aufgegangen war: „Wir haben nicht nur eine dramatische Wende geschafft, sondern dabei stand auch noch die Zukunft des Dresdner Volleyballs auf dem Feld. Unser Modell, der Jugend eine Chance zu geben, hat sich bewährt.“ Was auch ein bisschen mit Krystal Rivers zu tun hatte.

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Die Kapitänin von Allianz MTV Stuttgart zeigte, obwohl sie erst am Mittwoch gegen NawaRo Straubing nach einer vierwöchigen Verletzungspause ins Team zurückgekehrt war, eine überragende Leistung. Die Diagonalangreiferin machte 35 Punkte, hielt den MTV fast allein im Spiel. Am Ende aber ging ihr sichtlich die Kraft aus, was Zuspielerin Havili nicht davon abhielt, sie trotzdem immer wieder in Position zu bringen – letztlich landeten einige Rivers-Bälle zu viel im Block. „Dennoch war unfassbar, was sie gezeigt hat“, lobte DSC-Coach Waibl die Stuttgarterin, die als beste Spielerin des Finals ausgezeichnet wurde. Und auch Kaweh Niroomand, der Manager des Männer-Pokalsiegers Berlin Volleys meinte: „Für das Niveau der Bundesliga ist Krystal Rivers eine ganz außergewöhnliche Angreiferin.“

Zum Ende der Saison könnte es das nächste Finale geben

Die mit ihrem Team an diesem Dienstag (19 Uhr/Scharrena) schon wieder gefordert ist. In der Champions League geht es gegen Khimik Yuzhny/Ukraine um den Einzug ins Viertelfinale, der deutsche Meister benötigt einen 3:0- oder 3:1-Sieg. Was nach der Enttäuschung von Mannheim alles andere als einfach wird. „Es wäre ein Märchen, wenn wir erzählen würden, dass der Schmerz bis Dienstagabend weg ist“, sagte Kim Renkema, „aber vielleicht muss es auch weh tun, um daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen.“

Das wiederum wäre nicht unwichtig. Schließlich könnte es am Ende der Saison das nächste Finale geben – in der Play-off-Serie um die Meisterschaft. Dann, so ist zumindest der Plan des Titelverteidigers, gibt es eine neue personelle Konstellation – mit Rivers und Neuzugang Simone Lee, die im Pokalfinale nicht spielberechtigt war, als Super-Duo auf dem Feld. „Sind die beiden fit“, sagte Renkema, „muss es erst mal ein Team geben, das uns schlägt.“ Folglich ist es durchaus möglich, dass es für OB Kuhn doch noch eine Möglichkeit gibt, mit Stuttgarts Volleyballerinnen einen Erfolg zu feiern.